In der Pandemie haben sich viele einen Hund zugelegt. Jetzt kommen die Leute zurück ins Büro. Da taucht für viele die Frage auf: „Wohin mit dem Tier?“ aktiv sprach mit Markus Beyer über den Trend zum Bürohund. Der Gründer und Vorsitzende des Bundesverbands Bürohund in Berlin coacht seit Jahren Mensch-Hund-Teams und unterstützt Tierhalter, ihre Vierbeiner auf die neue Situation im Büroalltag vorzubereiten – damit sich Mensch, Hund und Kollegen wohlfühlen. Beyer hat ein Herz für Hunde, besitzt selbst einen Golden Retriever mit Namen „Nando“.

Herr Beyer, warum beschäftigen Sie sich mit Bürohunden?

Vor knapp zehn Jahren, als wir den Verband gegründet haben, war der Begriff noch wenig bekannt. Das hat sich inzwischen radikal geändert. Viele Firmen wollen nun erlauben, dass Mitarbeitende Hunde mit ins Büro nehmen. Derzeit kontaktieren uns täglich fünf bis sechs Unternehmen. Da sind große Namen dabei. Sie wollen sich bei uns beraten lassen, wie man Hunde am besten ins Unternehmen integriert.

Warum tun Hunde der Firma gut?

Nun, Hunde haben bei den meisten Menschen einen hohen Sympathiefaktor. Die Vierbeiner einzubinden, ist daher ein genialer Schritt. Einmal zur Mitarbeiter-Bindung, aber auch im Recruiting. Im Wettbewerb um Fachkräfte müssen sich Arbeitgeber heute anders aufstellen. Eine Firma, in der man seinen Hund mitbringen darf, ist für viele attraktiv. Und Hunde sind gute Eisbrecher, gerade wenn sich Teams rasch neu zusammenfinden müssen.

Gibt es noch weitere Gründe für den „Run“ auf den Bürohund?

Ja, es rechnet sich ganz einfach für die Unternehmen, schon rein wirtschaftlich. Denn mit Hund im Team sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach gesünder, ausgeglichener und auch kreativer. Ein Bürohund wird zwar nicht alle Probleme lösen, aber er ist ein „Resilienz-Booster“ und sollte daher Teil der Gesamtstrategie für „Psychische Gesundheit“ im Unternehmen sein.

Also lieber ein Tier streicheln statt Medikamente nehmen?

Sozusagen. Immer mehr Menschen fühlen sich heutzutage einsam, kämpfen mit psychischen Belastungen und den schnellen Veränderungen unserer Zeit. Das wirft so manchen aus der Bahn. Das konnte man auch in der Pandemie beobachten.

Hilft da tatsächlich ein Hund?

Ja, schon! Vier Punkte sprechen im Hinblick auf Gesundheit für einen Vierbeiner: erstens Oxytocin. Sobald ein Hund im Raum ist, schütten wir dieses „Bindungshormon“ aus, wie zahlreiche Studien zeigen. Die biochemische Reaktion fährt die Stresshormone beim Menschen runter und stößt gleichzeitig die Produktion von Glückshormonen an.

Welche Vorteile hat ein Vierbeiner noch?

Zweitens schafft es ein Hund ganz leicht, das negative Kopfkino zu unterbrechen. Er holt einen aus trüben Gedanken in die Realität zurück. Ein Anstupsen mit der Schnauze und schon hört man auf zu grübeln. Drittens sorgt er für Bewegung. Schließlich will das Tier ja raus. Beim Gassigehen hat man mehrmals am Tag Bewegung an der frischen Luft. Dabei hat man – viertens – jede Menge Gelegenheit für Begegnungen – auch beim Gang nach draußen durch die Firma.

Wie geht ein professionelles Onboarding für das Pfotentier?

Zuerst muss man wissen: Alle Hundebesitzer finden ihr eigenes Tier immer ganz toll. Doch die Kollegen sehen das vielleicht ganz anders. Sie denken sich: Oh, der ist aber groß! Beißt der vielleicht doch? Denn sie hatten vielleicht schlechte Erlebnisse in der Kindheit, so etwas brennt sich ein.

