Die Arbeitswelt verändert sich rasant. Bei Alstom in Salzgitter begegnet man dem Neuen an vielen Orten. Das langjährige Verwaltungshochhaus mit repräsentativer Empfangshalle etwa hat ausgedient. Geschäftsführer Christian Bieniek hat sein Büro jetzt in unmittelbarer Nähe der Produktion – Glaswand an Glaswand mit Einkauf, Logistik, Konstruktion, Qualitätssicherung und Inbetriebnahme. Und mit direktem Blick auch in die Fertigungshalle. „Hier schlägt das Herz unseres Unternehmens“, sagt er.

Seit drei Jahren trägt der 55-Jährige die Verantwortung für den Standort, der mit 2.000 Beschäftigten einer der weltweit größten Standorte des Konzerns ist. Moderne Brille, sympathisches Lächeln, Bieniek wirkt authentisch und in sich ruhend. Beim Gang durch die riesigen Fertigungshallen, wo ein Zugwagen im Rohzustand neben dem anderen steht, strahlen seine Augen. Man nimmt es ihm ab, wenn er sagt: „Das ist eine faszinierende Aufgabe.“

Das Ziel: Bis zu 30 Prozent mehr Züge aufs Gleis bringen

Und die Aufgabe ist groß: Bis 2030 sollen laut Bundesregierung doppelt so viele Passagiere auf die Schiene. Das hilft dem Klima und orientiert sich am steigenden Mobilitätsbedarf – und verlangt den Herstellern von Bahntechnik einiges an Innovationskraft ab. „Die gesamte deutsche Bahnindustrie profitiert davon“, glaubt Bieniek. Die Ziele der Politik könne die Industrie in Deutschland mit ihren hochwertigen Produkten gut unterstützen. Allerdings müsse sich die Bundesregierung dafür auch auf die Umsetzung fokussieren, sagt Bieniek. Sonst klaffe zwischen Ambition und Wirklichkeit eine große Lücke.

Denn mit besseren und größeren Zügen allein ist es nicht getan. Wenn immer mehr Menschen Zug fahren sollen, dann spielt der Ausbau des Schienennetzes eine große Rolle. Gleichzeitig muss die Bahn pünktlicher und zuverlässiger werden. „All das geht nur mit mehr Digitalisierung“, sagt Bieniek

Immerhin plant die Bundesregierung, für die Digitalisierung der Schiene bis 2027 rund 40 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. So könne man die Taktzeiten erhöhen und gleichzeitig den Energieverbrauch effizienter und nachhaltiger gestalten, sagt der Alstom-Manager. Mehr Digitalisierung heißt, dass bis zu 30 Prozent mehr Züge auf demselben Gleis fahren können und immerhin ein Drittel Energieeinsparung möglich ist. „Da sind wir bei Alstom weit vorn.“

„Junge Leute wollen, dass ihre Arbeit Sinn macht“

Christian Bieniek, Geschäftsführer

Tatsächlich hat sich bei Alstom in Salzgitter in Sachen Antrieb Revolutionäres getan: Die Niedersachsen waren weltweit die Ersten, die einen Personenzug auf Wasserstoffbasis entwickelt und so eine echte Alternative zum Dieselzug auf die Schiene gebracht haben. „Echte Pionierarbeit“ nennt Bieniek das. Dazu muss man wissen: Weil in Deutschland zurzeit rund 40 Prozent des Schienennetzes nicht elektrifiziert sind, rollen mehr als 3.000 Dieselloks und Triebwagen durch die Lande. Was die – ansonsten gute – Klimabilanz der Schiene natürlich beeinträchtigt.

Die Mobilitätswende spielt Zugherstellern in die Karten

Christian Bieniek weiß, dass Nachhaltigkeit auch im Kampf um die Köpfe ein Pluspunkt für Alstom ist. „Junge Leute wollen, dass ihre Arbeit wertvoll ist, dass sie Sinn macht“, sagt er. Die Mobilitätswende spiele den Zugherstellern in die Karten. Bei seinen inzwischen zwei erwachsenen Kindern erfahre er dies immer wieder: „Die sagen mir oft: ‚Papa, du bist da ja bei den Guten!‘“

Auch wenn es in der Gesellschaft aktuell viele Zukunftsängste gibt – bei Alstom in Salzgitter wirken die Mitarbeiter vergleichsweise resilient. Warum? „Hier ist schon immer ein stark wechselndes Geschäft betrieben worden“, sagt Bieniek. „Auftragsschwankungen sind bei uns völlig normal.“ Zudem suchen Management und Belegschaft ständig nach Verbesserungen.

Das spiegelt sich auch in der Unternehmenskultur. Probleme schnell zu lösen etwa, spielt am Standort eine wichtige Rolle, ebenso wie klare Melde- und Eskalationswege für Themen, die nur von der nächsthöheren Ebene gelöst werden können. Ohnehin arbeiten die Beschäftigten in diversen Teams abteilungsübergreifend zusammen.

Auch außerhalb des Unternehmens wird Kooperation großgeschrieben, etwa mit den starken Wirtschaftspartnern am Standort wie Bosch, MAN oder der Salzgitter AG, aber auch mit Forschungs- und Bildungseinrichtungen wie der TU Braunschweig und dem Fraunhofer-Institut. Dem Neuen, das die Zukunft bringt, blicke er deshalb optimistisch entgegen, sagt Bieniek.

Das Unternehmen Alstom

  • Der französische Konzern Alstom ist mit 80.000 Mitarbeitern in 63 Ländern das zweitgrößte Unternehmen in der Bahntechnik weltweit.
  • In Salzgitter unterhält der Hersteller von Zügen und Straßenbahnen eines seiner größten und am weitesten digitalisierten Fertigungswerke.
  • Im Fokus stehen klimaschonende Antriebsalternativen: In Salzgitter entstanden zuletzt Produkte wie ein Wasserstoffzug oder ein Batteriezug.
  • Um mehr Platz für Passagiere zu schaffen, baut Alstom jetzt auch Doppelstockzüge.
Werner Fricke
Autor

Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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