Jump, Swim, Twist, Hop, Fly … Allein schon die Namen der Räume in The Move, der neuen Siemens-Niederlassung in Frankfurt, suggerieren sofort: Hier ist Bewegung drin, viel Grün und alles ein wenig anders.

Mitten im Frankfurter Stadtteil Gateway Gardens in unmittelbarer Nähe zum Frankfurter Flughafen hat der Weltkonzern diesen Gebäudekomplex geschaffen als Antwort für das Arbeiten im New Normal – mit inspirierenden Büros, die für Wohlbefinden, Teamarbeit und viel Raum für persönliche Begegnung gestaltet wurden – und absolut nachhaltig geplant und gebaut.

Davon konnten sich als erste Gäste im Haus die Teilnehmer des Spätsommerforums von Hessenmetall überzeugen. Thema des Spitzen-Events des Arbeitgeberverbands der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie: „Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil – Vision, Strategie, Praxis“.

Industrie könnte Vorreiterrolle übernehmen beim Klimaschutz

Als Tagungsort wurde denn auch ganz bewusst der neue Siemens-Standort ausgewählt, der innovative Arbeitswelten nicht nur mit Wohlbefinden verbindet, sondern auch mit Flexibilität, Wirtschaftlichkeit und eben Nachhaltigkeit.

„Die Europäische Union will bis zum Jahr 2050 den ersten klimaneutralen Kontinent schaffen und hat sich damit ein ehrgeiziges Ziel gesetzt“, erklärte Wolf Matthias Mang, Vorstandsvorsitzender von Hessenmetall, gleich zu Beginn der Veranstaltung. Die Metall-, Elektro- und IT-Industrie unterstütze dieses Ziel natürlich, weil es um den globalen Klima- und Umweltschutz geht.

Mang ist überzeugt: „Unsere Industrie wird durch die Entwicklung und den Einsatz vieler neuer Technologien diesen Wandel möglich machen, ist also ein gewichtiger Teil der Lösung und macht unsere Erde weiter lebenswert.“ Zumal Klimaschutz und Nachhaltigkeit den deutschen Unternehmen die große Chance bieten, künftig im globalen Wettbewerb eine Vorreiterrolle zu spielen – wären da nicht die EU- und die Bundespolitik.

Der Unternehmer: „Vor lauter ökologischem Klimaschutz vergisst die Politik, für Betriebe ein innovations- und investitionsfreundliches Klima zu schaffen.“ Er appellierte deshalb an die Politik, Unternehmen bestmöglich bei der Erreichung der Klimaziele zu unterstützen, statt sie mit Vorschriften bestmöglich zu regulieren.

Welches Potenzial dafür in den Unternehmen steckt, zeigten Beispiele aus der Praxis. So stellte Sven Donner, Leiter Werksinfrastruktur des Frankfurter Ventilspezialisten Samson, den neuen Standort des Unternehmens vor, der gerade auf einer Industriebrache in Offenbach gebaut wird.

Philipp Heßberger von der Eintracht Frankfurt erzählte, wie viel Raum der Fußball-Bundesligist dem Thema Nachhaltigkeit bereits gibt.

Bodo Sentker von der Deutschen Bank stellte den zunehmenden Stellenwert von Nachhaltigkeit im Finanzwesen und damit auch bei der Vergabe von Krediten heraus. Und wie sich auch kleinere Unternehmen fit für die nachhaltige Transformation machen können, erläuterte Nora Johanna Schüth vom Institut für angewandte Arbeitswissenschaft, ifaa.

„Für augenblicklichen Gewinn verkaufe ich die Zukunft nicht“

Christian Kriwan, General Manager „The Move“ bei Siemens Real Estate, der Immobiliensparte von Siemens, stellte das Gebäude vor. Es enthält zahlreiche Lösungen aus dem Umwelt- und Nachhaltigkeitsportfolio von Siemens, um ein möglichst grünes Gebäude zu schaffen. Kriwan: „Das klingt nicht nur gut, sondern leistet einen wirklichen Beitrag, um unsere Umwelt zu schonen, und wir setzen Zeichen bei der Umsetzung attraktiver Arbeitswelten.“

Christian Franz, Head of Sustainability bei Siemens Real Estate, verdeutlichte im Anschluss die Bedeutung von Nachhaltigkeit im Konzern: „Maßgeblich für eine erfolgreiche Umsetzung ist eine klare Strategie, die von der Unternehmensebene bis auf einzelne Projekte durchdekliniert wird.“ Bei The Move zeigt sich dies daran, dass es höchsten nationalen (DGNB Gold) und internationalen (LEED Platin) Nachhaltigkeitsstandards im Gebäudesektor genügt.

Der Leitgedanke der Nachhaltigkeit wurde bereits durch Firmengründer Werner von Siemens in der Firmen-DNA verankert – durch seine Aussage im Jahr 1884: „Für augenblicklichen Gewinn verkaufe ich die Zukunft nicht!“

Eintracht Frankfurt: Emotionen und Emissionen

Philipp Heßberger von der Eintracht Frankfurt Fußball AG unterstrich die Relevanz von Nachhaltigkeit auch im Spitzensport. Wie er erläuterte, führen Herausforderungen, wie der Klimawandel, die Verknappung von Ressourcen und gestiegene Erwartungen seitens Fans, Sponsoren und der Öffentlichkeit auch im Profisport zu fundamentalen Umbrüchen.

