Ein Griff in die Kekstüte, mal schnell Whatsapp checken, ein dudelndes Radio in der Werkstatt oder Familienfotos und Pflanzen auf dem Schreibtisch – am Arbeitsplatz finden eine ganze Menge Dinge statt, die mit der eigentlichen Arbeit nichts zu tun haben. „Grundsätzlich bestimmt der Arbeitgeber die betriebliche Ordnung und entscheidet, was am Arbeitsplatz erlaubt ist und was nicht“, sagt Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Köln und Vorsitzende des Ausschusses Arbeitsrecht beim Deutschen Anwaltsverein. Ihrer Erfahrung nach lassen sich die meisten Unstimmigkeiten jedoch mit beiderseitigem Verständnis aus der Welt schaffen.
Oft gibt es gute Gründe für ein Verbot
Der Chef darf nicht einfach alles nach Lust und Laune verbieten, sondern muss auch die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers mitberücksichtigen. „Wenn der Arbeitgeber gewisse Dinge verbieten möchte, muss es ein berechtigtes Interesse des Unternehmens daran geben“, erläutert die Juristin. Das kann die Hygiene sein, etwa, wenn der gartenbegeisterte Chefkoch in der Küche keine Grünpflanzen aufstellen darf. Ein wichtiger Grund kann auch der Gesundheitsschutz sein. So sollte ein Laborant, der mit Chemikalien hantiert, wegen des Vergiftungsrisikos nicht nebenher in sein Pausenbrot beißen dürfen.
Der Arbeitgeber darf ebenfalls etwa Familien- oder Urlaubsfotos verbieten, weil sie zum Beispiel im Empfangsbereich den einheitlichen Außenauftritt oder Kundenkontakt stören und auf Besucher unprofessionell wirken könnten. Ein Radio muss ebenfalls ausgeschaltet bleiben, wenn es die Arbeit stört, etwa weil Kunden am Telefon sonst kaum noch zu verstehen sind.
Auch das leckere Mittagessen am Schreibtisch könnte ausfallen, weil es den Kollegen unangenehm in die Nase steigt. Was geht und was nicht, hängt vom Einzelfall und von der konkreten Situation ab. Faustregel: Solange niemand gestört wird und der Chef nichts sagt, ist es okay.
Wer sich ans Verbot nicht hält, kann abgemahnt oder sogar gekündigt werden
Es gibt allerdings keinerlei Gewohnheitsrecht! „Auch nach vielen Jahren kann der Arbeitgeber seine Meinung ändern und bislang übliche Verhaltensweisen verbieten“, sagt Expertin Oberthür. Sobald der Chef etwas ausdrücklich untersagt und dafür auch gute Gründe hat, muss man sich normalerweise an das Verbot halten. Wer trotzdem weitermacht, dem drohen Abmahnungen, im Extremfall sogar die Kündigung. Im schlimmsten Fall trifft man sich dann vor dem Arbeitsgericht. Doch solche Streitereien sind die absoluten Ausnahmen, in den allermeisten Fällen regeln sich die Dinge problemlos, wenn man erst einmal darüber gesprochen hat.
Für die viele Aktivitäten am Arbeitsplatz gibt Nathalie Oberthür hier folgende Empfehlungen:
Demonstrieren: Das ist zuallererst Privatsache
„Die Teilnahme an einer politischen Demonstration, etwa gegen Krieg, Klimawandel, Rassismus oder Ähnliches, ist grundsätzlich eine Privatangelegenheit des Arbeitnehmers und muss folglich in der Freizeit stattfinden“, erklärt Oberthür. Ausnahme: Das Unternehmen hat die Teilnahme während der Arbeitszeit ausdrücklich genehmigt und stellt seine Beschäftigten dafür frei. Auch für Demonstrationen im Rahmen von Arbeitskämpfen gelten abweichende Regelungen.
„Grundsätzlich darf ein Arbeitnehmer nur als Privatperson auf einer Demonstration auftreten und nicht im Namen der Firma“, erläutert die Juristin. Man dürfte also beispielsweise nicht ohne Absprache mit dem Chef ein Plakat hochhalten, auf dem steht: „Mitarbeiter vom Unternehmen XY sind gegen den Krieg!“
Vorsicht auch mit Dienstkleidung, auf der der Unternehmensname gut zu erkennen ist – entsteht der Eindruck, dass man als Repräsentant der Firma auf der Demo unterwegs ist, kann das zu Problemen mit dem Vorgesetzten führen.
Ausnahmen gibt es aber auch hier: Wenn das Unternehmen ausdrücklich nach außen für die politischen Ziele der Demonstration eintreten will und deshalb die Teilnahme im Firmennamen ausdrücklich erlaubt oder wenn der Arbeitgeber die Teilnahme an der Demo sogar selbst organisiert und das gesamte Team geschlossen im Namen des Unternehmens protestiert.
Grünpflanzen, Familienfotos, Kinderzeichnungen: Das wird meistens geduldet
Viele peppen ihren Arbeitsplatz mit privaten Dingen auf. Solange es niemanden stört, ist das normalerweise okay, man muss auch nicht vorher fragen. Gibt es ein begründetes Verbot des Chefs, muss man die Deko-Objekte aber wegräumen.