Steht dann plötzlich ein Tier in der Tür, kommt automatisch die Ablehnung. Es ist Teil unserer Ausbildung, diese Verhaltensmuster zu erklären. Sie bieten Europas ersten offiziellen Lehrgang zum Bürohund-Experten an.

Was lernt man da?

Der dreitägige Lehrgang zum zertifizierten Integrationsexperten zur Zulassung von Bürohunden vermittelt Verständnis, warum die Anwesenheit von Hunden in der Firma Sinn ergibt. Denn bei der Entscheidung, Hunde als Teammitglied zuzulassen, geht es in erster Linie um die Emotionen rund um diese Veränderung. Wir geben Anleitung, wie man damit umgehen kann, damit das Projekt „Bürohund“ zum Erfolg werden kann.

Was ist da vor allem wichtig?

Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck. Deshalb besprechen wir in der Ausbildung die wichtigsten Schritte für die Zulassung von Bürohunden im Unternehmen. Wir wollen, dass es funktioniert.

Mein Kollege hat Angst vor Hunden. Was sage ich dem?

Es nützt nichts, skeptischen Menschen zu versichern, dass der eigene Hund keinem was zuleide tut. Bedenken schafft man so nicht aus der Welt. Ein Hundehalter ist kein Angsttherapeut. Doch es gibt gute Übungen, um solche Hürden zu überwinden. Man sollte das Tier an die Leine nehmen. Das signalisiert, dass man es unter Kontrolle hat. Dann beschreibt man einen Halbkreis um die Person, wobei man sein Gegenüber freundlich anlächelt. Das nimmt die Spannung raus, beide können sich langsam aneinander gewöhnen.

Was ist mit Allergikern?

Ganz klar, diese Menschen müssen geschützt werden! Durch die Anwesenheit eines Hundes soll niemand leiden. Doch meistens findet sich auch hier ein Weg, wenn man gemeinsam überlegt. Hundefreie Zonen und Zugänge etwa. Natürlich stellt man kein Hundekörbchen in ein Gemeinschaftsbüro, in dem täglich ein Mitarbeiter mit Tierhaarallergie am Schreibtisch sitzt.

Ob es Bürohunde gibt oder nicht, entscheidet natürlich der Betrieb.

Ja, der Arbeitgeber hat das Hausrecht im Betrieb und kann entscheiden, ob er Hunde oder andere Haustiere zulässt oder nicht. Hier gilt es immer auch Sicherheits- oder Hygienevorschriften zu beachten. Wenn ein Unternehmen Hunde gestattet, sollte es Rahmenbedingungen festlegen: etwa, dass man für sein Tier eine Hundehalterhaftpflicht abgeschlossen hat. Oder die maximale Anzahl der Hunde pro Etage.

Bringen denn viele Menschen ihren Hund mit zur Arbeit? Gibt es da Zahlen?

Spitzenreiter in Deutschland ist meines Wissens der Springer-Verlag mit über 250 Hunden im Verlag. Im Vergleich zu den USA ist das aber noch wenig. Dort erlauben viele Unternehmen ihren Mitarbeitenden, Vierbeiner mit ins Büro zu bringen. Der Online-Händler Amazon hat beispielsweise an die 10.000 Hunde allein an seinem Firmensitz in Seattle.

Ein Leckerli nach dem anderen: Muss man Bürohunde vor allzu viel Zuneigung schützen?

Wie der Mensch muss auch der Hund auf seinen „Job“ im Büro vorbereitet werden. Denn der Vierbeiner ist am Arbeitsplatz genauso wie die Menschen mit einer neuen Situation konfrontiert. Man sollte unbedingt auf eine tierschutzgerechte Umgebung achten, mit Rückzugsort im eigenen Körbchen. Und natürlich nicht wahllos Leckerlis verfüttern lassen von den Kollegen.

Große Dogge, kleines Schoßhündchen: Welche Rasse eignet sich am besten als Bürohund?

Das ist vollkommen egal. Für große Hunde habe ich aber einen Tipp: Mit einem kleinen, bunten Halstuch sehen sie gleich viel freundlicher aus.

Friederike Storz
aktiv-Redakteurin

Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.

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