München/Mannheim. Corona hin oder her: Im Herbst 2021 wird der neue Bundestag gewählt. Und auf die nächste Bundesregierung wartet dann sehr viel Arbeit – vor allem auch, wenn es um Deutschland als Wirtschaftsstandort geht. Denn für Investoren sind wir längst nicht mehr so attraktiv wie früher!

Das belegt jetzt detailliert der neue „Länderindex Familienunternehmen“ im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen in München.

Für den Länderindex werden sehr viele Standortfaktoren berücksichtigt

Für diesen Index nimmt das renommierte Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW regelmäßig alle möglichen Standortfaktoren unter die Lupe, von Bürokratie und Infrastruktur bis zu Produktivität und Steuern. Aus sehr vielen objektiv messbaren Daten (meistens für das Jahr 2019) ergibt sich so in der mehr als 300 Seiten dicken Studie ein deutliches Gesamtbild.

Das aktuelle Ergebnis: In Sachen Wettbewerbsfähigkeit schneiden jetzt die USA am besten ab – auch wegen Ex-Präsident Donald Trumps großzügiger Steuersenkung. Der bisherige Spitzenreiter Großbritannien hat zwar deutlich an Punkten verloren, vor allem wegen des verkorksten Brexits, schafft es aber noch auf Platz zwei, knapp vor den Niederlanden.

So schlecht war die deutsche Platzierung im Länderindex Familienunternehmen noch nie

Und Deutschland? Kommt irgendwo unter „ferner liefen“, nämlich auf Platz 17 von 21 untersuchten Industriestaaten! So schlecht war die Platzierung in dem seit 2006 erhobenen Index noch nie. (Auf familienunternehmen.de lassen sich die Ergebnisse des Länderindex interaktiv abrufen.)

Schlechte Platzierung: Im neuen Ranking des renommierten Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW landet Deutschland nur auf Rang 17 von 21 untersuchten Industriestaaten.

„Die Ergebnisse müssen aufrütteln“, sagt denn auch Stiftungsvorstand Rainer Kirchdörfer. „In den vergangenen Jahren haben wir uns sehr stark auf die Verteilung des Wohlstands konzentriert – jetzt kommt es dringend darauf an, Deutschland wettbewerbsfähiger zu machen.“

Dazu muss man wissen, dass mit Kirchdörfer jemand spricht, der große Familienunternehmen bestens kennt. Unter anderem ist er Aufsichtsratsvorsitzender bei Bauerfeind und bei Trox. Akuten politischen Handlungsbedarf mahnt Kirchdörfer vor allem bei drei Punkten an: Steuern für die Unternehmen senken – Energiekosten reduzieren – Infrastruktur verbessern.

Wettbewerbsfähigkeit ist der Schlüssel für künftigen Wohlstand

Ganz ähnlich sieht das Siegfried Russwurm. Der frühere Siemens-Vorstand ist seit Januar Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie. In einer virtuellen Pressekonferenz machte er kürzlich klar: „Die globale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland ist der Schlüssel, um unseren Erfolg zu sichern und so Wachstum, Wohlstand und individuelle Aufstiegsmöglichkeiten zu stärken.“

Nötig seien etwa eine bessere Infrastruktur, mehr Anreize für Investitionen, weniger Bürokratie. Und die Steuerbelastung der Firmen müsse auf „wettbewerbsfähige 25 Prozent“ des Ertrags gesenkt werden, forderte Russwurm: „Die Bundesregierung muss endlich den Reformstillstand in der Steuerpolitik überwinden.“

Beim Punkt „Steuern“ schneidet Deutschland im Länderindex besonders schlecht ab

Tatsächlich erzielt Deutschland im Länderindex Familienunternehmen seine miesesten Einzelwerte beim Indikator „Steuern“, allein Japan schneidet da noch schlechter ab. „Das liegt maßgeblich an den hohen Unternehmenssteuern in Deutschland“, teilt die Stiftung mit, „andere Staaten wie die USA, Frankreich und Belgien haben ihre Wettbewerbsposition durch Steuersenkungen verbessert.“

Übrigens: Auch beim Teilindikator „Komplexität des Steuersystems“ ist Deutschland recht weit abgeschlagen. Ein typisches mittelständisches Unternehmen muss laut Länderindex jedes Jahr 218 Stunden teuer bezahlte Arbeit allein dafür aufwenden, den „steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Abgabenverpflichtungen nachzukommen“. Eine Schweizer Firma schafft das in 63 Stunden, ein Betrieb in Österreich in 131 Stunden.

Tipp: Im ausführlichen Interview erklärt Professor Friedrich Heinemann vom ZEW, warum der Standort Deutschland im internationalen Vergleich immer kritischer eingestuft wird.

Thomas Hofinger
Chef vom Dienst aktiv

Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.

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