Gelnhausen. Auf den neuen kollaborierenden Roboter im Technikum sind die Lehrer besonders stolz. Mit der Hightech-Maschine zog im vergangenen Herbst die Industrie 4.0 in die Technikerschule ein. Jetzt, bei der Feier zum 30. Geburtstag, war das Gerät die Attraktion für zahlreiche Gäste sowie frühere Absolventen. Und zugleich ein Symbol für die erstaunliche Entwicklung der Weiterbildungseinrichtung.

Achim Wamser, bis vor Kurzem noch Fachbereichsleiter, erinnerte an die schwierigen Anfänge der Fachschule für Kunststoff- und Kautschuktechnik im hessischen Gelnhausen: „Als wir vor 30 Jahren hier mit der Technikerschule loslegten, standen wir mit ziemlich leeren Händen da.“ Heute verfügt sie über einen hochklassigen Maschinenpark, der den zur Feier angereisten hessischen Kultusminister Alexander Lorz beeindruckte.

Bei Schulbehörden und dem Ministerium war erst einmal Überzeugungsarbeit zu leisten

Der Impuls für die Gründung kam aus der Wirtschaft. Die Firmen Veritas und Woco Group suchten händeringend „Fachkräfte im mittleren Management“, erinnert sich Wamser. „Technikerschulen für Metall- und Elektroberufe gab es schon länger. Für Kautschuk starteten wir bundesweit bei null.“

Doch was sollte ein Techniker eigentlich können? Wamser führte etliche Gespräche in verschiedenen Betrieben. Die Antworten waren vielfältig: Werkstoffe bestimmen, Abläufe managen, Projekte leiten - kurzum Verantwortung übernehmen für die technische Organisation. Dafür galt es, Lehrpläne zu entwickeln – und Hürden zu überwinden. Denn in den Schulbehörden und im Ministerium traf das Vorhaben zunächst auf wenig Gegenliebe. Es war also Überzeugungsarbeit zu leisten. Zumal es vor allem an Geld fehlte. Gemeinsam haben dann Land und Unternehmen die Finanzierung sichergestellt.

Zu den ersten 15 Absolventen zählte Artur Wagner. Der heute 51-Jährige hatte bei Veritas noch Kunststoffformgeber gelernt. „Eigentlich wollte ich nach der Ausbildung Geld verdienen. Zum Glück überredete mich mein damaliger Kollege, die Weiterbildung zum Techniker zu machen“, erzählt er. „Das war eine wichtige Zeit, von der ich noch heute profitiere.“ 24 Jahre blieb Wagner beim Autozulieferer Veritas. Heute ist er Assistent der Geschäftsführung bei Lohmann Kunststoff in Sinntal. Wagner sagt: „Wer in der Kautschuk-Industrie etwas werden will, sollte die Technikerschule besuchen.“

Wie Wagner haben 525 Techniker in den letzten drei Jahrzehnten die Weiterbildung in Gelnhausen absolviert. „Fast alle sind in der Branche untergekommen“, sagt Wamser. Das verdanken sie auch dem großen Maschinenpark, an dem die Schüler lernen – sowohl bei den Elastomeren wie bei den Kunststoffen.

Von der guten Kameradschaft in der Klasse beeindruckt

Inzwischen gehört zu den Maschinen auch der kollaborierende Roboter, der im Produktionsprozess nicht durch eine Schutzeinrichtung abgetrennt werden muss. Finanziert wird das vom Förderverein, dem ausschließlich Firmen und Verbände angehören. „Die Firmen geben uns dabei die Richtung vor.“

2015 gehörte David Bertsch zu den Absolventen. Er arbeitet heute beim Reifenhersteller Michelin als Qualitätstechniker in der Extrusionsabteilung in der Nähe von Karlsruhe. Ihn hat neben der fachlichen Qualität der Technikerschule die gute Kameradschaft innerhalb der Klasse beeindruckt. „Wir stehen noch immer per Whatsapp in Kontakt. Wenn jemand eine fachliche Frage im Berufsalltag hat, helfen wir uns gegenseitig“, sagt der 29-Jährige.

Seine Ausbildung machte er bei einer Kunststofffirma und hatte kaum mit Kautschuk zu tun. „Heute bin ich ein Gummimann“, sagt er. „Ich tüftele gern. Gummi ist für mich herausfordernder als Kunststoff. Die Prozesse sind längst nicht so gleichmäßig.“ Bertsch möchte in der Branche bleiben. „Dafür habe ich in der Technikschule die besten Voraussetzungen bekommen.“

Rückgrat der Industrie

Fachleute aus Technik und Naturwissenschaft:

  • 6.850.000 Beschäftigte arbeiteten Mitte 2019 in technischen Berufen.
  • 890.000 davon sind Meister oder Techniker für die Produktion.
     

Quelle: Bundesagentur für Arbeit

Werner Fricke
Autor

Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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