Herr Schlechter, wie bewerten Sie das zurückliegende Jahr mit Blick auf die Metall- und Elektro-Industrie im Saarland?

Wir befinden uns in unruhigem Fahrwasser. Die Unternehmen berichten von rückläufigen Aufträgen, auch die Produktion geht zurück. Die weltweiten Krisenereignisse gehen an unserem Land nicht spurlos vorbei. Das gilt für den Krieg in der Ukraine ebenso wie für den neu aufgeflammten Nahost-Konflikt. Und die durch diese Ereignisse stark gestiegenen Energiekosten machen den Unternehmen im Wettbewerb ebenfalls zu schaffen. All das stellt unsere Branche vor große Herausforderungen – zumal wir uns ja immer noch im Transformationsprozess befinden. Im Saarland arbeiten gut 18.000 Beschäftigte direkt an Produkten für die Verbrennertechnik. Für diese Menschen brauchen wir wegen des politisch beschlossenen Abschieds davon neue Ideen.

Eine Idee hat die Landesregierung ja bereits präsentiert: Ministerpräsidentin Anke Rehlinger hat angekündigt, das Saarland zur Modellregion für eine Wasserstoffwirtschaft zu machen.

Die Idee, Wasserstoff als einen neuen Schwerpunkt in der saarländischen Wirtschaft zu etablieren, ist gut. Sie zeigt den Weg auf, den wir gehen müssen, nämlich neue Technologien für neue Geschäftsmodelle zu nutzen. Wir sehen aber auch, dass wir beim Thema Wasserstoff noch in den Anfängen stecken. Unser Mitgliedsunternehmen Bosch demonstriert aktuell am Standort Homburg, dass ein Wasserstoffkreislauf grundsätzlich funktionieren kann.

Bis zu einer Umsetzung im industriellen Maßstab wird es aber noch dauern. Wir wissen noch nicht, wo die großen Mengen des grünen Wasserstoffs entstehen sollen, die für den Einsatz in der Industrie benötigt werden. Auch wie die Verteilung funktionieren soll, ist unklar. Viele Fragen sind noch offen. Umso wichtiger ist es, nicht nur einen Weg zu verfolgen, sondern breiter zu denken.

Was schwebt Ihnen da vor?

Wir haben gerade zwei Beispiele hier im Land. In Ensdorf soll in Zusammenarbeit von ZF und dem Chiphersteller Wolfspeed eine hochmoderne Chipfabrik entstehen. Ab 2027 sollen dort Siliziumkarbid-Halbleiter gebaut werden, die beispielsweise die Reichweite von Elektroautos erhöhen. Und in Überherrn ist eine Batteriefabrik geplant, in der der chinesische Hersteller SVolt kobaltfreie Batterien für Elektroautos bauen will. Es sind Zukunftsprojekte aus neuen Branchen, die unsere industrielle Basis stärken. Beide haben das Potenzial, weitere Ansiedlungen nach sich zu ziehen. Damit entstehen neue, hochwertige Arbeitsplätze im Land. In diese Richtung sollten wir weitergehen! An die Landesregierung senden wir das Signal, neue Industrieflächen zu schaffen und diese interessierten Unternehmen anzubieten.

In den kommenden Jahren werden viele Fachkräfte in den Ruhestand gehen. Was bedeutet das für die Industrie?

Das ist tatsächlich eine schwierige Situation. Durch die Transformation spüren wir den Fachkräftemangel im Saarland vielleicht noch nicht so schnell und so massiv wie Unternehmen in anderen Bundesländern. Aber in einigen Gebieten klagen die Firmen bereits jetzt, dass sie keine Fachkräfte mehr finden. Und das wird zunehmen. Über Zuwanderung allein werden wir den Engpass kaum lösen können. Deshalb sollten wir als Gesellschaft darüber nachdenken, die Möglichkeiten auszuweiten, länger zu arbeiten. Das gilt nicht nur für die Arbeitszeit in der Woche, sondern auch für die Lebensarbeitszeit. Für die Beschäftigten sollte es noch attraktiver werden, über die Altersgrenze hinaus zu arbeiten.

