Melle. Das Jahr 2020 ist für die Westland Gummiwerke ein besonderes Jahr: Das Unternehmen feiert seinen 100. Geburtstag. Doch zugleich muss es neue Wege einschlagen, wie der geschäftsführende Gesellschafter Georg zur Nedden betont: „Es ist wichtig, dass wir jetzt die Weichen richtig stellen! Die gesamte Industrie ist an einem Wendepunkt angekommen, das spürt jeder.“ Also auch die Niedersachsen.
Die Spezialität der Westland Gummiwerke sind grafische Walzen für die Druck-Industrie. Sie bringen 50 Prozent des Umsatzes. Von Melle bei Osnabrück gehen diese Walzen in die ganze Welt. Doch die Zeitungsbranche macht einen heftigen Strukturwandel durch. Zudem stottert die Weltwirtschaft. „Überall ist eine große Unsicherheit zu spüren“, berichtet zur Nedden, der kürzlich in China und Japan war. „Da sind die US-Handelspolitik, die Auswirkungen des Brexits und jetzt das Coronavirus.“ Die Branche steckt deshalb in der Rezession. „Es dümpeln viele dahin“, sagt zur Nedden.
Im globalen Geschäft setzt man unter anderem auf die Vergabe von Lizenzen
Im zweiten Halbjahr 2019 war das Westland-Geschäft schwächer, in einigen Abteilungen musste Kurzarbeit eingeführt werden. Dabei sind die Niedersachsen eigentlich gut aufgestellt. Zur Nedden, seit 1994 in der Geschäftsführung des Unternehmens, machte den Familienbetrieb im Osnabrücker Land zu einem Global Player mit elf Töchtern, zwölf Produktionsstätten und weltweit rund 750 Mitarbeitern.
Das weltweite Geschäft basiert vor allem auf Lizenzen. Die gibt Westland anderen Unternehmen, möglichst auch Familienbetrieben, die bereits Gummiwalzen herstellen, und unterstützt sie mit Know-how.
So kann der Betrieb im Ausland ein Westland-Produkt anbieten. Drei Seiten profitieren – Kunde, Partner und Westland. „Da macht sich die Marke Westland bezahlt“, so der Chef.
Das Walzengummi muss immer wieder erneuert werden
Die Walzenproduktion ist das eine. Doch Druckwalzen sind kein Einwegprodukt: Sie verschleißen, das Gummi muss immer wieder erneuert werden. Dafür kommen sie zurück und werden mit einer neuen Gummischicht überzogen. Das ist eine Sache für Spezialisten. So entstehen jahrzehntelange Kundenbeziehungen: Man kennt sich in der relativ kleinen Nische und weiß um die besondere Qualität von Westland.
Doch mit dem Strukturwandel in der Zeitungsbranche wächst die Unsicherheit. „Zeitungen investieren weltweit so gut wie nicht mehr in neue Druckanlagen“, sagt zur Nedden. Steigende Papierkosten, sinkende Auflagen und dazu die Konkurrenz durch digitale Medien hinterlassen ihre Spuren. Tiefgreifende Strukturveränderungen wie die Digitalisierung werden sich auch auf das niedersächsische Unternehmen und dessen Mitarbeiter auswirken: „Es werden neue Formen der Dienstleistung entstehen – und neue Geschäftsmodelle“, erklärt zur Nedden.
Know-how und Innovationen aus dem Osnabrücker Land
Kleine Druckereien werden es schwer haben. Eine noch stärkere Industrialisierung sei die Folge. Wichtig ist dem Firmenchef in dieser Situation die regionale Verankerung und die familiäre Verwurzelung des Unternehmens, das 1920 in Bredenscheid (NRW) von Ernst zur Nedden gegründet wurde, dem Großvater des jetzigen Inhabers. Der Gründer zog 1941 mit der Firma nach Melle im Osnabrücker Land, wo der Familienbetrieb dann mehr und mehr wuchs. „Unser Herz schlägt hier in der Region“, sagt der Enkel, „unser Know-how und unsere Innovationen stammen auch von hier.“
Darauf setzt der Firmenchef auch für die Zukunft: Er sieht Westland als engen Partner der Maschinenbauer. „Wir wollen unsere Erfahrung einbringen, vor allem auch in die digitalen Prozesse.“ Noch sei man ja ein gutes Stück davon entfernt, dass die Druckwalzen über Sensoren dem Maschinenbauer mitteilen, dass sie bald erneuert werden müssen: „Industrie 4.0 gibt es in unserer Branche bislang noch nicht so richtig“, sagt Geschäftsführer zur Nedden. „Aber wir sind auf dem Weg dorthin.“
Die Westland Gummiwerke
- Das Unternehmen hat 750 Mitarbeiter in Europa, Asien und den USA, davon 350 in Deutschland.
- Rund 50 Prozent des Geschäfts macht Westland mit Walzen, ein Viertel mit Elastomer-Formteilen.
- Etwa 3 Prozent vom Umsatz steckt die Firma jedes Jahr in Forschung und Entwicklung.
Deutsche Druck-Industrie
Die Branche hat viele kleinere und mittelgroße Betriebe:
- 20,4 Milliarden Euro setzte die Branche 2018 um.
- 129.000 Beschäftigte arbeiten in rund 7.600 Betrieben.
- 40 Prozent der Produkte sind Werbung oder Kataloge.
Quelle: Bundesverband Druck und Medien
Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.
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