Köln/Berlin. Vor zwei Jahren waren sich die Ökonomen ziemlich einig: Etwa 1 Prozent Wirtschaftswachstum würde Deutschland 2020 gut schaffen (mehr aber auch nicht). Dann kam Corona – und ein brutaler Einbruch: Die Jahreswirtschaftsleistung sank um 4,6 Prozent. Der Anstieg um 2,7 Prozent anno 2021 konnte dieses Minus längst nicht wettmachen.

Wie teuer uns diese Krise inzwischen schon gekommen ist, das hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vor kurzem überschlägig ausgerechnet. Demnach brachte die Pandemie bis Ende 2021 allein in Deutschland „einen Wertschöpfungsausfall von rund 350 Milliarden Euro“, trotz aller staatlichen Hilfen.

Die Investitionen wären ohne Corona wohl um 60 Milliarden Euro höher ausgefallen, heißt es weiter. Beim privaten Konsum sieht das IW Ausfälle um die 270 Milliarden Euro, also mehr als 3.000 Euro pro Kopf innerhalb der zwei Jahre.

2 Prozent geringer als 2019 war die deutsche Wirtschaftsleistung im Jahr 2021

Und Corona ist wohl noch lange nicht vorbei. Dazu kommen anhaltende Störungen in den Lieferketten, extrem gestiegene Energiepreise und nicht zuletzt die geopolitische Konfliktlage Russland/Ukraine. Kein Wunder also, dass die Bundesregierung ihre Prognose fürs laufende Jahr deutlich gesenkt hat: Statt zuvor 4,1 Prozent werden nur noch 3,6 Prozent Wachstum erwartet.

    Anhaltende Störungen in den Lieferketten belasten die Konjunktur

    Die meisten Ökonomen sehen das sehr ähnlich wie die Regierung. Das zeigt ihre durchschnittliche Einschätzung vom Februar 2022, gebündelt im „Consensus Forecast“ von rund 30 Forschungsinstituten und Banken. Wie sieht diese Prognose aus?

    1. Wirtschaftswachstum. Die gebündelte Prognose geht jetzt nur noch von 3,5 Prozent Plus in diesem Jahr aus. Damit wäre das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt dann erstmals höher als 2019. Ein etwas stärkeres Wachstum wird bei der Industrieproduktion erwartet. Auch hier geht es, und das sollte man wissen, um einen Aufholprozess: Im Vergleich zum Jahresschnitt 2019 lag die Produktionslücke der Industrie nach IW-Berechnungen zuletzt wieder bei rund 7,5 Prozent, was vor allem an den fehlenden Zulieferungen liegt.
    2. Inflation. Im zweiten Halbjahr 2021 ist die Teuerung deutlich gestiegen, im Jahresschnitt 2021 ergab sich laut Statistischem Bundesamt daher eine Inflationsrate von 3,1 Prozent. Die Ökonomen rechnen da erst langfristig mit Besserung: 3,4  Prozent Inflation werden derzeit fürs gesamte Jahr 2022 erwartet, für 2023 dann 1,9 Prozent. Im Januar lag die Inflationsrate bei 4,9 Prozent – aber damit niedriger als im Dezember. Vor allem, weil die Ende 2020 ausgelaufene Mehrwertsteuersenkung sich jetzt nicht mehr in der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Teuerungsrate auswirkt, die im Jahresvergleich gemessen wird. Erst im Januar 2022 war ja die Mehrwertsteuerbelastung wieder die gleiche wie im Vorjahresmonat.
    3. Arbeitsmarkt. Eine Arbeitslosenquote von 5,7 Prozent meldet die Bundesagentur für Arbeit als Durchschnitt 2021. Das sollte bald deutlich besser werden, so die Prognose im Consensus Forecast: 2022 könnten 5,2 Prozent erreicht werden. Das liegt auch am Altern unserer Gesellschaft. 2021 war das Erwerbspersonenpotenzial schon fast 150.000 Menschen kleiner als 2019. Tendenz: weiter sinkend – deswegen wird unter anderem massive Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland nötig sein.
    Thomas Hofinger
    Chef vom Dienst aktiv

    Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.

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