Gut zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland halten KI für die wichtigste Zukunftstechnologie. Das ergab eine Studie des Digitalverbands Bitkom im September 2023. Tatsächlich genutzt wird KI aktuell in immerhin 15 Prozent der Unternehmen; 2022 waren es nur 9 Prozent. Assistenzsysteme, etwa bei der Maschinensteuerung, sehen 44 Prozent der befragten Unternehmen als ein mögliches Einsatzgebiet in der Produktion. Aber auch Entwicklung, Montage, Qualitätsprüfung und weitere Bereiche können von KI profitieren. Wir stellen vier Beispiele von Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg vor, die KI einsetzen: um Prozesse einfacher und schneller zu machen, die Beschäftigten zu unterstützen und um die Fehlerquote gegen Null zu senken.

<<Sag mir, in welchem Zustand die Batterie meines E-Autos ist>>

So kann KI etwa die E-Mobilität voranbringen. Das beginnt schon bei der Entwicklung der Fahrzeuge und Antriebe. Porsche Engineering, die Technologie-Tochter des Automobilherstellers Porsche in Stuttgart, hat eine intelligente Anwendung für die Zustandsanalyse von Lithium-Ionen-Batterien für Elektro-Fahrzeuge entwickelt. Damit lässt sich das Alterungsverhalten der Batterien bestimmen. Das hilft Fahrern dabei, die Reichweite der Batterie während der Fahrt besser einzuschätzen.

Aber auch Verbrennermotoren profitieren von KI, die etwa Prognosen über den Gasgehalt im Motoröl liefert – und damit über die Ölverschäumung, die das Öl weniger schmierfähig macht.

<<Rechne mir aus, wie meine Energieanlage zuverlässigen und günstigen Strom liefern kann>>

Die Energiewende macht Energieanlagen zunehmend komplexer. Um möglichst viel Strom aus erneuerbaren Quellen zu nutzen, werden oft verschiedene Technologien in sogenannten „Microgrids“ (kleinen Netzen) kombiniert, zum Beispiel eine Solaranlage mit Batteriespeichern, einem Brennstoffzellensystem und Blockheizkraftwerken. Zu jedem Zeitpunkt soll genügend – möglichst nachhaltige – Energie zu einem möglichst wirtschaftlichen Preis verfügbar sein. Dafür muss man wissen, wann man wie viel Strom braucht und wie viel Sonnenstrom die Photovoltaik-Anlage in den nächsten Tagen generieren kann. Das macht die Steuerung solcher Anlagen zu einer höchst anspruchsvollen Aufgabe. Denn hierfür müssen aktuelle und zukünftige Wetterdaten, die Preise an der Strombörse und die eigenen Verbrauchsdaten zusammengeführt und vorausschauend ausgewertet werden.

Mit dem selbstlernenden Energiemanagementsystem mtu EnergetIQ von Rolls-Royce Power Systems ist das möglich. Es prognostiziert den Strombedarf und errechnet, wann welche Energiequelle die Nachfrage am besten decken kann. „Das System lernt den Energieverbrauch unserer Kunden kennen und leitet daraus den Bedarf in der Zukunft ab“, erläutert Jan Henker, Senior Expert Automation and Controls bei Rolls-Royce.

<<Zeig mir, wo ich eingreifen muss, um Maschinenstillstände zu vermeiden>>

Steht eine Maschine in der Fertigung still, bedeutet das enorme finanzielle Verluste. Der Komponentenhersteller und Automatisierungsanbieter Festo in Scharnhausen setzt daher in der eigenen Fertigung auf KI für die vorausschauende Wartung. Jacob Decker, Projekteitung KI und Innovation, beschreibt ein Beispiel: „In der Lackieranlage öffnet und schließt ein Zylinder eine Ofentür. Der Wechsel von warm und kalt ist eine hohe Belastung für den Zylinder. Damit er nicht plötzlich streikt, überwacht eine KI seinen Zustand.“ Auf der Ofentür setzen sich außerdem mit der Zeit feine Sprühreste ab, das sogenannte Overspray. Wird diese Schicht zu dick, verkantet die Tür. Deshalb schickt die KI dem zuständigen Mitarbeiter – bevor dies passiert – eine Meldung auf sein Handy oder Tablet: „Bitte hier mal den Overspray abkratzen.“

Die Früherkennung von Anomalien und konkrete Handlungsanweisungen nutzt Festo auch an anderer Stelle, zum Beispiel beim Aufspüren von Druckluftleckagen. Diese Leckagen verschwenden unnötig Energie. „Unsere KI erkennt die Leckagen, sobald sie entstehen. Und nicht erst, wenn einmal im Jahr ein Leckagesuchtrupp durchs Werk läuft“, erklärt Decker. Eine andere KI entdeckt Fehler an Teilen schon so früh im Fertigungsprozess, dass sie gleich aussortiert werden können, anstatt erst den weiteren Prozess bis zur Endkontrolle zu durchlaufen. Dadurch werden eine Menge Material und Kosten eingespart.

<<Hilf mir, alle Bauteile richtig zu montieren>>

Beim Zuliefer-Giganten Bosch wird seit 2017 im Bosch Center for Artificial Intelligence (BCAI) an KI-Anwendungen getüftelt. Ihre Hauptaufgabe: komplexe Probleme zu lösen und den Mitarbeitern Handlungsempfehlungen in Echtzeit anzubieten. Seit 2022 sind alle elektronischen Produkte miteinander vernetzbar. Und bis Ende 2023 sollen alle Produkte KI enthalten oder mit ihrer Hilfe entwickelt oder hergestellt worden sein. In acht Geschäftsbereichen und rund 2.000 Fertigungslinien weltweit ist bereits die „AI Analytics Platform“ im Einsatz. Dieses System analysiert in 24 Stunden rund eine Milliarde Datenzeilen aus Montage, Produktion und Prüfung. Zur Einordnung: Eine Million Datenzeilen entspricht circa 18.000 DIN-A4-Seiten! So werden Qualitätsprobleme erkannt, und die Fertigung kann stetig optimiert werden. Das Ziel: die Null-Fehler-Produktion.

Trotz aller Automatisierung gibt es auch bei Bosch noch Handmontage-Arbeitsplätze, etwa bei Kleinserien oder wenn besondere Geschicklichkeit gefragt ist. Hier unterstützt DeepInspect die Beschäftigten.Das Kamera- und KI-gestützte Assistenzsystem zeigt ihnen in Echtzeit, ob sie das Teil korrekt eingebaut haben. „Über eine intelligente Kamera am Fertigungsplatz kann das Assistenzsystem parallel zur Fertigung überprüfen, ob der Montageprozess richtig abläuft“, sagt Eduardo Monari, Leiter des Forschungsbereichs Cognitive Industrial Vision. Und erklärt weiter: „DeepInspect ist eine Art digitale Montageanleitung, die für Mitarbeitende den nächsten Montageschritt als Hilfestellung visualisiert.“

Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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