Billige ausländische Shops und Portale wie Temu, Shein und Co. offerieren ein Schnäppchen nach dem anderen. Kleidung, Elektronik, Haushaltsartikel – alles für wenige Cents oder Euro. Die Qualität dieser Waren lässt natürlich häufig zu wünschen übrig. Und welche Fallstricke drohen sonst noch, wenn Kunden bei einer Plattform außerhalb der Europäischen Union bestellen? Wie sieht es mit Widerrufsrecht und Gewährleistung aus? Und fallen womöglich Zollgebühren an? Iwona Husemann, Referentin für Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale NRW, gibt Antworten.
Vielen ist gar nicht bewusst, dass es sich beispielsweise bei Temu gar nicht um einen Online-Shop handelt, sondern nur um einen Online-Marktplatz (ähnlich der Shopping-App Wish). Das heißt: Die Produkte werden nicht direkt von der Plattform selbst verkauft, sondern über externe Händlerinnen und Händler in China. Sie sind auch verantwortlich dafür, was angeboten und verschickt wird. Es handelt sich meist um No-Name-Produkte. Die Werbung lockt dabei mit Rabatten von bis zu 95 Prozent und Gratisversand.
Auf Widerrufsrecht und Gewährleistung achten
Doch der Kauf bei solchen ausländischen Anbietern hat seine Tücken. „Beim Bestellen im Ausland muss man immer darauf achten, wo genau der Shop sitzt, wie es ums Widerrufsrecht und die Gewährleistung dort bestellt ist und was dazu auf der Homepage steht“, sagt Expertin Husemann. „Asiatische Shops räumen zwar oft Gewährleistung und Widerruf ein, aber die Kosten für die Rücksendung soll der Kunde tragen.“ Das ist problematisch, denn eine Rücksendung kostet gerne mal 35 Euro oder mehr. „Das lohnt sich oft nicht für ein Schnäppchenprodukt. Das Gleiche gilt für Shops aus den USA.“
Billigprodukte aus der Ferne: Problem der Nachhaltigkeit
Vor der Bestellung also schauen: Wer trägt die Kosten bei einer Rücksendung? „Es muss einem auch klar sein: Will man tatsächlich seine Rechte durchsetzen, muss man im jeweiligen Land klagen, in dem der Shop ansässig ist. Seine Rechte einzufordern, scheitert damit oft an der Durchsetzbarkeit“, sagt Husemann.
Sie verweist noch auf ein ethisches Problem: „Man sollte sich auch gerade bei den Schnäppchenshops klarmachen: Wie nachhaltig kann es sein, Produkte zu solchen Preisen anzubieten, die dann auch noch um die halbe Welt reisen müssen? Wie die Unternehmen diese Kampfpreise halten können, ist auch für uns als Verbraucherzentrale nicht nachzuvollziehen.“ Folgen für die Umwelt hat dies auf jeden Fall. Hinzu kommt: Über die Arbeitsbedingungen bei der Herstellung dieser Produkte weiß man nichts. Und auch nichts über deren Schadstoffgehalte.
Vorsicht bei Zollgebühren
Bei Waren, die im Nicht-EU-Ausland bestellt werden, fällt grundsätzlich eine Einfuhrumsatzsteuer an. „Und das schon ab einem Warenwert von 5 Euro“, erklärt Husemann. „Da gibt es unterschiedliche Prozentsätze des Zolls für unterschiedliche Warengruppen.“ Wer sich genauer darüber informieren möchte, kann die detaillierten Abgabensätze nach Warenart auf dem Portal des Zolls einsehen: zoll.de
„Darüber sollte man sich vorher schlaumachen, sonst wird ein vermeintliches Schnäppchen schnell viel teurer“, sagt Husemann. Nicht immer muss der Bestellende jedoch die Zollgebühren zahlen. „Mit einem sogenannten Import One Stop Shop (IOSS) können die Anbieter die Einfuhrumsatzsteuer bereits in ihre Preise einbauen.“ Als Kunde muss man dann nichts extra zahlen. Das sollte man aber vorher checken. Wenn nämlich Zollgebühren anfallen, werden diese meist von den Paketdienstleistern kassiert und weitergeleitet – und diese Unternehmen schlagen dafür auch noch Servicegebühren auf.
Wie sieht es mit Waren aus dem Vereinigten Königreich aus?
