Köln/Nürnberg. Das Problem haben wir inzwischen wohl schon alle zu spüren bekommen – zum Beispiel, wenn man mal medizinische Hilfe oder einen Handwerker braucht: Sorry, bitte warten – Fachkräftemangel! Zum Jahreswechsel gab es hierzulande schon mehr als eine halbe Million freie Stellen, für die passende Bewerber fehlten – so eine detaillierte Berechnung aus dem Institut der deutschen Wirtschaft. Und bis 2035 schrumpft nach allen Prognosen die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Im Extremfall um fast acht Millionen Leute – wenn uns keinerlei neue Zuwanderer zu Hilfe kommen.
Die Verfahren sind bisher viel zu bürokratisch
Die Bundesregierung arbeitet deshalb an einer umfassenden Fachkräftestrategie. Dazu gehört die Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. Denn das erst 2020 in Kraft getretene Regelwerk, das qualifizierte Leute ins Land locken sollte, hat nicht richtig gezündet. Professor Herbert Brücker, Migrationsexperte am Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), stellt fest: Die größte Hürde sei „die Anerkennung der Gleichwertigkeit beruflicher Abschlüsse.“ Auch seien die Verfahren viel zu bürokratisch.
Das neue Gesetz soll die Einreise von Fachkräften und die nötigen Verfahren erleichtern. Mit einer „Chancenkarte“ soll man auch dann kommen dürfen, wenn der Berufsabschluss noch nicht anerkannt ist. Oder wenn man noch keinen Arbeitsvertrag hat – Jobsuche und Behördengänge sind vor Ort eben einfacher.
Auch Einheimische, die bisher gar nicht oder nur wenig arbeiten, sollen mobilisiert werden
Die Regierung will aber noch weitere Register ziehen. Vor allem geht es darum, auch Leute im Inland zu mobilisieren, die bisher gar nicht oder nur wenig arbeiten. Wie groß hier das Potenzial ist, hat das IAB kürzlich analysiert. Frauen seien immer noch weniger oft berufstätig als Männer, vor allem Frauen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, und auch bei den Älteren ließe sich die Erwerbsbeteiligung steigern. Laut IAB könnten wir 2035 mit diesem Potenzial immerhin rund 3,4 Millionen zusätzliche Erwerbstätige haben – das wären aber immer noch viel zu wenig, um die Lücken zu stopfen.
Viele Teilzeit-Beschäftigte würden gerne mehr arbeiten
Auch in Menschen mit Teilzeit- und Minijobs schlummert zusätzliche Arbeitskraft. Derzeit arbeiten fast 40 Prozent aller Beschäftigten Teilzeit, viele von ihnen würden gerne mehr arbeiten. Das ungenutzte Potenzial summiert sich hier laut IAB auf 1,4 Millionen potenziell besetzte Vollzeitstellen.
Die Wirtschaft setzt große Hoffnung in die neue Fachkräftestrategie. Es brauche auch bei diesem Thema eine schnelle Zeitenwende, fordert Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger: „Deutschland kann nicht so weitermachen wie bisher.“
Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.
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