Stuttgart. Stromausfall am Feierabend, weil zu viele E-Autos gleichzeitig laden? Vor dieser Gefahr warnt die Bundesnetzagentur: „Besonders in den Abendstunden könnte es bei einem schnellen Hochlauf der Elektromobilität partiell zu Überlastungen des lokalen Netzes kommen.“ Im Verteilerkasten des Viertels springt dann womöglich die Sicherung raus.
Für das gleichzeitige Laden vieler E-Autos wurde „das Niederspannungsnetz ursprünglich nicht ausgelegt“, erklärt Markus Wunsch, Leiter Netzintegration E-Mobilität beim Unternehmen Netze BW in Baden-Württemberg. „Das E-Auto ist fürs Netz eine Herausforderung, aber machbar.“
Elektroautos am Netz: elf statt vier Kilowatt Strombedarf
Das Problem dabei: Während ein Herd oder eine Waschmaschine „in der Spitze kurzzeitig 4 Kilowatt“ aus dem Netz saugen, schlucken Ladeboxen 11 oder 22 Kilowatt, und das zwei bis dreieinhalb Stunden lang.
Aber: Nur selten laden alle E-Autos in der Tiefgarage eines Wohnblocks, in einer Eigenheimsiedlung oder an einer Landstraße gleichzeitig, meistens ist es nur ein Teil der Stromer. „Das wissen wir aus mehrjährigen Feldversuchen“, sagt Wunsch. „Wenn man zudem über ein Lademanagement die Ladeleistung der Wallboxen zeitweilig verringern kann, lässt sich auch ein hohe Zahl an Autos gleichzeitig versorgen.“
Darf der Netzbetreiber die Last steuern? Ein emotionales Thema
Natürlich müsse das Netz ausgebaut werden, auch wegen der Wärmepumpen-Heizungen und Solaranlagen vieler Häuser. Aber wenn man die Anlagen smart steuern und ihren Stromverbrauch der Lage anpassen kann, müsse man nicht überall für den Maximalbedarf nachrüsten. Netze BW will bis 2025 etwa 500 Millionen Euro investieren.
Also alles super? Leider nicht. Noch gibt es viel zu regeln. „Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen dafür, dass der Netzbetreiber die Netzlast steuern darf“, sagt der Experte. „Das ist allerdings eine sehr emotionale Sache!“ Autohersteller sorgen sich, dass das Käufer von E-Autos abschreckt; mancher Hausbesitzer fürchtet Einschränkungen im privaten Alltag. „Aber: In unseren Tests fühlten sich über 90 Prozent der Teilnehmer nicht eingeschränkt.“
KfW-Bank förderte binnen Jahresfrist 900.000 Ladepunkte
Nötig seien zudem für die E-Autos Ladeboxen mit einer standardisierten Schnittstelle. Die Förderbank KfW hat ein Jahr lang mit 800 Millionen Euro 900.000 Wallboxen bezuschusst. Die haben alle eine Update-fähige Schnittstelle, so manche andere Box aber nicht. Und es braucht bei den Haushalten mit E-Auto ein smartes Strom-Messsystem. Nur damit kann man die Wallboxen steuern. Da warten noch Hausaufgaben auf die neue Regierung.
Hans Joachim Wolter schreibt bei aktiv vor allem über Klimaschutz, Energiewende, Umwelt, Produktinnovationen sowie die Pharma- und Chemie-Industrie. Der studierte Apotheker und Journalist begann bei der Tageszeitung „Rheinpfalz“ in Ludwigshafen und wechselte dann zu einem Chemie-Fachmagazin in Frankfurt. Wenn er nicht im Internet nach Fakten gräbt, entspannt er bei Jazz-Musik, Fußballübertragungen oder in Kunstausstellungen.
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