Als einer der mitgliederstärksten Vereine Deutschlands sieht sich die Eintracht in besonderer gesellschaftlicher Verantwortung und Vorbildfunktion. Um Nachhaltigkeit noch fester im Selbstverständnis zu verankern, wurde eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt, die sich an den drei Dimensionen Environment (Umwelt), Social und Governance (Unternehmensführung), kurz ESG, orientiert. Im Fokus der Strategie stehen Transparenz und Messbarkeit. Heßberger: „Mit dem innovativen, datengetriebenen Ansatz haben wir methodisch einen wichtigen Grundstein gelegt.“ Nun sei man dabei, konkrete Initiativen und Projekte umzusetzen, um die nachhaltige Entwicklung des Vereins weiter voranzutreiben.

Abschließend betonte der Fußballspezialist: „Bei allem Engagement ist es wichtig festzuhalten, dass sich gewisse Zielkonflikte niemals vollständig auflösen werden lassen, wenn es um Fußball geht: die Bewegung von Fans und Emotionalisierung der Menschen auf der einen und die daraus entstehenden CO2-Emissionen auf der anderen Seite.“

Samson: Megaprojekt MainChange

Samson, ein Spezialist für die Steuerung und Regelung von Medien aller Art, ist mit gut 2.000 Beschäftigten in Frankfurt und 4.500 weltweit sowie einem Umsatz von knapp 1 Milliarde Euro im Jahr das größte Industrieunternehmen der Mainmetropole.

Für einen nachhaltigeren Betrieb verlagert die private Aktiengesellschaft, seit über 100 Jahren im Familienbesitz, gerade ihren Standort ins benachbarte Offenbach. Eindrücklich schilderte Sven Donner, Leiter Werks­infrastruktur von Samson, den Umzug von der einen auf die andere Main-Seite: „MainChange ist nicht nur Samsons größtes Innovations- und Investitionsprojekt, sondern auch wegweisend für die Industrie in Hessen und Deutschland.“

Auf Dauer könne man in Offenbach günstiger und nachhaltiger produzieren und damit wachsen. Durch den Bau nach Stand der Technik sollen zukünftig Energiebedarf und CO2-Emissionen durch optimalen Wertstrom, Energieeffizienz und Nutzung erneuerbarer Energien deutlich gesenkt, Ressourcen schonender eingesetzt, Materialflüsse und Prozesse optimiert werden und auch moderne Arbeitswelten entstehen. MainChange vereint nachhaltiges Wachstum, wettbewerbsfähige Produktion und Arbeitswelten der Zukunft und ist ein klares Bekenntnis zum Rhein-Main-Gebiet. Donner: „Genau das brauchen wir heute, um die wirtschaftliche Transformation zu schaffen.“

Deutsche Bank: Nachhaltige Lösungen gefragt

Bodo Sentker, Leiter ESG Client Solutions Firmenkunden Deutschland bei der Deutschen Bank, thematisierte den zunehmenden Stellenwert eines nachhaltigen Finanzwesens. „Nachhaltigkeit ist eine Chance und wichtig für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen“, betonte Sentker. Für ihn steht fest: „Die Unternehmen begeben sich auf eine lange Reise, bei der es wichtig ist, einen Partner an der Seite zu haben, der diesen Weg finanziell und strategisch begleitet.“

Denn Nachhaltigkeit bezeichne im Finanzsystem den Einbezug von Umwelt-, sozialen und Unternehmensführungsaspekten in die Entscheidungen etwa bei Kreditvergaben. „Wir unterstützen den Übergang der Volkswirtschaften zu einem nachhaltigen und kohlenstoffarmen Wachstum durch unsere Geschäfts­tätigkeit, indem wir die Finanzströme auf nachhaltigere und klimafreundlichere Lösungen lenken.“

ifaa: Langfristig denken

Nora Johanna Schüth, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Arbeits- und Leistungsfähigkeit des ifaa, Institut für angewandte Arbeitswissenschaft, stellte einen mit Hessenmetall für die Unternehmen erarbeiteten Leitfaden vor.

Frau Schüth, was ist das Wichtigste bei der Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie?

Für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele im Betrieb kommt es darauf an, dass die Bemühungen aller Akteure auch von allen in der gesamten Belegschaft mitgetragen werden. Das Mindset jedes Beschäftigten muss darauf ausgerichtet sein, Verschwendung in allen Bereichen zu vermeiden und Ressourcen zu schonen. Dann können alle Zahnräder ineinandergreifen. Kleine Maßnahmen tragen dazu ebenso bei wie größer angelegte Projekte. Wirklich jeder kann und sollte seinen Teil dazu beitragen.

Welche Strategien lassen sich schnell umsetzen?

Mit einer Wesentlichkeitsanalyse lassen sich schnell die vorrangigen Handlungsfelder erkennen. Einerseits ist so eine Analyse künftig gefordert. Andererseits hilft sie dabei, knappe Ressourcen möglichst effektiv einzusetzen und dies auch begründen zu können. Außerdem ist es wichtig, Verschwendung zu erkennen und zu beseitigen.

Was wird beim ifaa am meisten nachgefragt?

Die neuen Nachhaltigkeitsanforderungen durch die EU und den Gesetzgeber, etwa beim Lieferkettengesetz, die Erfüllung von Kundenanfragen zur Nachhaltigkeitsbewertung als Lieferant, die Ermittlung der CO2-Bilanzen, die praktische Umsetzung der Anforderungen – und das alles neben der nachhaltigen Gestaltung von Produkten, Gebäuden und Anlagen.

Maja Becker-Mohr
Autorin

Maja Becker-Mohr ist für aktiv in den Unternehmen der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie sowie der papier- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterwegs. Die Diplom-Meteorologin entdeckte ihr Herz für Wirtschaftsthemen als Redakteurin bei den VDI-Nachrichten in Düsseldorf, was sich bei ihr als Kommunikationschefin beim Arbeitgeberverband Hessenchemie noch vertiefte. In der Freizeit streift sie am liebsten durch Wald, Feld und Flur.

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