„Wenn wir unseren Wohlstand halten wollen, müssen wir mehr arbeiten.“

Martin Schlechter

Damit stehen Sie im deutlichen Widerspruch zu den Plänen der Gewerkschaft IG Metall. Die diskutiert im Moment über eine Arbeitszeitverkürzung auf vier Tage pro Woche. Was halten Sie von dieser Idee?

Eines sollte uns allen klar sein: Wenn wir unseren Wohlstand halten wollen, müssen wir mehr arbeiten, nicht weniger. Die Vorstellung, dass wir in vier Tagen die Arbeit von fünf Tagen erledigen können, ohne an Produktivität zu verlieren, ist naiv. Ich kann verstehen, wenn Menschen weniger arbeiten wollen, weil sie sich beispielsweise mehr um die Familie kümmern wollen. Was ich nicht verstehe, wenn dann mit großer Selbstverständlichkeit gefordert wird, dass diese Menschen trotzdem das gleiche Geld bekommen müssen, weil sie ja ihren Lebensstandard halten wollen. Ich habe den Eindruck, dass einigen in unserer Gesellschaft und in der Politik die Einsicht abhandengekommen ist, dass Arbeit einen Wert hat und Wohlstand das Ergebnis von Arbeit ist.

Nun werden immer wieder Studien zitiert, dass Arbeitnehmer bei einer Vier-Tage-Woche produktiver sind …

Diese Studien halten einer genaueren und wissenschaftlich sauberen Prüfung nicht stand. Es mag möglich sein, in Unternehmen, in denen es beispielsweise viele Meetings gibt, noch Produktivitätsreserven zu heben. In den Unternehmen der M+E-Industrie und vielen weiteren Branchen sind diese Reserven nicht vorhanden. Wenn es möglich wäre, Maschinen schneller laufen zu lassen, warum passiert das nicht jetzt schon? Ganz sicher arbeitet unsere Industrie bereits heute sehr produktiv. Dafür sorgt der harte Wettbewerb. Übrigens zeigt sich die Absurdität, wenn wir die Idee der Vier-Tage-Woche auf andere Branchen ausweiten: Sollen Ärzte schneller operieren? Oder Lehrer kürzer unterrichten? Oder soll der Müll an Freitagen liegen bleiben? Es funktioniert einfach nicht, weniger zu arbeiten bei gleichem Standard.

Was ist dann Ihre Hoffnung?

Ich wünsche mir, dass sich die Erkenntnis durchsetzt, dass wir im internationalen Wettbewerb die Ärmel wieder häufiger hochkrempeln müssen, um besser zu sein als die Konkurrenz. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir das schaffen können. Wir haben hervorragende Fachkräfte hier im Land. Und wir bauen hervorragende Produkte. Wir hatten viele gute Jahre mit einem sehr guten Wachstum. Jetzt steuern wir in rauere See. Aber um im Bild zu bleiben: Wenn alle an Deck mit anpacken, werden wir auch den kommenden Sturm überstehen.

Zukunftsfelder für das Saarland:

  • Wasserstoff: Für eine klimafreundliche Industrie ist grüner Wasserstoff ein wichtiger Energieträger. Gewonnen wird er durch Elektrolyse, bei der Wasser mithilfe von Ökostrom in Sauer- und Wasserstoff aufgespalten wird. Um vielen Unternehmen den Rohstoff zur Verfügung zu stellen, will das Saarland möglichst schnell ein landesweites Wasserstoffnetz aufbauen
  • Batterien: Durch den Umstieg auf Elektromobilität steigt der Bedarf an leistungsfähigen Speicherlösungen. Davon will das Saarland profitieren und eine Batterie-Industrie im Land etablieren – etwa durch die Ansiedlung einer Gigafabrik des Herstellers SVolt. Gleichzeitig werden kleine und mittlere Unternehmen dabei unterstützt, Batteriekompetenz aufzubauen.
  • Computer-Chips: In einer digitalisierten Welt werden Halbleiter fast überall gebraucht. Im Februar 2023 gab der US-Hersteller Wolfspeed bekannt, die weltgrößte Chipfabrik für hochmoderne Siliziumkarbid-Halbleiter in Ensdorf zu bauen. Unterstützt wird er durch den Technologiekonzern ZF, der sein größtes Werk in Saarbrücken auf die Fertigung elektrischer Antriebssysteme umrüsten will.