München. Fies, fieser, Stiftung Warentest. Prüft die bekannte deutsche Verbraucherorganisation Produkte, ist sie nicht gerade zimperlich. „Ratsch“, reißt der Greifer dem Kuscheltier das Auge aus, „krrchhh“, kratzt es erbarmungslos in der Pfanne, und „rumms“, kracht der Rollkoffer mit Schmackes auf den Boden. Gut so! Das muss sein. Der Test soll dem Gebrauch im Alltag entsprechen.
An die 30.000 Produkte nahm die Stiftung Warentest so in die Mangel, mit wissenschaftlichen Methoden. Dazu beauftragt sie bundesweit unabhängige Prüfinstitute. aktiv hat sich in einem der größten und ältesten umgeschaut. Es sitzt in Franken. Wo genau, wird nicht verraten. Die Stiftung soll frei von jeder Einflussnahme sein. So will es der Auftrag, den ihr der Deutsche Bundestag im Gründungsjahr 1964 erteilte.
Teller und Teppiche werden penibel angeschmutzt
In den Laboren wird hoher Aufwand betrieben. Eine Testreihe kann leicht an die 50.000 Euro kosten, die Stiftung lässt sich da nichts schenken. Zum Erwerb der Prüfmuster schickt sie eigene Einkäufer los – inkognito –, sie zahlen immer in bar, hinterlassen so keine Spuren.
Auch beim Versuchsaufbau sind die Prüfer erfinderisch, um Mängel aufzudecken. Sie filmen Saugroboter beim Weg durchs abgesteckte Labyrinth. Dort liegt nicht einfach „Dreck“ am Boden, er wird vorab mit „Normstaub“ präpariert.
Ebenso penibel verfährt man mit Spülmaschinen: Wie ist die Bedienbarkeit? Bekommt man auch Weingläser mit langem Stil verstaut oder fällt das Espressotässchen durch den Gitterkorb? Und wird alles sauber? Fünf Gramm Spinat werden dafür auf den Teller gepinselt, im Ofen eingebrannt, bevor das angeschmutzte Gedeck in die Maschine wandert. Mal sehen, ob sie ihren Job richtig macht. Drei Zyklen sind pro Test-Spülgang vorgesehen, „einer ist keiner“, heißt es im Labor.
Testen erfordert mitunter viel Geduld. 180.000-mal hinsetzen muss etwa ein Drehstuhl über sich ergehen lassen. Eine Vorrichtung mit Druckluft hilft, drückt einen dicken Stempel auf den Sitz. Die genormte Form wurde über die Jahre immer breiter ausgelegt, die Menschen werden nicht gerade leichter …
Die „Koffer-Folter“ deckt Schwachstellen auf
Auch Reisegepäck wird schwerer und häufiger durch die Gegend gezerrt. Deshalb gibt’s die „Koffer-Folter“, eine Teststation für Reisegepäck. Der kleine blaue Koffer tut einem fast leid, wie er da aus einem Meter Höhe herunterkracht. Wumms. Sind alle Rollen noch dran oder ist er gar aufgesprungen? Im Gitterkäfig nebenan rumpelt sein roter Kollege auf einem Endlos-Laufband über schiefe Schwellen, im Innern beladen mit Baumwolltüchern und Metallplatten. Sie simulieren das Reisegepäck. „Die Schwachstellen sind meist die Rollen und der Griff", verraten die Prüfer. Und preiswerte Modelle schnitten da nicht unbedingt schlechter ab als die teuren.
Getestet wird umfassend, auf alle für den Verbraucher relevanten Produkteigenschaften. Das typische Programm für Geräte beinhaltet Prüfung von Funktion, Handhabung, Haltbarkeit, Umwelt (Strom- und Wasserverbrauch, Geräusch) sowie Sicherheit. Die Tests werden jeweils ausgearbeitet von einem Projektleiter mit wissenschaftlicher Qualifikation.
Lutschtest für Spielzeug und Rahmenprüfung für Mountainbikes
Bei Spielzeug geht es beispielsweise zunächst um mechanische Sicherheit, also ob ein Kind Teile verschlucken, daran ersticken oder sich strangulieren könnte. Kleinteilezylinder und Kehlkopfschablone im Labor erkennen kritische Größen, etwa von Figuren, Knöpfen oder Kugeln. Ob Schadstoffe wie Weichmacher enthalten sind, zeigen chemische Analysen. Ob sich gefährliche Stoffe lösen, zeigt der Lutschtest. Und so weiter und so fort.
Dem Mountainbike eine Etage tiefer ergeht es nicht besser: 100.000-mal zieht eine Vorrichtung fies die Gabel nach vorn, staucht und dehnt den Rahmen. Bricht er irgendwann? Denn genau das könnte bei Sprüngen im Gelände passieren.
Bei ihrer Arbeit hat die Stiftung Warentest vor allem eins im Blick: Sie will Produkte und Dienstleistungen ein Stück besser machen, auch im Dialog mit den Herstellern. „Wir freuen uns, wenn das gelingt“, sagt Holger Brackemann, Bereichsleiter Untersuchungen der Stiftung Warentest. Er verweist dabei auf wichtige Errungenschaften wie den Seitenaufprallschutz im Autokindersitz, der inzwischen Standard ist.
Und hin und wieder gibt es Spektakuläres zu vermelden, wie 2010 die Waschmaschine „Candy“. Bei zwei Geräten riss im Dauertest die Trommel, sie war schlecht verschweißt, das gab ein „Mangelhaft“. Doch zum Glück ist so was eher selten.
Viermal im Jahr werden die Prüfmuster versteigert
Es herrscht Arbeitsteilung im Verbraucherschutz: Während Verbraucherzentralen in den Regionen persönlich aufklären und beraten, ist Vergleichen und Einordnen das Ziel der Stiftung Warentest. Die Noten von „sehr gut“ bis „mangelhaft“ und das kleine, weiße „t“ auf rotem Grund kennen 96 Prozent der Deutschen. Je zweieinhalb Jahre nach Erscheinen dürfen Hersteller mit dem Ergebnis werben, gegen Lizenzgebühr, die eine eigene Gesellschaft vermarktet.
Übrigens: Was den Test überlebt, kommt unter den Hammer, wird mehrmals im Jahr versteigert, die nächste Auktion ist am 27. Mai 2022: test.de/versteigerungen. Vom Erlös werden wieder neue Prüfmuster gekauft, und alles geht von vorn los.
Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.
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