Berlin. Schickes Ambiente, Kaffeebar, Erlebnisflächen mit viel Action, Moos an den Wänden fürs gute Raumklima, in der Mitte eine Rolltreppe, die wirkt wie der rote Teppich für Filmstars. Wer sehen will, wie die Zukunft des Shoppings aussehen könnte, wird hier fündig: im neu eröffneten Media Markt im Berliner Mega-Einkaufstempel Alexa. Die Filiale ist der erste „Lighthouse-Store“ des Handelskonzerns Media Markt Saturn in Deutschland. Neben Wohlfühlatmosphäre und Service setzt man vor allem auf: Emotion. „Ware auf Palette ist nicht mehr genug“, sagt Marktleiter Arvid Schirmag. „Wir müssen den Kunden etwas bieten, das sie online nicht finden.“ Bloß: Reicht das, um König Kunde weg vom Online-Shopping und zurück in die Innenstädte zu locken?

Es braucht „Lieblingsorte“ in den Innenstädten

Könnte so sein. Laut einer Analyse der Beraterfirma Capgemini und des Kölner Instituts für Handelsforschung zieht es die Deutschen nach dem Ende der Pandemie wieder verstärkt in die Ladengeschäfte! Dazu passen auch die offiziellen Zahlen: So sank der Anteil des Online-Shoppings am Gesamtumsatz des Handels im vergangenen Jahr um fast 2 Prozent auf nunmehr knapp 16 Milliarden Euro. Insgesamt gingen im deutschen Handel 713 Milliarden Euro über die Ladentheke.

Nach den frustrierenden Corona-Lockdowns wittert der stationäre Handel also ein wenig frische Morgenluft. „Die Sehnsucht nach Begegnung ist nach Corona so groß wie nie. Wenn man da mit dem richtigen Konzept rangeht, dann werden die Innenstädte auch wieder funktionieren“, sagt Jörg Bauer, Vertriebschef von Media Markt Saturn.

Nur der Einheitsbrei der Einkaufsstraßen, der reiche eben nicht mehr. „Wir müssen Orte zum Verweilen schaffen, neue Lieblingsorte. Dann kommen die Menschen zurück in die Stadt.“

Mit dem Lighthouse-Store im Berliner Alexa versucht der Konzern, diesen Anspruch einzulösen. „Wir hatten bereits Kochshows, eine DJane hat aufgelegt, es gab Gaming-Events und Influencer, die von hier gesendet haben“, zählt Marktleiter Schirmag auf.

Grundbedürfnisse werden heute per Mausklick gedeckt

Laut einer aktuellen Studie der Münchner Unternehmensberatung Cima bezeichnen 60 Prozent der Deutschen gute Einkaufsmöglichkeiten als essenzielles Innenstadt-Merkmal. Doch sie erwarten längst mehr: Stadtgrün und Gastronomie zum Beispiel. Für Kirstin Pukall, Leiterin des Referats Einzelhandel im Bundeswirtschaftsministerium, ist das keine Überraschung. „Man geht nicht mehr in die Stadt, um seine Grundbedürfnisse zu befriedigen, das kann man online tun“, sagt sie. „Man geht in die Stadt, um was zu erleben, Freunde zu treffen. Oder was zu essen.“

Gastronomie ist wichtig – aber nicht überall immer willkommen

Gastronomie also. Doch ausgerechnet der wird nicht selten das Leben in der Innenstadt schwer gemacht – durch die Bürokratie. Davon kann Denise Schilp, Expansionsmanagerin bei der Restaurantkette „Hans im Glück“, ein Liedchen singen. „Unser Unternehmen ist auf Wachstumskurs, wir suchen ständig neue Standorte“, sagt Schilp. Doch trotz Leerstand in der City renne man bei den Verwaltungen nicht immer offene Türen ein. „Da heißt es beispielsweise: Oh, ihr wollt Außenbestuhlung? Sorry, das ist bei uns in der Stadt aber nicht erlaubt.“

Den Leerstand wird man so kaum bekämpfen können. Bitter: Laut einer Erhebung des Forschungsinstituts EHI Retail klagen bereits 70 Prozent aller deutschen Kommunen über leere Ladenlokale im Zentrum. Wegen der Online-Konkurrenz, auch wegen Corona.

„Das Kaufverhalten hat sich nun mal nachhaltig verändert“, sagt Media-Markt-Boss Jörg Bauer. „Wir können nicht mehr den Laden aufsperren in der Hoffnung, dass ausreichend Menschen zu uns kommen.“ Deshalb die neuen Erlebnisansätze, deshalb der Versuch, den Einkauf zu emotionalisieren. Bauer: „Denn ohne Emotion verkaufst du heute kein Produkt mehr.“

Ulrich Halasz
aktiv-Chefreporter

Nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann studierte Uli Halasz an drei Universitäten Geschichte. Ziel: Reporter. Nach Stationen bei diversen Tageszeitungen, Hörfunk und TV ist er jetzt seit zweieinhalb Dekaden für aktiv im Einsatz – und hat dafür mittlerweile rund 30 Länder besucht. Von den USA über Dubai bis China. Mindestens genauso unermüdlich reist er seinem Lieblingsverein Schalke 04 hinterher. 

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