Berlin. Von Entlastung bei Strom und Gas ist zurzeit oft die Rede. Von der Belastung durch steigende Sozialbeiträge seltener. Dabei lohnt es sich, auch hier genau hinzuschauen: Denn während der Staat die Energiepreise mit teuren Entlastungspaketen abfedert, legt er bei den Sozialabgaben munter Lasten drauf.

So werden 2023 die Beiträge in gleich drei Zweigen der Sozialversicherung teurer: Der durchschnittliche Zusatzbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung klettert im Januar um 0,3 Prozentpunkte auf dann 1,6 Prozent, der Satz bei der Arbeitslosenversicherung steigt um 0,2 Punkte auf 2,6 Prozent. Und auch die Beiträge zur Pflegeversicherung werden voraussichtlich um 0,3 Beitragssatzpunkte steigen müssen.

„Alles zusammen ergibt das rund 10 Milliarden Euro mehr Belastung für die Beitragszahlenden“, sagt Susanne Wagenmann, die bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) die Abteilung Soziale Sicherung leitet. Nach Berechnung der BDA steigt damit der Gesamtsozialversicherungsbeitrag – also die Summe, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam für alle Zweige der Sozialversicherung zahlen – auf rund 41 Prozent. Das ist 1 Prozentpunkt oberhalb der klassischen „roten Linie“ von 40 Prozent, auf die sich auch die Große Koalition 2017 im Koalitionsvertrag geeinigt hatte.

Sozialbeiträge: Beschäftigten bleibt in kaum einem anderen Land weniger vom Brutto

Die Ampel-Regierung aber hat dieses Ziel nicht in ihr Bündnispapier übernommen. Dabei gilt die 40-Prozent-Marke als Grenze, jenseits derer Arbeit sich immer weniger lohnt: zum einen für die Betriebe, deren Produktion sich durch steigende Lohnnebenkosten verteuert, was ihre Position im globalen Wettbewerb schwächt. Zum anderen für Arbeitnehmer: „In kaum einem anderen Land werden Löhne und Gehälter so stark mit Abgaben belastet wie in Deutschland“, betont Wagenmann. Denn zu den hohen Sozialversicherungsbeiträgen kommt ja auch noch die Steuer.

Die Rentenversicherung wird 2023 zwar noch nicht teurer. Laut einer Berechnung des Wirtschaftsweisen Martin Werding droht aber bei den Rentenbeiträgen schon 2025 der nächste Sprung. Aufgrund der demografischen Entwicklung dürften auch die anderen Sozialversicherungen schrittweise teurer werden. Der Werding-Studie zufolge droht die Gesamtbelastung für Betriebe und Beschäftigte mit Sozialabgaben bis 2030 auf 45 Prozent zu wachsen, bis 2040 gar auf 50 Prozent!

„Solche Studien und Projektionen sind öffentlich leider nicht so bekannt“, sagt BDA-Expertin Wagenmann. Dabei bräuchte es – ähnlich wie bei den Klimazielen – ein Bewusstsein dafür, wie wichtig schnelle Reformen sind, wie wichtig Nachhaltigkeit auch bei der sozialen Sicherung ist: gerade auch im Interesse der jüngeren Generationen.

Sozialbeiträge: Schon fast 41 Prozent

Die Sozialabgaben werden von Betrieben und Beschäftigten entrichtet. Sie setzen sich zusammen aus Pflichtbeiträgen zu fünf Zweigen.

  • Rentenversicherung. Aktuell beträgt der Beitragssatz 18,6 Prozent.
  • Arbeitslosenversicherung. Der Beitrag steigt im Januar auf 2,6 Prozent
  • Krankenversicherung. Hier gibt es den allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent und den Zusatzbeitrag. Letzterer klettert 2023 auf im Schnitt 1,6 Prozent.
  • Pflegeversicherung. 2023 dürfte sich der Beitrag erhöhen auf 3,35 Prozent (für Versicherte mit Kindern) beziehungsweise 3,7 Prozent (für Kinderlose).
  • Unfallversicherung. Die Beiträge trägt allein der Arbeitgeber. Ihre Höhe richtet sich nach den Entgelten der Versicherten und nach dem Grad der Unfallgefahr.
Michael Aust
aktiv-Redakteur

Michael Aust berichtet bei aktiv als Reporter aus Betrieben und schreibt über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach seinem Germanistikstudium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule, bevor er als Redakteur für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Mitarbeiter-Magazine diverser Unternehmen arbeitete. Privat spielt er Piano in einer Jazz-Band. 

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