München/Köln. Alles wird teurer. So fühlt es sich jedenfalls gerade an. Und dieses Gefühl bestätigen auch die Zahlen. Die Inflationsrate in Bayern lag in diesem August bei satten 8,4 Prozent, vermeldete jüngst das Statistische Landesamt. Nahrungsmittel wurden um 16 Prozent teurer, Strom um knapp 13 Prozent.
Verschiedene Gewerkschaften, so auch die IG Metall, verlangen vor allem aus diesem Grund kräftige Lohnsteigerungen in den angelaufenen und kommenden Tarifverhandlungen. Viele Ökonomen sehen das allerdings mit Sorge. Sie fürchten, dass ein hoher Tarifabschluss die Inflation weiter anfachen könnte.
„Eine entscheidende Frage ist, ob die hohe Inflation von langer Dauer ist“
„Es wäre fatal, falls sich die Arbeitnehmerseite mit ihren Forderungen durchsetzen sollte“, urteilt etwa Hagen Lesch, Tarifexperte im Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW). Der Ökonom fürchtet den Beginn einer Lohn-Preis-Spirale. Sie beschreibt einen Vorgang, bei dem sich Löhne und Preise gegenseitig hochschaukeln. „Diese Gefahr ist zuletzt zweifellos größer geworden“, schätzt er.
Eine entscheidende Frage wird sein, ob die aktuell hohe Inflation von langer Dauer ist – und ob es gelingt, solche Befürchtungen zu zerstreuen. Werden allerdings spürbare, sich wiederholende Preisschübe erwartet oder sogar beobachtet, könnten Arbeitnehmer versucht sein, in Tarifverhandlungen auf höhere Löhne zu pochen, um zumindest ihre Kaufkraft zu erhalten.
Die Gefahr besteht dann darin, dass exorbitante Lohnerhöhungen dazu führen, dass Unternehmen gezwungen sind, diese Kostensteigerungen an ihre Kunden weiterzugeben. Auf diese Weise entstünde dann der von vielen Ökonomen gefürchtete Prozess, bei dem zuerst die Preise die Löhne jagen – und dann die Löhne die Preise! Davon hätte dann am Ende niemand etwas.
„Durch den Energiepreisschock entsteht ein Wohlfahrtsverlust“
„In den kommenden Tarifabschlüssen werden die Weichen für die drohende Lohn-Preis-Spirale gestellt“, prognostiziert IW-Experte Lesch. Er empfiehlt Tariflohnsteigerungen, die sich nicht an der aktuellen Inflationsrate, sondern an der Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank (EZB) in Höhe von etwa 2 Prozent orientieren.
Arbeitnehmer und Gewerkschaften müssten demnach bereit sein, ihre Reallohnverluste vorübergehend zu tragen. „Ökonomisch betrachtet wäre das eine notwendige Anpassungsreaktion“, sagt Lesch. Denn durch den externen Energiepreisschock entstehe ein Wohlfahrtsverlust. „Dieser ist von den Arbeitnehmern und Unternehmen gleichermaßen zu tragen.“
Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.
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