Dem Chef am Telefon was vorhusten, sich krankmelden und dann raus in den Garten – um endlich die alte Tanne hinterm Haus zu stutzen. Besser nicht, denn „grob genesungswidriges Verhalten“ kann ein Kündigungsgrund sein. 

Helena Wolff, Referentin in der Abteilung Arbeits- und Tarifrecht des Arbeitgeberverbands BDA, erklärt was das bedeutet und auf was man sonst noch achten sollte. „Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig krankgeschrieben, muss er sich so verhalten, dass er möglichst schnell wieder gesund wird“, sagt Wolff. „Mit Bronchitis Bäume fällen gehört nicht dazu.“

Krankgeschrieben heißt nicht sofort absolute Ruhe

Was erlaubt ist, hängt von der Krankheit ab. „Nicht jede fesselt einen gleich ans Bett“, so Wolff. „Krankschreibung heißt nicht, dass man sich nicht mit Lebensmitteln versorgen darf, wenn der Kühlschrank leer ist.“

Einkaufen, Hausarbeit, zwingende Behördengänge, Bewegung an der frischen Luft. Das ist aus Arbeitgebersicht okay. Sofern der Arzt nicht strenge Bettruhe verordnet hat, wie etwa bei einer schweren Grippe und hohem Fieber. Auch ungünstig: Wenn einen Kollegen oder Vorgesetzte dann abends mit Kippe und Bier vor der Kneipe antreffen.

Bei Krankheit in den Urlaub fahren oder arbeiten: Da ist die Grenze schnell überschritten

Auf „angemessenes Verhalten“ kommt es an. Doch da ist der Arbeitnehmer, der in den Skiurlaub fährt, obwohl er aufgrund einer Hirnhautentzündung arbeitsunfähig ist (BAG, 2.3.2006, 2 AZR 53/05). Oder der „erkrankte“ Arbeitnehmer eines Bauhofs, der trotz bereits erfolgter Abmahnung während der Arbeitsunfähigkeit umfangreiche Garten- und Baumfällarbeiten vornimmt (LAG Nürnberg, 7.9.2004, 6 Sa 116/04).

Negativbeispiele wie diese gibt es immer wieder. Wolff: „Da ist die Grenze ganz klar überschritten.“ Paragraf 241, Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verweist auf die Pflichten, die sich aus einem Vertrag, auch dem Arbeitsvertrag, ergeben: Nämlich die Rücksicht auf die Rechte des anderen (in diesem Fall des Arbeitgebers). „Danach ist der Arbeitnehmer verpflichtet, alles zu unterlassen, was ihn daran hindern würde, seinen Einsatz zu leisten“, so Wolff. Ist er wegen Krankheit dazu nicht in der Lage, muss er das Seine dazu beitragen, das möglichst schnell wieder zu ändern.

Krankgeschrieben: Das sollte man unverzüglich dem Arbeitgeber melden

Eine gute Messlatte für das eigene Verhalten im Krankheitsfall ist der Rat des eigenen Arztes. „Darauf sollte man unbedingt hören“, so Wolff. Empfehle der Mediziner Spaziergänge an der frischen Luft, spreche nichts dagegen.

Ein Arbeitnehmer muss seine Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen. Will heißen, gleich morgens zum Hörer greifen. Dauert sie länger als drei Tage, muss er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) vorlegen. Der Arbeitgeber kann aber auch verlangen, dass man schon am ersten Tag zum Arzt geht.

Den „gelben Schein“ braucht man übrigens bald nicht mehr. Ab 2022 soll die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) kommen und die bisherige Papierform mit zweifachem Durchschlag ersetzen. Belege über die Erkrankung von Arbeitnehmern werden dann digital vom Arzt an Kasse und Arbeitgeber übermittelt. So will es ein Gesetz zum Bürokratieabbau.

Bei Zweifel an der Krankschreibung kann die Krankenkasse ein Gutachten verlangen

Jeder kann den Doktor seiner Wahl aufsuchen. Kommen Zweifel an der Richtigkeit der Krankschreibung auf, wird unter Umständen eine Diagnose des Medizinischen Dienstes angefordert: Ein zweiter Arzt untersucht dann den Kranken. Allerdings ist dies nur auf Wunsch der Krankenkasse möglich. Denn nur die kann das Gutachten verlangen. Sie trägt schließlich nicht nur die Arztkosten, sondern begleicht auch das Krankengeld, wenn nach sechs Wochen Krankheit die Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers endet.

