Homburg. Ein großes „H“ und eine kleine „2“: Diese Zeichenkombination könnte demnächst ganze Industrien umkrempeln. Denn das chemische Element H2 oder Wasserstoff verspricht eine klimaneutrale Produktion – zumindest dann, wenn es mit Ökostrom hergestellt wurde. Wäre es nicht ideal, wenn Betriebe diesen „grünen“ Wasserstoff in Zukunft selbst herstellen, speichern und nutzen könnten? Dass so ein Wasserstoffkreis möglich ist, zeigt das Bosch-Werk in Homburg.

„Wir haben vor 15 Jahren begonnen, uns intensiv mit dem Thema Energieeffizienz zu beschäftigen“, sagt Oliver Frei, kaufmännischer Standortleiter, beim Besuch von aktiv. „Dabei ist uns aufgefallen, dass heute eine ganze Menge an Strom einfach verpufft, weil Speicher fehlen.“ Zum Beispiel die Energie von Windkraftanlagen, die bei starken Böen nur zum Teil ins Netz eingespeist werden kann. „So sind wir auf Wasserstoff als Energiespeicher aufmerksam geworden. Und auf die Idee zu unserem Wasserstoffkreis.“

Wasserstoffkreis: Photovoltaik, Elektrolyse und Tankstelle – alles an einem Ort

Das Ergebnis präsentierte der Technologiekonzern Mitte März in Homburg. Die einzelnen Stationen sind hier alle nur einen Steinwurf voneinander entfernt:

  • Produktion: „Grünen“ Strom stellt Bosch mit mehreren Photovoltaikanlagen auf dem Betriebsgelände selbst her. „In einer Stunde etwa 800 Kilowatt“, sagt Stefan Hamelmann, der technische Direktor des Werks. Damit gespeist wird ein Elektrolyseur, in dem Wasser mithilfe des Ökostroms in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten wird. Pro Jahr entstehen so rund 20 Tonnen Wasserstoff.
  • Speicherung: In einer Anlage nebenan wird das Gas gespeichert und verdichtet.
  • Nutzung: Um den gespeicherten Wasserstoff als Energiequelle nutzbar zu machen, gibt es auf dem Betriebsgelände eine Brennstoffzelle. Das Gerät wandelt die Reaktionsenergie des Gases in Strom – übrig bleibt wieder Wasser. Der klimaneutrale Wasserstoffkreis ist geschlossen. „Den Strom nutzen wir, um Lastspitzen beim Strombedarf im Werk abzudecken“, erklärt Hamelmann. Außerdem werde Wasserstoff direkt als Prozessgas für das Härten von Stahlteilen verwendet.

Daneben wird der größte Teil des Wasserstoffs bei Bosch für die Mobilität verwendet: So wurde die Dienstwagenflotte auf H2-Antrieb umgestellt. Außerdem gibt es Transporter und Stapler, die mit Wasserstoff fahren – demnächst kommt auch ein Werkbus hinzu. Alle Fahrzeuge können an einer mobilen Tankstelle im Werk betankt werden. Und das geht fix: Ein Fünf-Kilo-Tank für mehr als 500 Kilometer Pkw-Reichweite ist in fünf Minuten gefüllt.

Mitte März stellte das Unternehmen sein vom Bundeswirtschaftsministerium mit 1 Million Euro gefördertes „Kompetenzzentrum Wasserstoff“ erstmals der Öffentlichkeit vor. Mit dabei: die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger. „Wasserstoff gilt bisher als Champagner der Energiewende. Wir müssen ihn zum Tafelwasser machen“, sagt Vorstand Uwe Gackstatter beim Rundgang mit der Regierungschefin. Wie Industrien das in großem Stil realisieren könnten, dafür biete der Homburger Wasserstoffkreis ein Modell im Kleinen.

Wasserstoff-Produkte sollen helfen, Arbeitsplätze zu sichern

Aber nicht nur als Vorbild für andere Betriebe – auch für den Bosch-Standort selbst könnte sich der Wasserstoffkreis als Transformationsturbo erweisen. In Homburg produziert der Konzern Produkte für den Antriebsstrang, vor allem für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, mittlerweile aber auch Komponenten für mobile Brennstoffzellen. „Der Umstieg auf Elektromobilität verlangt auch von uns große Veränderungen“, sagt Werkleiter Frei. Um dafür gerüstet zu sein, beschäftige man sich seit Langem mit neuen Wasserstoff-Produkten.

So entwickelt Bosch inzwischen Stacks, die Herzstücke von Elektrolyseuren. 2025 soll die Produktion in Serie gehen. Auch Brennstoffzellen und immer mehr Produkte rund um die Wasserstoff-Mobilität wie Tankventile produziert das Unternehmen selbst. „Für all das braucht es auch in Zukunft zerspanende Fertigung und Leistungselektronik – also das, was unsere Beschäftigten perfekt beherrschen“, sagt Gackstatter. Auch deshalb will der Konzern weiter in Wasserstoff investieren: 1 Milliarde Euro soll es bis 2024 sein.

Michael Aust
aktiv-Redakteur

Michael Aust berichtet bei aktiv als Reporter aus Betrieben und schreibt über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach seinem Germanistikstudium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule, bevor er als Redakteur für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Mitarbeiter-Magazine diverser Unternehmen arbeitete. Privat spielt er Piano in einer Jazz-Band. 

Alle Beiträge des Autors