Die Chemie- und Pharmaindustrie in Rheinland-Pfalz bietet Frauen hervorragende Karriere- und Verdienstmöglichkeiten. Das belegen Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Während der Frauenanteil in der Chemie mit 21,7 Prozent etwas niedriger ist als im Verarbeitenden Gewerbe – also in der Industrie insgesamt (23,7 Prozent) –, liegt der Frauenanteil in der Pharmabranche mit 41,2 Prozent weit höher.

Pharmazeutik ist häufig weiblich

„Der Studiengang Pharmazeutik wird traditionell von vielen Frauen studiert. Die Absolventinnen finden in der Pharmaindustrie rasch attraktive Jobs“, erklärt Anna Otto vom IAB. Janina Kiefer und Dunja Sauer, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz/Saarland der Bundesagentur für Arbeit (BA), bewerten den hohen Frauenanteil bei Pharma auch als Ausdruck des personalpolitischen Engagements der Unternehmen: „Berufliche Entscheidungen haben auch mit Rahmenbedingungen zu tun. Die Pharmariesen punkten häufig mit attraktiven Gehältern und Sozialleistungen, flexiblen Arbeitszeiten und Unterstützung bei der Kinderbetreuung.“

Frauen in Leitungsfunktionen

In der Pharmaindustrie sind 22 Prozent aller Chefs weiblich, in der Chemieindustrie 17 Prozent, in der Industrie insgesamt nur 14 Prozent. Aber haben Frauen in Chemie und Pharma überhaupt den gleichen Zugang zum Chefsessel wie Männer? Um diese Frage zu beantworten, hat Otto den Gender Leadership Gap errechnet, also das Verhältnis des Frauenanteils insgesamt zum Frauenanteil in Führungspositionen. Bei einem Wert von 1,0 wären beide gleich hoch. „Die Chemie bietet mit einem Index von 0,8 sehr gute Zugangschancen für Frauen in Führungspositionen“, sagt sie. „In der Pharmaindustrie ist der Gender Leadership Gap mit 0,5 ausgeprägter. Man kann also sagen: In Pharmaunternehmen arbeiten insgesamt mehr Frauen, aber sie übernehmen verhältnismäßig seltener Leitungsaufgaben.“

Nur kleine Lohnlücke zu Männern

Gleiches Geld für gleiche Arbeit – das gilt bei Chemie und Pharma, nicht zuletzt aufgrund der hohen Tarifbindung. Während Frauen in Rheinland-Pfalz auf dem Gesamtarbeitsmarkt im Schnitt 14 Prozent weniger verdienen als ihre Kollegen, beträgt dieser sogenannte Gender Pay Gap bei Chemie und Pharma nur 4 Prozent. „Wenn wir uns zusätzlich die Expertentätigkeiten, also die Gehälter der Akademikerinnen und Akademiker in Vollzeit, ansehen, schmilzt der Gender Pay Gap sogar auf 0,2 Prozent“, sagt Otto.

Weniger Mädchen in Ausbildung

Kiefer und Sauer begleiten viele BA-Projekte, die Mädchen und Jungen gleiche Startbedingungen ins Berufsleben sichern sollen. Sie sind überzeugt, dass Girls’ und Boys’ Days, geschlechtersensible Berufsberatung oder das Angebot von Ausbildungen in Teilzeit nachhaltig wirken. „Trotzdem hat sich der Anteil weiblicher Azubis in der Chemie- und Pharmabranche in den letzten fünf Jahren von 29,6 Prozent auf 23,6 Prozent verringert. Auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel und den demografischen Wandel bleibt es deshalb eine zentrale Aufgabe für uns, traditionelle Rollenbilder aufzubrechen und Mädchen nachhaltig für MINT-Berufe zu begeistern.“ Auch Unternehmen können zur Nachwuchssicherung beitragen: etwa durch Schulkooperationen oder einen Tag der offenen Tür nur für Mädchen.

Vielfalt und gleiche Chancen

Bei Boehringer Ingelheim in Deutschland sind aktuell 32 Prozent der Führungskräfte weiblich. Um Chancengleichheit zu fördern, bietet das Unternehmen unter anderem Seminare, Mentoring-Programme und Diversity-Netzwerke wie das interne „WoMen-better together“ oder das „Väter-Netzwerk“ an. Letzteres fördert Väter, sich ohne Karriereeinbußen stärker in die Kinderbetreuung einzubringen. Das „Rollenentdecker-Coaching“ hilft schwangeren Fach- und Führungskräften nach der Elternzeit beim Wiedereinstieg ohne Karriereknick. Flexible Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten oder Kinderbetreuung stehen allen Beschäftigten offen, während das Unternehmen auf der Führungsebene Themen wie „Führen in Teilzeit“ oder „Top Sharing“ vorantreibt.

Recruiting und Mentoring

BASF spricht Frauen schon vor dem Schulabschluss gezielt an: mit jährlichen Angeboten zum Girls’ Day, Instagram-Livestreams zu MINT-Ausbildungsberufen, in denen weibliche Auszubildende von ihrer Ausbildung erzählen, aber auch mit Praktika, Infotagen zur Ausbildung und zu Ingenieur- oder IT-Studiengängen. Hochschulabgängerinnen adressiert der Chemiekonzern mit Recruiting-Events wie „X-Days – Women@BASF“. Einsteigerinnen können sich in zahlreichen Frauennetzwerken der BASF wie „Women in Research“ und „Women in Tech“ vernetzen und bekommen beim Start im Unternehmen ein Mentoring. Um den Frauenanteil bis 2030 weltweit auf 30 Prozent zu steigern, fördert BASF Frauen mit Mentoring im Rahmen der Frauennetzwerke und mit Trainingsprogrammen.

Mit Mentoring und Frauennetzwerken fördert auch der Pharmakonzern AbbVie die berufliche Weiterentwicklung von Frauen. Im Netzwerk „Women Leaders in Action“ geht es um Mentoring-Programme für Frauen und die Vereinbarkeit von Familie und Karriere.

Individuelle Förderung

Auch ohne eigens dazu entwickelte Programme engagieren sich viele Chemie- und Pharmaunternehmen für Frauen in MINT-Berufen. So achten die Unternehmen auf die gleichwertige Förderung ihrer weiblichen wie männlichen MINT-Nachwuchskräfte oder eine gleichberechtigte Aufteilung von Familie und Beruf, indem sie Arbeitszeitwünsche der Mütter und Väter möglich machen, wo immer es geht. Am besten funktioniert das für viele im direkten Gespräch.

Unterstützt von Wir.Hier.