München. Bei Fabriken für Batteriezellen bahnt sich ein Bauboom an. Das Elektroauto schafft gerade den Durchbruch. Immer mehr Menschen fahren elektrisch. Letztes Jahr rollten weltweit 6,8 Millionen E-Autos auf die Straßen.
„Deshalb nimmt die Nachfrage nach Akkus enorm zu, besonders bei Europas Autoherstellern“, sagt Jakob Fleischmann, Batterieexperte bei der Unternehmensberatung McKinsey & Company in München. „Der Markt für die Grundbausteine der Akkus, die Batteriezellen, wird bis 2030 um mehr als 30 Prozent im Jahr wachsen.“
460 Gigawattstunden Kapazität im Jahr 2030
Aktuell gibt es deshalb auf dem Kontinent mehr als 40 Projekte für Batteriezell-Fabriken. Sie heißen auch „Gigafactories“, weil sie pro Jahr Zellen mit mehreren Gigawattstunden Kapazität fertigen. Die Produktionsfähigkeit in Europa wird laut dem Infodienst „Battery News“ bis 2030 auf 1.300 Gigawattstunden wachsen, davon allein 460 Gigawattstunden in Deutschland. Das entspricht 460 Millionen Kilowattstunden (kWh). Fertigt man mit diesen Zellen 75-kWh-Akkus, reicht das für sechs Millionen Autos. Zum Vergleich: In Spitzenjahren produzierte Deutschlands Vorzeigebranche 5,7 Millionen Pkws.
Noch dominiert Asien die Zell-Produktion. Doch Hersteller aus Fernost bauen Fabriken in Europa, wie CATL in Erfurt. Junge Firmen wie Northvolt, Britishvolt oder Italvolt planen Factories. Und die großen Autohersteller steigen ein. VW strebt sechs Fabriken in Europa an, Mercedes global acht Werke.
Autobauer wollen die Kompetenz im eigenen Haus haben
Denn Batterien fertigt man am besten dort, wo sie benötigt werden, erklärt Fleischmann. „Daher baut man die Fabriken gern direkt neben dem Fahrzeugwerk.“ Wie Tesla in Grünheide oder Opel-Zulieferer Automotive Cells Company (ACC) in Kaiserslautern.
Ein weiterer Grund für den Boom: „Die Batterie ist die wertvollste Komponente im Elektroauto“, sagt Experte Fleischmann. Sie liefert einen Beitrag von 30 bis 40 Prozent zur Wertschöpfung, das allermeiste davon die Batteriezellen. Deshalb wollen Autohersteller die Kompetenz zunehmend im eigenen Haus haben. Sie wünschen sich Liefersicherheit, kontrollierbare Qualität und möchten sich über die Akkus differenzieren. Volkswagen zum Beispiel will im Werk Salzgitter durch die Fabrikation von „Einheitsbatteriezellen“ Kostenvorteile erzielen, Porsche möchte für seine Sportwagen in Reutlingen „Hochleistungsbatterien“ herstellen.
Aber: Was sind eigentlich Batteriezellen? So nennt man die Grundbausteine der Lithium-Ionen-Akkus; sie bestehen aus Elektroden, Trennmembran und flüssigem Elektrolyt (das sind Lithiumsalze in einem Lösungsmittel). Aus mehreren Zellen fertigt man Batteriemodule. Mit Gehäuse, Klimatisierung, Steuerung wird aus Modulen ein Batteriesystem. „Bei diesen Batteriepacks sind Autobauer schon zu Hause“, so Fleischmann. Daimler etwa produziert sie in Kamenz.
In den Gigafactories entstehen 37.000 Jobs
Die Zellfertigung selbst geschieht hochautomatisiert. Dennoch schaffen die Gigafactories Jobs. Pro 30 bis 40 Gigawattstunden Kapazität rechnet McKinsey mit 3.200 Arbeitsplätzen. Macht rund 37.000 Stellen in den bisher für Deutschland angekündigten Projekten.
Die Branche packt auch die Forschung an: BMW errichtet in München ein Pilotwerk, Audi baut die Batterieentwicklung in Neckarsulm aus.
Große Chancen beim Batterieboom sieht Fleischmann für Ausrüster und Zulieferer: „Maschinen- und Anlagenbauer können profitieren sowie Hersteller von Alu- und Kupfer-Folien oder Metallbauteilen.“ So will etwa das Chemie-Unternehmen BASF Elektroden fertigen. Bosch will Ausrüstung, Elring Klinger Komponenten zuliefern. Fleischmann: „Wir haben eine starke Auto-Industrie. Wenn sich alle auf die neue Zeit einstellen, kann das auch in Zukunft der Fall sein.“
Hans Joachim Wolter schreibt bei aktiv vor allem über Klimaschutz, Energiewende, Umwelt, Produktinnovationen sowie die Pharma- und Chemie-Industrie. Der studierte Apotheker und Journalist begann bei der Tageszeitung „Rheinpfalz“ in Ludwigshafen und wechselte dann zu einem Chemie-Fachmagazin in Frankfurt. Wenn er nicht im Internet nach Fakten gräbt, entspannt er bei Jazz-Musik, Fußballübertragungen oder in Kunstausstellungen.
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