Berlin. Die zwei Dutzend Mitglieder der „ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme“ standen vor einem Dilemma: Sie sollten eine Gaspreisbreme entwerfen. Eine staatliche Maßnahme, die den Marktpreis außer Kraft setzt, um Bürgern und Betrieben schnell zu helfen – ohne aber den Energiespar-Anreiz durch die hohen Preise zu beschädigen.
12 Cent pro Kilowattstunde Gas sollen als fixer Preis für Privatleute gelten – für 80 Prozent des früheren Verbrauchs.
Die unter extremem Zeitdruck konzipierte Bremse wird voraussichtlich schrittweise gezogen. Für private Haushalte sowie für kleine und mittlere Unternehmen gilt laut Zwischenbericht der Kommission:
Die Gaspreisbremse soll in zwei Schritten gezogen werden
Einmalzahlung. Der Staat übernimmt wohl die Abschlagszahlung für Dezember 2022 von Gas- und Fernwärmekunden – allerdings „auf Basis des Verbrauchs, welcher der Abschlagszahlung aus September 2022 zugrunde gelegt wurde“. Das genaue Verfahren steht noch nicht fest. Auch die Umsetzung vor allem bei Mietwohnungen wirft noch viele Fragen auf.
Gas- und Wärmepreisbremse. Von März 2023 bis April 2024 soll ein garantierter Brutto-Preis von 12 Cent pro Kilowattstunde Gas gelten, für Fernwärme sind es 9,5 Cent. Aber das gilt eben nur für ein „Grundkontingent“ von 80 Prozent des für den September-Abschlag 2022 angenommenen Verbrauchs. Für den Rest des künftig verbrauchten Gases gilt der normale Preis (also der vertraglich vereinbarte sogenannte Arbeitspreis). Damit bleibt für die Verbraucher „der volle Energiesparanreiz bestehen und jede eingesparte Kilowattstunde reduziert den Rechnungsbetrag“, heißt es im Zwischenbericht der Kommission.
Für Großverbraucher wird es spezielle Regeln geben
Speziell für industrielle Großverbraucher liegen andere Vorschläge auf dem Tisch: Für ein Kontingent von 70 Prozent des 2021 im Betrieb verbrauchten Gases swird ein „garantierter Beschaffungspreis“ von 7 Cent pro Kilowattstunde festgelegt. Für die das Kontingent übersteigende Mengen gilt auch hier der vertraglich vereinbarte Arbeitspreis. Diese Entlastung soll von Januar 2023 bis April 2024 gelten.
„Angesichts der Dramatik der Lage kommen die Maßnahmen für viele Unternehmen zu spät“, warnt etwa die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Industrie erst ab Januar entlastet werden soll und längerfristige Maßnahmen für kleinere Betriebe erst ab März greifen sollen.
Generell ist die gefundene Lösung nicht völlig gerecht – und auch nicht völlig zielgenau. Das räumt Professorin Veronika Grimm selbst ein, die Vorsitzende der Kommission, die das Volumen des neuen Instruments auf rund 100 Milliarden Euro taxierte. Dem „Handelsblatt“ sagte Grimm, es gehe nun um eine schnelle Reaktion auf eine Extremsituation. Die Preise würden auf der Höhe des zukünftig zu erwartenden Preisniveaus eingefroren, so Grimm: „Das ist noch etwa doppelt so hoch wie vor dem Krieg. So wird der extreme Schock abgefedert und Wirtschaft und Gesellschaft können sich auf die neue Realität einstellen.“
Neulich beim Frühstück, oder: Gaspreisbremse einfach erklärt
„Schatz, hast du schon gehört? Der Staat zahlt jetzt die Gasrechnung!“ „Super, dann kann ich ja wieder stundenlang duschen – und im T-Shirt am Computer sitzen …“ Halt: Völlig falsch!
Also noch mal, jetzt aber richtig: „Schatz, hast du schon gehört? Der Staat übernimmt jetzt einen Teil der Gasrechnung. Aber für uns wird’s trotzdem viel teurer. Gas sparen lohnt sich also!“ „Okay, ich suche schon mal ein paar dicke Pullis raus...“
„...aber da frage ich mich ja schon: Wie teuer wird diese Gaspreisbremse eigentlich – und wer bezahlt das am Ende?“ „Na ja, so um die 100 Milliarden Euro könnten das schon werden. Und das bezahlt der Staat. Also letztlich alle Bundesbürger – ob sie nun einen Gasanschluss haben oder nicht.“
Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.
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