Es hat etwas von einer modernen Mühle: In großen Säcken fahren Gabelstapler das Material unten in das quaderförmige Gebäude in Niederbiegen bei Weingarten. Dann wird es von oben nach unten durch ein Geflecht aus glänzenden Edelstahlbehältern, Trichtern und Rohren geleitet, Etage für Etage. Es wird entladen, desodoriert (von Gerüchen befreit), dosiert, aufgeschmolzen, mit speziellen Maschinen gepresst und zum Schluss granuliert. Bei Bedarf wird zusätzliches Material beigemischt.

Für Lebensmittelverpackungen sind die Ansprüche besonders hoch

So entsteht aus altem Kunststoff neuer Kunststoff. Die kompletten Abläufe können im neuen Recycling Innovation Center des Stuttgarter Maschinenbauers Coperion durchgespielt werden. „Aus Alt Neu machen, das ist gar nicht so einfach. Der recycelte Kunststoff muss – je nach Einsatzzweck – besonderen Anforderungen genügen, etwa in puncto Farbe, Stabilität, Biegsamkeit oder Oberflächenstruktur“, erklärt Jochen Schofer, Recycling-Experte bei Coperion. Besonders hoch sind die Ansprüche, wenn es um die Verpackungen für Lebensmittel geht. Damit am Ende das Ergebnis stimmt, müssen die Prozesse exakt darauf zugeschnitten sein.

Für solche Tests stehen im Recycling Innovation Center zwei individuell modifizierbare Anlagen bereit. Zum Beispiel für Recyclingbetriebe, die wissen möchten, wie sie aus alten Kunststoffverpackungen Rezyklate, also recycelte Stoffe, für einen bestimmten neuen Zweck herstellen können. „Wir unterstützen unsere Kunden bei der Entwicklung von solchen Verfahren“, sagt Schofer. „Die Anlagen sind flexibel konzipiert und können an die spezifischen Anforderungen der Kunden angepasst werden.“

Der Alt-Kunststoff wird sogar von Gerüchen befreit

Auch das Desodorieren kann hier getestet werden. Dabei werden Gerüche aus Altkunststoffen entfernt, sodass der recycelte Kunststoff sensorisch die Anforderungen für seine neue Bestimmung erfüllt. Das erweitert die Möglichkeiten, wieder neuen und vor allem hochwertigen Kunststoff herzustellen.

„Die Unternehmen, für die wir in unserem Zentrum Tests durchführen, kommen aus allen Branchen“, erzählt Schofer. Coperion entwickelt und testet in seinem Recycling Innovation Center auch Anlagen, die an Recyclingbetriebe geliefert werden. Oder an Kunststoffhersteller, die Rezyklat in ihre Produktion einspeisen. Seit der Eröffnung des Zentrums im September 2023 herrscht Hochbetrieb. „Die Nachfrage ist sehr groß“, sagt Schofer, „Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit sind ein Riesenthema.“

Bei der Wiederverwertung von Plastikmüll macht die EU Tempo

Mit der Wiederverwertung von Kunststoffabfällen schlägt man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens wird die Restmüllmenge reduziert und zweitens gewinnt man wertvolle Rohstoffe zurück.

Außerdem macht die Europäische Union Tempo: Bis 2025 sollen europaweit etwa 20 Prozent der Kunststoffverarbeitung aus recyceltem Material gespeist werden. PET-Getränkeflaschen müssen ab 2025 schon zu 25 Prozent aus Rezyklaten bestehen, 2030 dann zu 30 Prozent. Deutschland ist dabei gut im Rennen: Hier beträgt der Rezyklatanteil von PET-Flaschen jetzt schon 28 Prozent.

Das Unternehmen

Coperion gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Compoundier- und Extrusionsanlagen, Sortier-, Zerkleinerungs- und Waschanlagen sowie Förder-, Misch- und Dosiersystemen.

Die Anlagen werden in den Bereichen Kunststoff und Kunststoff-Recycling, Batterie- und Lebensmittelproduktion, Chemie, Pharma und Mineralstoffe eingesetzt. An 50 Standorten sind insgesamt 5.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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