Mehr als eine Millionen Menschen bekommen inzwischen eine noch recht neue Sozialleistung, mit der bestimmte Mini-Renten aufgestockt werden: die Grundrente. Vor allem ältere Frauen profitieren davon. In diesem Artikel beantwortet eine Expertin neun wichtige technische Fragen dazu. Allerdings sollte man da auch um wichtige Hintergründe wissen.

Denn das Regelwerk – nach langem politischen Streit im Corona-Sommer 2020 beschlossen – ist unnötig kompliziert. Die Grundrente wird außerdem nach Einschätzung vieler Experten nicht sonderlich zur Bekämpfung der Altersarmut beitragen. Und sie schafft ganz nebenbei neue Ungerechtigkeiten.

Die Grundrente hilft nicht zielgenau gegen mögliche Altersarmut

Dies hatten zum Beispiel die Wirtschaftsweisen im Sachverständigenrat sofort moniert: „Die Grundrente ist insgesamt ein wenig zielgerichtetes Instrument, um Altersarmut zu adressieren“, warnten sie im damaligen Jahresgutachten. Einerseits bekommen nämlich manche Menschen durch die Grundrente eine Aufstockung ihrer Altersbezüge geschenkt, obwohl sie neben der Rente ausreichend Vermögen haben, um ihren Lebensabend abzusichern. Und andererseits hilft die Grundrente manchen tatsächlich armutsgefährdeten Menschen überhaupt nicht, Selbstständigen mit niedrigem Einkommen zum Beispiel.

Der Grundrentenzuschlag ist keine Pauschale – ob es ihn gibt und wie hoch er ist, wird jeweils individuell ermittelt

Finanziert wird die Grundrente nicht über Rentenbeiträge, sondern vom Steuerzahler, über eine Erhöhung des Bundeszuschusses. Bei der Einführung ging man davon aus, dass die jährlichen Kosten von anfangs 1,3 Milliarden Euro (2021) bis auf 1,6 Milliarden (2025) steigen dürften. Allein der zusätzliche Verwaltungsaufwand wurde auf 400 Millionen Euro im Jahr der Einführung und auf je 200 Millionen Euro in den Folgejahren geschätzt. Kein Wunder: Die Deutsche Rentenversicherung hat nach eigenen Angaben bis Ende 2022 „die rund 26 Millionen Versicherungskonten aus dem Rentenbestand geprüft und die Berechtigten ermittelt“.

Die Grundrente ist ein Beispiel dafür, wie man Gesetze nicht machen sollte

Der Normenkontrollrat war seinerzeit denn auch entsetzt: Die Grundrente sei geradezu ein Beispiel dafür, wie man Gesetze nicht machen sollte, hieß es im Jahresbericht dieses nationalen Gremiums. Denn: „Der Nutzen für die Bürger hätte wesentlich bürokratieärmer, kostengünstiger und damit effizienter erreicht werden können.“ Der Bundesrechnungshof monierte später, die „angestrebte unbürokratische Umsetzung“ der Grundrente sei „gescheitert“, das Bundesarbeitsministerium habe „vermeidbare bürokratische Hürden geschaffen“. Auch, weil man die warnenden Hinweise von Experten „nicht angemessen berücksichtigt“ habe.

Von einem „Bürokratie-GAU“ sprach dann die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände: Die erwarteten Verwaltungskosten seien tatsächlich angefallen – heißt: „Der laufende Verwaltungskostenanteil liegt bei der Grundrente bei knapp 20 Prozent! Bei den üblichen Renten liegt dieser Anteil dagegen nur bei 1,3 Prozent. Es dürfte kaum eine andere staatliche Geldleistung geben, die einen so hohen Bürokratiekostenanteil hat.“

Wer nun immer noch Lust auf die komplizierten Vorschriften hat, kann sich nun die Erklärungen und Berechnungen dazu durchlesen: aktiv hat das Thema mit einer Expertin besprochen, mit Katja Braubach von der Deutschen Rentenversicherung Bund, und beantwortet auf dieser Basis die wichtigsten Fragen.

1. Ist die Grundrente eine Einheitsrente für alle?

Nein. Die Grundrente ist einfach nur ein Aufschlag auf die Rente, für bestimmte Menschen, die zwar viele Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt haben, aber dennoch nur einen sehr geringen Rentenanspruch haben. Rentner, die in ihrem Erwerbsleben im Mittel 80 Prozent des Durchschnittseinkommens oder mehr verdient haben, erhalten keine Grundrente. Anders ausgedrückt: Wer in seinen aktiven Jahren im Durchschnitt 0,8 Entgeltpunkte pro Jahr oder mehr erarbeitet hat, hat keinen Anspruch auf den Zuschlag.

2. Wer hat Anspruch auf die neue Grundrente?

Grundsätzlich muss man natürlich Anspruch auf Leistungen der Rentenversicherung haben, also Rentner sein. Die Grundrente gibt es bei sämtlichen Rentenarten. Also nicht nur bei der klassischen Altersrente, sondern grundsätzlich auch bei Erwerbsminderungsrenten und Hinterbliebenenrenten, beispielsweise für Witwen.

3. Welche Voraussetzungen gelten – wann gibt es die Grundrente tatsächlich?

Voraussetzung ist, dass man mindestens 33 Grundrentenjahre erreicht hat. Dazu zählen alle Jahre, in denen man Pflichtbeiträge bezahlt hat – und außerdem bestimmte andere Zeiten, etwa für Kindererziehung. Wer weniger Jahre auf dem Rentenkonto hat, bekommt also keine Grundrente, auch wenn die Rente sehr niedrig ist. Und wer neben seiner Mini-Rente noch andere Einkünfte hat, bekommt unter Umständen nur eine gekürzte oder gar keine Grundrente (mehr dazu unten).

