Einen Gehörschutz braucht Emran Asani nicht. Obwohl die Geräuschkulisse um ihn herum nicht ohne ist. Wenn Stahlrohre für Autositzrahmen in Form gebracht werden, macht das Krach. Emran Asani bekommt davon nichts mit. Er ist von Geburt an gehörlos.

Durch die Fabrikhallen bei Prinz-Mayweg in Altena bewegt sich der 33-Jährige wie selbstverständlich. Er arbeitet in der Früh- und Spätschicht, ist mit vier Anlagen vertraut. Ein Grad der Behinderung von 100 Prozent? Das merkt man ihm nicht an!

Seit einem Dreivierteljahr arbeitet der Maschinen- und Anlagenführer beim Automobilzulieferer. „Er hat sich schnell hier eingefunden. Wenn man eingearbeitet ist, sind die Abläufe ja immer dieselben“, berichtet Produktionsleiter Guido Klingenhöfer. Offen und aufgeschlossen ist Asani auf seine Kollegen zugegangen. Seine positive Ausstrahlung hat ihre anfängliche Skepsis schnell verdrängt und ist eine Bereicherung für das Unternehmen.

„Wir verständigen uns mit Händen und Füßen. Einiges aus der Gebärdensprache haben wir auch schon gelernt“, sagt Klingenhöfer: „Die Kollegen haben sich darauf eingestellt.“ Von der Firma hat Asani ein Tablet bekommen, auf dem man sich schnell schriftlich verständigen kann. Es ist eines der wenigen Extras. Personalleiterin Sandra Mann hatte sich für ein Praktikum Asanis eingesetzt, um Bedenken der Werksleitung auszuräumen. „Wir mussten natürlich schauen, ob seine Sicherheit gewährleistet ist“, sagt der Produktionsleiter: „Die Staplerfahrer sind sensibilisiert. Wir haben einige Wege mit zusätzlichen Spiegeln abgesichert.“ Viel mehr war nicht nötig.

Die Arbeitsagentur unterstützt Bewerber und Unternehmen

Bei Bedarf kommt ein Dolmetscher für Gebärdensprache, den die Agentur für Arbeit Iserlohn stellt. Für deren Chefin Sandra Pawlas ist es ein tolles Beispiel für funktionierende Inklusion: „Wir wünschen uns, dass auch andere Arbeitgeber verstärkt diesen Weg gehen.“

Im Märkischen Kreis ist der Anteil der arbeitslosen Menschen mit Schwerbehinderung mit über 10 Prozent recht hoch. „Sie werden als Fachkräfte leider oft vergessen.“ Der Arbeitgeber-Service von Arbeitsagentur und Jobcenter unterstützt sie bei der Jobsuche und berät Firmen zur Inklusion. Auch Asani hat mithilfe der Reha-Spezialisten nach längerer Arbeitslosigkeit zu Prinz-Mayweg gefunden.

Younes Khaddari hat es erst mal allein geschafft. Bei ihm wurde 2015 eine seltene Glasknochenkrankheit diagnostiziert. Dem gingen 18 Operationen und unzählige Tests und Behandlungen voraus. „Einen Großteil meiner Kindheit habe ich in der Uniklinik Münster verbracht“, sagt der 25-Jährige.

Einstiegsqualifizierung vor der Ausbildung

Dennoch schaffte er Hauptschule und Fachabi am Berufskolleg. Ein 450-Euro-Job reichte ihm dann nicht. Bei den Kettenwerken THIELE erkannte man sein Potenzial und entschied sich direkt, nach seiner Bewerbung um einen Ausbildungsplatz als Industriekaufmann, für eine Einstiegsqualifizierung – ein von der Agentur für Arbeit gefördertes Praktikum. Nach einem halben Jahr wurde Khaddari in die Ausbildung übernommen.