Handy aufladen: Lieber erst fragen
Das Aufladen von Smartphone, Tablet und Co. verbraucht Strom, und der kostet Geld, auch wenn es nur wenige Cent sind. „Juristisch ist das Diebstahl“, erläutert Oberthür. Deshalb sicherheitshalber immer erst um Erlaubnis fragen, dann einstöpseln.
Private Telefonate, E-Mails oder Whatsapp-Nachrichten erledigen: Wenn es schnell geht, wird es oft geduldet
„Streng genommen darf der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz nichts Privates erledigen“, sagt die Juristin. Schließlich handelt es sich ja um bezahlte Arbeitszeit, für andere Aktivitäten sind die Pausen da. Private Telefonate, E-Mails, Whatsapp und Co. sind also tabu, ebenso das Surfen im Internet, Online-Shopping und Ähnliches. Vor allem, wenn dazu betriebliche Geräte benutzt werden, dürfte man dies eigentlich nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Chefs, denn dabei handelt es sich um betriebliche Ressourcen. Selbst das eigene Handy darf man während der Arbeitszeit nicht privat nutzen – außer in Notfällen, etwa wenn das Kind einen Unfall hatte. In der Praxis sehen das die meisten Unternehmen aber nicht ganz so eng, und kurze private Telefonate, eine schnelle Whatsapp-Nachricht oder Ähnliches werden meist geduldet. „Gibt es ein ausdrückliches Verbot solcher privaten Aktivitäten, muss man sich daran halten“, so die Expertin.
Radio hören: Kann aus mehreren Gründen verboten sein
Vor allem in Werkstätten läuft häufig Hintergrundmusik. „Da ein Radio Strom verbraucht und folglich Kosten für das Unternehmen entstehen, sollte man sicherheitshalber vorher um Erlaubnis fragen“, rät Oberthür. Abgesehen davon kann das Gedudel die Konzentration der Kollegen stören oder schlicht nerven – schließlich mag nicht jeder denselben Musikstil. Auch aus diesen Gründen kann der Chef das Radio verbieten.
Essen und Trinken: Normalerweise verboten, doch es gibt Ausnahmen
Essen und Getränke am Arbeitsplatz darf der Chef verbieten, selbst Kleinigkeiten, wie Kekse (krümeln), Bonbons (kleben) oder Schokolade (schmiert). Das gilt sogar für die allgemein übliche Tasse Kaffee auf dem Schreibtisch – schließlich könnte sie umkippen und Unterlagen und die Tastatur fluten. „Beschäftigte dürfen streng genommen nur in den Pausen essen und trinken“, sagt die Juristin.
In der Praxis gibt es bei solchen Nebenher-Naschereien aber meist keine Einwände, solange es niemanden stört und es keine Probleme mit der Hygiene gibt. Selbst bei einem strikten Naschverbot des Unternehmens gibt es aber Ausnahmen: „Muss ein Mitarbeiter aus medizinischen Gründen regelmäßig auch außerhalb der üblichen Pausenzeiten essen oder trinken, muss der Vorgesetzte dies erlauben“, sagt Arbeitsrechtsexpertin Oberthür. Auch an heißen Tagen muss der Chef es akzeptieren, dass die Beschäftigten außerhalb der Pausenzeiten nebenher etwas trinken. In diesem Fall hat nämlich der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer Vorrang. Lesen Sie auf aktiv-online.de auch, wie es sich mit dem Alkoholverbot am Arbeitsplatz verhält.
Der Gang zur Toilette: Ihn kann niemand verbieten
Wer ein dringendes Bedürfnis verspürt, darf selbstverständlich die entsprechenden Örtlichkeiten aufsuchen. „Auch wenn ein Mitarbeiter überdurchschnittlich häufig die Toilette aufsucht, kann der Arbeitgeber dies nicht verbieten, und es drohen auch keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen“, erklärt die Juristin. Aber: Wenn dies aufgrund der Arbeitsabläufe notwendig ist, kann der Arbeitgeber verlangen, dass der Mitarbeiter mit dem Toilettengang wartet, bis eine Vertretung da ist, beispielsweise bei Akkordarbeit. In der Praxis gibt es darüber aber kaum jemals Streit.
Haustiere mitbringen: Das liegt im Ermessen des Chefs
Allein der Arbeitgeber entscheidet, ob Tiere am Arbeitsplatz erlaubt sind oder nicht. Das gilt auch für Tiere, die niemanden stören, beispielsweise Fische. „Wer sein Tier mit an den Arbeitsplatz bringen will, sollte dies vorher mit seinem Vorgesetzten besprechen“, rät die Juristin. Lesen Sie auf aktiv-online.de auch, welche Ausnahmen es gibt, um etwa einen Hund im Büro zu halten.
Zärtlichkeiten austauschen: Sollte man lieber sein lassen
Knutschereien in der Teeküche? Geht gar nicht. „Der Austausch von Zärtlichkeiten ist in den allermeisten Fällen eine Störung des Betriebsfriedens und damit nicht okay“, sagt Oberthür. Auch wenn man noch so verliebt ist, sollte man sich also zusammenreißen. Gegen ein zartes Begrüßungsküsschen wird in der Praxis allerdings kaum jemand etwas einzuwenden haben.
Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.
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