Radeberg. Der Mann sprüht vor Energie und Tatendrang: Gunter Böttcher hat sich vom Entwicklungsingenieur zum Geschäftsführer hochgearbeitet. Gerade erst hat der Firmenchef die Produktionsräume seines Unternehmens KET Kunststoff- und Elasttechnik renovieren lassen: „Es hat sich einiges getan“, erzählt Böttcher beim aktiv-Besuch – mit ausführlichem Rundgang durch den hellen, freundlichen Betrieb.

„Die frische Farbe und das neue Firmenlogo sind auch wichtig“, so Böttcher, „aber vor allem geht es natürlich darum, dass unsere Produkte und Technologien sich sehen lassen können.“ Und da hat das Unternehmen in Radeberg bei Dresden einige Spezialitäten zu bieten. Gemeinsam mit Forschern der Uni-Klinik Leipzig haben KET-Experten druckbare elastische Trägersysteme aus Silikon entwickelt, auf denen sich menschliche Stammzellen ansiedeln und dann räumlich wachsen.

Auf einem 3-D-Silikongerüst lassen sich menschliche Zellen für Versuche züchten

Das ist ein großer Fortschritt gegenüber den derzeit verfügbaren Zellkultursystemen. Und der ist wichtig, weil Forscher mit solchen Zellkulturen neue Wirkstoffe und Chemikalien prüfen.

Bei den derzeitigen Kultursystemen wachsen die Zellen nur zweidimensional, also in der Fläche. Das aber bildet ein funktionierendes Organsystem nur ungenügend ab. Für den Laien erklärt Böttcher das so: „Zellen wachsen im Körper in Organen heran – und die sind natürlich dreidimenional und nicht flach. Auf einem 3-D-Silikonscaffold siedeln sich die menschlichen Zellen auch außerhalb des Körpers so an und entwickeln sich wie im Körper. Der Vorteil: Bei Tests zur toxikologischen Wirkung von Chemikalien oder Pharmaka lassen sich die Aussagen besser erfassen, deshalb sind weniger Tierversuche nötig.“

    70 Quadratmeter großer Reinraum für die Fertigung

    Gefragt sind die Produkte der Radeberger Spezialisten bei Medizin- und Biotechnik-Firmen in Dresden und Leipzig. Mit ihnen arbeitet KET eng zusammen.

    Die Entwickler des Unternehmens sind dem Geheimnis auf der Spur, wie man die Oberfläche von Silikonen ständig weiterentwickelt. „Wir funktionalisieren die Oberfläche“, beschreibt es Böttcher. Das Ergebnis sind maßgeschneiderte Kunststoffsysteme: „Sie werden für Wundauflagen, biomedizinische Anwendungen und in der Elektrotechnik genutzt.“

    Neben einer technischen Fertigung verfügt das Radeberger Unternehmen deshalb auch über einen 70 Quadratmeter großen Reinraum, in dem eine Spritzgießmaschine und ein 3-D-Drucker Flüssig-Silikon verarbeiten. Und zwar unter kontrollierten Bedingungen. Wer sich einen Eindruck verschaffen will, den bittet Hausherr Böttcher, in Reinraumanzug und Überschuhe zu schlüpfen. Das ist erforderlich, um die strengen Hygieneauflagen einzuhalten. Denn was im Reinraum gefertigt wird, wird später in der Tumortherapie eingesetzt oder bei Gehirnstrommessungen.

    Pflaster aus Silikon bleibt nicht auf der Wunde kleben

    Auch den Menschen, die nach einer Entfernung des Kehlkopfs eine Öffnung im Hals haben, helfen Teile von KET: Sie ermöglichen es den Betroffenen, zu duschen. Zusammen mit Medizinern haben Spezialisten von KET ein sogenanntes atraumatisches Wunddistanzgitter entwickelt, ein Pflaster aus 100 Prozent Silikon. Der Vorteil: Das Pflaster bleibt nicht auf der Wunde kleben. Aber nicht immer muss es bei den KET-Produkten so steril zugehen.

    Um Schwerbehinderten das Sitzen und Liegen zu erleichtern, hat ein Entwicklerteam der Radeberger eine Lösung für eine „Lagerungshilfe“ ausgetüftelt. „Damit sind wir letztes Jahr in Serie gegangen“, berichtet der Geschäftsführer. Dabei habe eine Kooperation mit der Firma Wagu Gummitechnik in Warstein (Nordrhein-Westfalen) geholfen.

    Die E-Mobilität bietet neue Chancen

    Angefangen hat Böttcher hier übrigens vor fast 20 Jahren, als Entwicklungsingenieur. „Ich habe immer an das Unternehmen geglaubt“, betont er. Inzwischen hat sich KET mit 34 Mitarbeitern vom klassischen Autozulieferer zu einem Spezialisten für Medizin- und Biotechnologie sowie Energietechnik entwickelt. Auch Maschinenbauer und Hersteller von Hochspannungstechnik gehören zur Kundschaft.

    Aktuell machen die Sachsen nur noch etwa 10 Prozent des Umsatzes als Zulieferer der Auto-Industrie. Das könnte wieder mehr werden: Ingenieur Böttcher, ein begeisterter Tüftler und Entwickler, sieht im Strukturwandel der Fahrzeugbranche auch neue Perspektiven für sein Unternehmen. Er ist überzeugt: „Die E-Mobilität bietet Chancen für unsere besonderen Gummi- und Silikonteile.“

      Nachgefragt

      Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

      Technik und Tüfteln haben mich immer begeistert. Ich möchte ein Ergebnis in den Händen halten. So wurde ich Ingenieur und dann Geschäftsführer.

      Was reizt Sie am meisten?

      Mit innovativen Produkten und Technologien in Marktnischen erfolgreich sein zu können: Unsere Spezialitäten finden Beachtung beim Kunden.

      Worauf kommt es an?

      Auf Neugier und auf einen langen Atem. Wichtig ist Spaß am Forschen und Entwickeln, dass man an sich glaubt – und dass das Team verlässlich ist.

      Medizintechnik

      Die Branche ist ein Jobmotor:

      • 140.000 Beschäftigte arbeiten bei den 1.300 größeren Firmen.
      • 30 Milliarden Euro setzten diese Betriebe 2017 um.
      • 65 Prozent des Geschäfts machten sie im Export.
      Werner Fricke
      Autor

      Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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