München. Schon mal probiert, mit links ein Loch in die Wand zu bohren? Für Linkshänder ist das im Grunde kein Problem – wenn sie denn das passende Werkzeug zur Hand haben: Eine Bohrmaschine mit Griffmulden für die linke Hand und gut erreichbarem Einschaltknopf. Solches Spezial-Werkzeug gibt’s. Doch im Alltag und auch im Job ist es leider oft nicht vorhanden.

„Die Welt ist überwiegend für rechtshändige Menschen ausgelegt“, sagt Barbara Sattler. Die Psychotherapeutin beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit dem Thema „Händigkeit“, der Überlegenheit einer Seite, was Geschicklichkeit, Ausdauer und bevorzugten Handgebrauch betrifft. Mitte der 80er Jahre gründete sie in München die erste Beratungsstelle für Linkshänder in Deutschland.

Ob man Linkshänder ist, zeigt sich früh und hängt davon ab, welche Gehirnhälfte dominiert. Greifen Linkshänder beispielsweise einen Stift, ist dabei ihre rechte Gehirnhälfte aktiv, bei Rechtshändern ist es genau umgekehrt; die Steuerung der Bewegung läuft jeweils über Kreuz.

Am Automaten befindet sich der Münz-Schlitz meistens rechts

Rund ein Zehntel der Menschheit tickt „links“, wie eine groß angelegte Vergleichsstudie ermittelt hat. „Sicher ist das aber zu niedrig angesetzt“, schätzt Sattler. Gerade Erwachsene hätten sich notgedrungen irgendwie arrangiert. „Sie bagatellisieren das Problem“, erklärt die Psychotherapeutin, verwendeten die rechte Hand auch da, wo die linke eigentlich viel besser für sie wäre.

Etwa am Automaten: Der Schlitz für Münzen und Karte befindet sich meist rechts, mit links müsste man umständlich übergreifen. „Linkshänder müssen für viele Tätigkeiten mehr Zeit und Kraft aufwenden“, so Sattler. „Sie wirken dadurch oft ungeschickt.“

Grund genug, mehr Bewusstsein für diese Gruppe zu schaffen. Es gehe um Chancengleichheit, so die Psychotherapeutin weiter und ermuntert alle, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. „Man sollte das ganze Jahr über an diese Gruppe denken, nicht nur am Linkshänder Tag.“ Der ist jedes Jahr am 13. August.

Praktische Dinge gibt es in Linkshänder-Shops

Sattler, die selbst Linkshänderin ist, besitzt eine Geldbörse mit Einsteckfach rechts, Hartgeld landet links. „Das ist praktisch“ sagt sie. Solche Helfer für den Alltag findet man in speziellen Linkshänder-Läden: Soßenkelle – Ausguss rechts, Korkenzieher – Dreh nach links. Oder etwas andere Gemüseschäler und auch Scheren mit entsprechender Anordnung der Scherenblätter, wie in dem von Sattler entwickelten Modell. Es hat ein farblich abgesetztes Innenblatt. Damit können Linkshänder die Schnittlinie auf der passenden Seite mitverfolgen, der Schnitt wird gerade. Mit einer Rechtshänder-Schere funktioniert das nur bedingt, weil sie die Linie nur bei Verdrehen der linken Hand sehen können.

„Notknöpfe an Maschinen gehören in die Mitte“

Heute achtet man mehr auf die Händigkeit als früher, so Sattler, vor allem in der Schule, wo lange mit viel Drill „umerzogen“ wurde. Doch auch später, in Ausbildung und Beruf müssten alle noch mehr auf die Bedürfnisse von Linkshändern achten. Da sind Anpassungen notwendig, vor allem bei Tätigkeiten, bei denen es um Feinmotorik, Koordination, Kraft und Schnelligkeit geht.

Für Linkshänder sei es „absolut wichtig, die dominante Hand herauszufinden – und sie auch zu benutzen“. Denn optimales und entspanntes Arbeiten gelinge nur mit Rücksicht auf die Händigkeit. Gut angeordnete Bedienelemente machen es Linkshändern da leichter: „Notknöpfe gehören in die Mitte“, betont Sattler.

An vielen Stellen klemmt’s da noch. Bei Akkuschraubern etwa ist der Schalter für Vor- und Rücklauf bei den meisten Geräten für Rechtshänder konstruiert. Linkshänder müssen umgreifen, wenn sie das Gerät bequem benutzen wollen. Auch im Büro werden Menschen mit starker linker Hand oft vergessen. Spezielle Computermäuse für sie sind zwar erhältlich. Aber oft ist das Kabel zu kurz, wie übrigens auch beim Telefon, sodass man das Gerät nur schwer auf die passende Seite rücken und gut benutzen kann.

Auch Ausbilder sollten auf Händigkeit achten

Die Expertin appelliert an Ausbilder, ebenfalls auf die Händigkeit zu achten. Bei manchen Arbeiten ist das Ablesen der Skala erschwert, weil die Zahlen auf dem Kopf stehen, etwa bei der Schieblehre. Drückt man einem Linkshänder eine herkömmliche Metallfeile in die Hand, feilt er damit „gegen den Hub“. Er braucht dadurch viel länger, bis das Werkstück fertig ist, muss mehr Kraft aufwenden, sich besser konzentrieren und hat insgesamt weniger Kontrolle über das Werkzeug, heißt es in einer Fachinformation der Berufsgenossenschaft Holz und Metall zur Händigkeit. Gäbe es eine Feile für die linke Hand, entstünde weniger Frust.

„Linkshändigkeit ist kein Makel“, betont Sattler, „im Gegenteil, diese Menschen machen unsere Gesellschaft bunter. Denn sie packen manches anders an und kommen so auf neue Lösungen.“

Unter ihnen sind übrigens auch viele Promis, Politiker und Künstler, vom Universalgenie Leonardo da Vinci bis zu Superhirn Albert Einstein. Auch der ehemalige US-Präsident Barack Obama unterschrieb Gesetze stets mit links. In Sportarten wie Handball oder Boxen sind Linkshänder sogar gesucht und auch gefürchtet: Weil sie den Gegner überraschen!

Leserbrief: Ich bin halt ein klein wenig anders

Rosita von Alten, per E-Mail 

Ich lese die Zeitung immer sehr gerne. Es ist schön, dass auch mal über Linkshänder berichtet wird! Ich bin 1973 geboren: einer der sehr wenigen Linkshänder zu dieser Zeit. Die Lehrer hatten nicht viel Erfahrungen mit uns. Ich musste mir viele Sachen wie häkeln, stricken und schreiben selbst beibringen.

Linkshänder-Werkzeug gab es überhaupt noch nicht. Ich schneide seither mit einer normalen Rechtshänder-Schere. Ich habe mich einfach daran gewöhnt und nicht mehr hinterfragt, ob es irgendwelche speziellen Hilfsmittel für Linkshänder gibt. Das Einzige, was ich jetzt tatsächlich nutze, sind die Schäler. Die machen das Leben einfacher.

Und: Beim Qigong gibt es manchmal doch Probleme. Bei mir sehen die Übungen nämlich ein bisschen komisch aus, weil ich mich in eine andere Richtung drehe. Auch daran habe ich mich gewöhnt, dass ich damit die Gruppe etwas aufheitere. Ich bin halt ein klein wenig anders.  

Friederike Storz
aktiv-Redakteurin

Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.

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