Heute arbeitet er in der Betriebsorganisation, unterstützt dabei, dass die Abläufe in der Produktion reibungslos funktionieren und studiert seit einem halben Jahr nebenher Digitalisierung und Management. Davon, dass er immer auf einen Rollstuhl angewiesen sein wird, ist keine Rede mehr. „Meine Beine sind nicht die stabilsten, aber sie sind noch dran“, sagt er und lacht. „Ich habe schon ganz am Anfang einen speziellen Bürostuhl angeboten bekommen. Das war mir etwas peinlich, ich war ja nur ein Praktikant“, sagt er dankbar für die Unterstützung, die ihm THIELE geboten hat. Lange Wege sind beschwerlich, für eine Lagertätigkeit in seinem Aufgabenbereich gibt es eine Stehhilfe. Mit den Kollegen kommt er gut klar: „Alle nehmen etwas Rücksicht. Das ist sehr schön.“ Mehr braucht es nicht.

Bei Springtec hat jeder fünfte Mitarbeiter eine Behinderung

Das Miteinander ist bei Springtec Schrimpf & Schöneberg schon seit vielen Jahren selbstverständlich. Das Unternehmen gehört zu den mehr als 170 Inklusionsunternehmen und -abteilungen in Westfalen-Lippe. 18 der 100 Mitarbeiter in Iserlohn haben ein Handicap – seit 2009 ist die Inklusionsabteilung fester Bestandteil im Betrieb. Keine Frage, dass die Mitarbeiter jetzt auch an den neuen Standort mitgezogen sind. Sie sind überwiegend in der Schleiferei beschäftigt, stellen Federn in drehende Stahlteller, wo sie den letzten Schliff bekommen. Es ist eine eher monotone Arbeit, die jedoch volle Konzentration erfordert.

„Für kleine und mittlere Stückzahlen lohnt sich keine Automatisierung“, erklärt Geschäftsführer Knut Schuster. Für die Inklusionsmitarbeiter ist es die Chance, auf eigenen Füßen zu stehen. Die Firma wird unterstützt vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe und vom Integrationsfachdienst. Wirtschaftlich arbeiten muss die Abteilung dennoch. Praktika stehen deshalb vor jeder Festanstellung - aber wer einmal da ist, bleibt in der Regel.

Vorurteile abbauen, Verbindungen schaffen

Unternehmen mit mehr als 20 dauerhaften Arbeitsplätzen sind gesetzlich verpflichtet, mindestens 5 Prozent mit Schwerbehinderten zu besetzen oder eine Ausgleichsabgabe zu zahlen.

Laut des jüngsten Inklusionsbarometers Arbeit von Aktion Mensch und dem Handelsblatt Research Institut kommen nur 40 Prozent der Firmen dieser Verpflichtung nach. Ein Viertel beschäftigt gar keinen Schwerbehinderten.

Das neue Netzwerk „Inklusion in Iserlohn und Umgebung“, in dem sich auch der Märkische Arbeitgeberverband engagiert, möchte Menschen mit Behinderung und Unternehmen zusammenbringen und über die zahlreichen Unterstützungsangebote gerade auch für kleine Betriebe informieren.

REHADAT - Informationen zur beruflichen Teilhabe

Mit 14 Portalen, zahlreichen Publikationen, Apps, Videos und Podcasts informiert REHADAT umfangreich zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen.

In den REHADAT-Portalen finden Betroffene, Arbeitgeber und Interessierte schnell fundierte Informationen zu allen wichtigen Aspekten der beruflichen Teilhabe: Hilfsmittel, Praxisbeispiele, Förderung, Urteile, Adressen, Literatur, Forschungsprojekte, Statistiken, Werkstätten, Ausgleichsabgabe und Bildung.

Die Informationen richten sich an Betroffene und alle, die sich für ihre berufliche Teilhabe einsetzen. Alle Angebote sind barrierefrei und kostenlos zugänglich. Über die zentrale Einstiegsseite www.rehadat.de können alle Inhalte aufgerufen werden.

REHADAT ist ein Projekt des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).