Ein Fall für Nachforschungen besteht, wenn der Versicherte auffällig häufig krank ist, die einzelnen Krankschreibungen nur von kurzer Dauer sind oder jeweils auf Beginn und Ende der Woche fallen, Stichwort „verlängertes Wochenende“.

Wer droht, sich krankschreiben zu lassen, aber nicht krank ist, riskiert die Kündigung

Die Drohung „Dann melde ich mich eben krank“ beinhalte ein klares Indiz für einen Pflichtverstoß des Arbeitnehmers, der gegebenenfalls auch zur Kündigung führen könne, wenn die Krankheit nur vorgetäuscht sei, so BDA-Expertin Wolff.

Dasselbe gilt für vorgetäuschte Dienstunfähigkeit. Dazu ein bekannten Beispiel: Lehrerin aus Niedersachsen wollte ihre Tochter zu Dreharbeiten für die Fernsehsendung „Dschungelcamp“ nach Australien begleiten. Als man ihr den Sonderurlaub versagte, meldete sie sich krank. Sie wurde vom Dienst suspendiert und musste zudem in einem Strafverfahren eine Geldstrafe bezahlen, weil sie ihrem Arzt nicht vorhandene Symptome einer depressiven Erkrankung geschildert und so eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für drei Wochen erschwindelt hatte (VG Lüneburg, 17.4.2019, 10 A 6/17¸ OVG Lüneburg, Urt. v. 10.12.2019 3 LD 3/19).

Wird ein arbeitsunfähig krankgeschriebener Arbeitnehmer in der Öffentlichkeit angetroffen, darf die Firma sogar Beweisfotos von ihm machen, entschied das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (LAG Rheinland-Pfalz, 11.7.2013, 10 SaGa 3/13): Ein Produktionshelfer ging seinem Vater in der Waschanlage bei der Reinigung des Autos zur Hand. Das beobachtete sein Chef zufällig. Er war über die körperliche Verfassung des krankgeschriebenen Mitarbeiters erstaunt und fotografierte ihn. Der Verdacht der Vortäuschung der Arbeitsunfähigkeit rechtfertigt den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, so das Gericht.

Sonderregelungen bei Corona

  • Bei ansteckenden Krankheiten sollten akut Erkrankte grundsätzlich zu Hause bleiben und sich auskurieren, damit Erreger nicht weiterverbreitet werden. Das ist doppelt wichtig bei Corona.
  • Das Gesundheitsamt legt im Einzelfall das konkrete Vorgehen fest. Wurde Quarantäne angeordnet, weil Kontakt zu einem Infizierten bestand oder der Betroffene selbst erkrankt ist, muss man die Anordnung unbedingt einhalten. Wer sich dem widersetzt, muss nach Paragraf 75 Infektionsschutzgesetz mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe rechnen.
  • Das Robert-Koch-Institut empfiehlt zudem zeitliche und räumliche Trennung der Kontaktperson von anderen Haushaltsmitgliedern. Das funktioniert zum Beispiel, indem man zu unterschiedlichen Zeiten isst, wenn möglich unterschiedliche Badezimmer benutzt. Hygiene – nicht nur beim Husten – ist entscheidend. Dazu Kontaktflächen wie Türklinken mit Haushaltsreiniger abwischen, Geschirr und Wäsche nicht teilen, ohne sie zuvor gründlich zu waschen. Wohn- und Schlafräume gut lüften sowie engen Körperkontakt vermeiden, auch wenn Freunde, Angehörige oder Nachbarn Einkäufe bringen.
  • Patienten mit leichten Erkrankungen der oberen Atemwege können sich ab sofort nach telefonischer Rücksprache mit ihrem Arzt für bis zu sieben Tage krankschreiben lassen. Das haben die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KVB) und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung beschlossen, um die Arztpraxen zu entlasten. Die Regelung gilt zunächst bis 5. April 2020 – und nur für Patienten, die keine schweren Symptome haben und keine offiziellen Kriterien für einen Verdacht auf Infektion mit dem Coronavirus erfüllen. Sie kann der Arzt dennoch in die Praxis bestellen.
Friederike Storz
aktiv-Redakteurin

Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.

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