„Das Vereinigte Königreich ist nicht mehr Teil der Europäischen Union, daher sollte man die gleichen Vorsichtsmaßnahmen beachten wie bei den Shops aus Übersee“, sagt Husemann. „Allerdings können Rücksendekosten günstiger sein als nach China oder in die USA.“ Zu beachten sei generell: Wenn man Waren außerhalb der EU zurücksendet, ob nach Großbritannien oder Übersee, muss man auch selbst eine Zolldokumentation ausfüllen. „Das ist ganz schön aufwendig“, wie die Expertin weiß. Bei Bestellungen im EU-Ausland ist dagegen alles meist einfacher. Husemann: „Händler in der EU unterliegen im Wesentlichen den gleichen gesetzlichen Regeln wie Shops aus Deutschland.“
Vorsicht vor Fake Shops im In- wie im Ausland
Bei Temu und Co. bekommen die Verbraucherzentralen tatsächlich einige Beschwerden, wenn es um Umtausch oder Widerruf geht. Dass Ware gar nicht gesendet wird und das Geld einfach weg ist, passiert dagegen eher selten. „Unserer Erfahrung nach kommen die Waren der neuen Billigshops schon an“, sagt Husemann. „Es sind keine Fake Shops. Aber die Qualität lässt oft zu wünschen übrig. Beschwerden hören wir meist in Sachen Rückabwicklung oder dass die Waren beschädigt oder kaputt sind – und eine Rücksendung dann auch schwierig wird.“ Zum Beispiel weil der Kundenservice nicht erreichbar ist. Wer sich bei einem Shop unsicher ist, ob dieser auch tatsächlich existiert, der kann als ersten Anhaltspunkt den Fake-Shop-Finder der Verbraucherzentrale nutzen: verbraucherzentrale.de
Lesen Sie auf aktiv-online.de auch, an welchen Merkmalen Fake Shops erkennbar sind.
Auf Siegel achten und nicht in Vorkasse gehen
Die Expertin empfiehlt, vor allem vor der Bestellung von Spielzeug und elektronischen Geräten auf das CE-Zeichen am Produkt zu achten. „Bei bestimmten Produkten ist das die Pflicht für die Einfuhr in die EU. Vor dem Kauf sollte man auch immer ausführlich Bewertungen lesen, nicht nur die positiven. Und nach Möglichkeit nicht in Vorkasse gehen, sondern erst zahlen, wenn man die Ware erhalten hat.“ Bekomme man dann eine Zahlungsaufforderung, bevor die Ware da ist, solle man die Aufforderung aber nicht einfach ignorieren, sondern sich beim Online-Kundenservice melden und erklären, dass man noch nichts erhalten habe.
Datenschutzeinstellungen auf dem Smartphone vornehmen
Generell müsse man bei Waren aus dem Ausland mit längeren Lieferzeiten rechnen. Und sich bewusst sein, dass die Plattformen fleißig Daten über die Kunden sammeln. „Wer Plattformen wie Temu, Shein und Co. datensparsam nutzen möchte, sollte das Standort-Tracking in den Einstellungen seines Smartphones deaktivieren“, rät Husemann. „Außerdem raten wir generell von Single-Sign-On-Verfahren ab.“ Das heißt, der vereinfachte Zugang ohne weitere Passwortkontrolle sollte besser nicht gewählt werden. „Auch den Zugriff auf Kontakte, Werbe-ID, Fotos und Mikrofon sollte man verweigern.“
Lesen Sie auf aktiv-online.de auch, wie das Single-Sign-on-Verfahren funktioniert.
Tipp von der Expertin: Der Werbung entgehen
Das alles hält Sie eher vom Kauf bei ausländischen Shops ab, und dennoch werden Sie immer wieder mit den Schnäppchenangeboten bei der Nutzung von Webseiten und Apps bombardiert? „Wer sich durch ständige Werbeansprache gestört fühlt, sollte in der entsprechenden App oder in den Einstellungen des Smartphones Push-Benachrichtigungen ausschalten und sich vom E-Mail-Newsletter abmelden oder auf eine Werbe-SMS mit STOP antworten“, rät die Expertin der Verbraucherzentrale.
Marie Schäfers hat ihren Studienabschluss in Geschichte und Journalistik an der Universität Gießen gemacht. Sie volontierte bei der „Westfälischen Rundschau“ in Dortmund und ist Leitende Redakteurin der Zeitung Sonntag-EXPRESS in Köln. Für aktiv beschäftigt sie sich als freie Autorin mit den Themen Verbraucher, Geld und Job.
Alle Beiträge der Autorin