4. Wie hoch ist die Grundrente?

Das lässt sich nicht mal so eben sagen. Im Jahr 2022 lag dieser Rentenzuschlag im Schnitt bei gut 86 Euro im Monat. Im Einzelfall ist auch weniger oder mehr möglich, maximal sogar über 450 Euro.

Die Höhe der Grundrente wird stets ganz individuell berechnet und hängt vom Einkommen während des gesamten Arbeitslebens ab. Vereinfacht gesagt wird dabei zunächst geprüft, wie hoch das Einkommen in den mindestens 33 Beitragsjahren war. Dabei werden aber nur Jahre gewertet, in denen man mindestens 0,3 Rentenpunkte erreicht hat, also 30 Prozent des Durchschnittseinkommens verdient hat. Aus den ermittelten Rentenpunkten wird ein Durchschnittswert ermittelt. Dieser wird verdoppelt. Ist das Ergebnis höher als 0,8, wird der Wert auf 0,8 gekürzt. Anschließend werden von diesem Aufschlag noch 12,5 Prozent abgezogen. Durch diese Berechnungen erhält man trotz Grundrente weniger Geld als jemand, der sich seine Rentenpunkte vollständig selbst erarbeitet hat.

Ein Rechenbeispiel zeigt, wie knifflig das mit der Grundrente in der Praxis ist

Angenommen, man hat insgesamt 35 Grundrentenjahre erreicht und im Durchschnitt in jedem dieser 35 Jahre 0,35 Entgeltpunkte erarbeitet. Die ursprünglichen 0,35 Punkte werden nun verdoppelt, macht 0,7 Punkte. Da dieser Wert unter 0,8 liegt, wird er nicht weiter gekürzt. Von den 0,35 zusätzlichen Punkten werden 12,5 Prozent (0,0437 Punkte) abgezogen, macht im Ergebnis 0,3063 Entgeltpunkte. Insgesamt hat man dann 0,35 selbst erarbeitete Punkte plus 0,3063 Punkte Aufschlag – macht 0,6563 Entgeltpunkte.

Obwohl durch eigene Arbeit nur 0,35 Rentenpunkte pro Jahr erreicht worden sind, wird man durch die Grundrente so gestellt, als hätte man sich 35 Jahre lang jeweils 0,6563 Entgeltpunkte erarbeitet. Ein Entgeltpunkt ist derzeit rund 37,60 Euro wert (das ist der sogenannte Rentenwert). Mit Grundrente gibt es im Beispiel also 0,6563 Punkte * 35 Jahre * 37,60 Euro = rund 864 Euro Rente. Ohne Grundrente wären es nur rund 461 Euro.

5. Was ist bei der Berücksichtigung von Grundrentenzeiten noch wichtig?

 Hat man im Erwerbsleben auch Phasen, in denen man weniger als 0,3 Entgeltpunkte im Jahr erzielt, zählen diese Jahre zwar bei den Grundrentenzeiten mit – werden aber für die Höhe der Grundrente nicht berücksichtigt. Den berechneten Zuschlag erhält man grundsätzlich nur für maximal 35 Jahre, auch wenn man etwa 40 oder mehr Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt hat.

6. Was kann man tun, wenn Rentenzeiten für die Grundrente fehlen?

Fehlende Grundrentenjahre lassen sich auch durch einen Minijob, bei dem man Rentenbeiträge abführt, sammeln. Dadurch erhöht sich die Grundrente allerdings nicht. Um eine höhere Grundrente zu erhalten, muss man jeweils mindestens 30 Prozent des Durchschnittseinkommens verdienen, also 0,3 Rentenpunkte erzielen. Dies entspricht derzeit einem Gehalt von rund 1.134 Euro brutto im Monat.

7. Welche Rolle spielen das Einkommen und das Vermögen?

Einkommen neben der gesetzlichen Rente, beispielsweise aus einer Riester-Rente, einer Betriebsrente, einem Nebenjob oder auch Mieteinnahmen, werden bei der Grundrente angerechnet. Die Grenze liegt derzeit bei 1.375 Euro für einen Single und bei 2.145 Euro für Paare: Übersteigen die bisherige Rente plus das Nebeneinkommen diesen Wert, wird die Grundrente gekürzt. Eventuelles Vermögen wird allerdings nicht angerechnet: Die eigene Immobilie oder auch Erspartes auf dem Konto reduzieren die Grundrente also nicht.

8. Wie wirkt sich die Grundrente auf Sozialleistungen wie die Grundsicherung aus?

Auch wenn man beispielsweise Grundsicherung im Alter bezieht, profitiert man von den Neuregelungen. Früher wurden nämlich die gesamte Rente und jede andere Einnahme komplett auf Sozialleistungen angerechnet. Hat man dagegen mindestens 33 Jahre Grundrentenzeiten erreicht, erhält man nun einen Freibetrag von derzeit 100 Euro, der überhaupt nicht angerechnet wird. Darüber hinausgehende Zahlungen werden nur teilweise angerechnet. Dadurch erhält man als Rentner insgesamt höhere Sozialleistungen als Personen ohne Grundrentenanspruch.

9. Muss man einen speziellen Antrag stellen?

Nein, der Anspruch auf Grundrente wird von der Deutschen Rentenversicherung Bund ohne Antrag berechnet – und gegebenenfalls automatisch mit ausgezahlt.

Weitere Infos enthält die kostenlose Broschüre „Grundrente: Zuschlag zu Rente“ , die man bei der Deutschen Rentenversicherung Bund downloaden oder bestellen kann.

Silke Becker
Autorin

Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.

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Thomas Hofinger
Chef vom Dienst aktiv

Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.

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