Der zweite Corona-Winter verlangt uns erneut einiges ab. Die endlos scheinende Pandemie führt oft zu Frust und Ermüdungserscheinungen, bei manchen gar zu existenziellen Ängsten. Solchen negativen Gefühlen sind wir aber nicht schutzlos ausgeliefert! Wie also können wir lernen, damit umzugehen? aktiv sprach darüber mit der Expertin Donya Gilan vom Leibniz-Institut für Resilienzforschung in Mainz. Sie beschäftigt sich mit den Risiko- und Schutzfaktoren, unter denen Menschen in Krisen leiden – und mit denen sie sich an Krisen anpassen können.
Wie nehmen die Menschen den zweiten Winter unter Corona-Bedingungen war?
Viele erleben derzeit ein regelrechtes Déjà-vu. Sie fragen sich gerade: Hatten wir das nicht schon alles?! Durch die erneuten Einschränkungen wird die Teilnahme an vielen positiven Ausgleichsmechanismen wie Sportangeboten oder Kulturveranstaltungen wieder erschwert. Die Möglichkeit, sich im sozialen Miteinander psychisch zu stärken, ist erneut teilweise blockiert. Da werden bei vielen alte Wunden aus dem letzten Winter wieder aufgerissen, von denen man sich eigentlich erholt zu haben glaubte.
Ganz wichtig ist es, nicht im Stand-by-Modus zu verharren
Wie zeigt sich das konkret?
Die Menschen entwickeln Einsamkeitsgefühle, sie fühlen sich erschöpft. Bei anderen treten Existenzängste auf. Wieder andere hadern mit der Doppelbelastung etwa durch Homeoffice und Kinderbetreuung. Das alles kann zu trüben Gedanken führen, zu Frust, Angst und manchmal auch zu Wut.
Schwierig, da wieder rauszufinden …
Das stimmt. Aber trotzdem sollte man diese Gefühle zulassen. Gerade jetzt ist es ganz normal, etwas gefrustet zu sein! Man sollte sich also nicht von seinen negativen Gefühlen schockieren lassen, sondern sie annehmen und sich mit ihnen auseinandersetzen. Damit beginnt ein Lernprozess, mit dem jeder es schaffen kann, sich selbst wieder positiv zu stimmen. Das zeigen gerade auch aktuelle Studien, die vor dem Hintergrund der Pandemie gemacht wurden. Ihr Ergebnis: Unser Stresslevel steigt zwar – gleichzeitig erlernen wir aber auch Strategien, um uns psychisch zu stärken.
Welche Strategien gibt es denn da?
Konzentrieren Sie sich auf die Gegenwart, nutzen Sie heute die Möglichkeiten, sich positiv zu stimmen! Der Vergangenheit nachzutrauern oder sich ständig zu fragen, wann endlich Lockerungen kommen, bindet Kraft, die man anders einsetzen sollte. Die jetzige Situation zu akzeptieren, hat ja nichts mit Schwäche zu tun: Es ist vielmehr der erste Schritt, um achtsamer durchs Leben zu gehen und sich in solchen Krisen zu stärken.
Wenn ich das für mich akzeptiert habe: Wie kann ich so was einem gefrusteten Kollegen vermitteln?
Man sollte zunächst nicht irgendwelche Tipps geben. Untersuchungen haben gezeigt, dass die soziale Unterstützung oft wichtiger ist. Das gilt am Arbeitsplatz, aber auch im Familien- oder Freundeskreis. Es reicht schon, jemandem zu sagen: Ich bin für dich da, wenn es dir schlecht geht und du Hilfe brauchst. Das Gefühl, im Bedarfsfall auf jemanden zukommen zu können, hilft immens. Wenn man ins Gespräch kommt, sollte man sich auch trauen, von sich selbst und den eigenen Gefühlen zu reden: Das schafft Vertrauen und hilft, gemeinsam durch die Krise zu gehen.
Werden wir zukünftige Krisen psychisch besser meistern können?
Das Potenzial dafür ist auf jeden Fall da! Besonders junge Menschen entwickeln ja jetzt Strategien, um in solchen Phasen Stabilität ins eigene Leben zu bringen. Dieses Krisenbewusstsein ist wichtig. In den vergangenen zwei Jahren haben wohl alle gelernt: Krisen und damit verbundene Unsicherheiten sind Teil unseres Lebens – und werden es bleiben.
Praktische Tipps gegen den Corona-Frust
- Gezielt seriöse Informationen suchen: Beziehen Sie News höchstens zweimal täglich und aus vertrauenswürdigen Quellen (nicht Social Media), um Abstand zur stressigen Informationsflut zu halten.
- Akzeptieren, was Sache ist: Unterdrücken Sie negative Gefühle nicht – lassen Sie sie erst mal zu, um sie dann loszulassen und zu vergessen. Dabei helfen Meditation, autogenes Training oder Yoga.
- Zuversicht zulassen: Fast jeder hat schon andere Krisen gemeistert! Fragen Sie sich, was bei Ihnen gerade gut läuft. Machen Sie daraus gerne eine tägliche Routine – zum Beispiel beim Sport oder Spazierengehen.
- Perspektive wechseln: Ihr Leben hat sich verändert? Das kann eine Chance sein. Nutzen Sie die neue Situation, um Positives für sich selbst zu bewirken – etwa in Form einer Weiterbildung.
- Kontakte pflegen: Das geht auch digital. Gespräche helfen, mit schwierigen Situationen umzugehen. Zugleich trifft man hoffentlich auf Menschen, die eine positive Grundhaltung vermitteln oder verstärken.
Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.
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