Bergeweise Kupfer, gewonnen aus Massen von Elektrokabeln, fallen jeden Tag bei Zirec in Bensheim an – Deutschlands größtem Unternehmen für Kabelrecycling mit 90 Beschäftigten bundesweit und einem Jahresumsatz von rund 150 Millionen Euro. Geschäftsführerin Petra Zieringer gewährte beim aktiv-Besuch exklusive Einblicke in ihre Branche.

Frau Zieringer, was fällt Ihnen ein zum viel diskutierten Thema Nachhaltigkeit?

Recyclingunternehmen wie wir sind – ganzheitlich betrachtet – der Inbegriff von Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Weil wir dafür sorgen, dass Dinge nicht auf dem Müll landen, sondern zu fast 100 Prozent in den Kreislauf zurückgehen. So werden etwa rund 40 Prozent des in Deutschland produzierten Kupfers aus Kupferschrott gewonnen. Und 75 Prozent des jemals hergestellten Aluminiums sind noch heute im Gebrauch, eben weil wir Metall-Recycler und -Händler Metalle immer wieder in den Kreislauf zurückgeben.

Warum betonen Sie die ganzheitliche Betrachtung?

Meines Erachtens kann man Dinge nur wirklich gut beurteilen, wenn man sie vom Anfang bis zum Ende betrachtet. Nehmen Sie das Beispiel Stromproduktion. Kann man die Erfolge der Windkraftanlagen wirklich darauf reduzieren, dass für den erzeugten Strom weder Kohle noch Atomkraft benötigt wurde? Wenn ich das Thema als Recycler betrachte, fallen mir sofort die gigantischen Rotoren ein, die aus einem Glasfaser-Kunstharzgemisch bestehen. Dafür gibt es aktuell keine Recyclingmöglichkeit. Wären sie aus Aluminium, könnte man sie einschmelzen und das Material in den Rohstoffkreislauf zurückführen.

Wie ist Ihr Unternehmen entstanden?

Mein Großvater zog vor fast 100 Jahren mit einem Eselskarren los und sammelte in den Dörfern überflüssiges Lötzinn. Das schmolz er ein, goss es in Form und verkaufte es. Das ist Metall-Recycling, wie es seit Jahrtausenden funktioniert. Recycling und Nachhaltigkeit sind eben keine Erfindung der Neuzeit.

Wie kam es vom Einsammeln von Lötzinn zur Kabelaufbereitung?

Irgendwann kamen neben dem Altmetall auch Kabel auf den Hof, die dann zerlegt wurden, um an das Metall zu kommen. Mein Vater Karl Zieringer war beseelt vom Recycling-Gedanken und wollte sämtliche bei uns gewonnenen Materialien in den Wertstoffkreislauf einbringen – aus ökologischen und ökonomischen Gründen. 1983 waren wir nach jahrelanger Entwicklungsarbeit so weit, dass die Kunststoffe nicht mehr nur deponiert, sondern weiterverarbeitet werden konnten. Und dank modernster Anlagen können wir heute die umweltschonende Aufbereitung von mehr als 25.000 Tonnen Kabeln pro Jahr garantieren.

Was machen Sie mit den gewonnenen Materialien?

Das Kupfer und auch andere Metalle gehen als Granulat in Hütten, Gießereien und Halbzeugwerke und landen zum Teil dann wieder als Draht in der Kabelproduktion. Aus den Kunststoffen stellen wir in unserem Schwesterunternehmen Kumeta Bakenfüße her. Das sind schwere, mobile Kunststoffplatten, die als Träger dienen für Leitbaken, Schranken oder auch Verkehrsschilder zur Baustellensicherung im Straßenverkehr. Und die findet man inzwischen in der ganzen Welt.

Werden alle Kunststoffe weiterverarbeitet?

Nicht alle. Manche Kabel, die hier angeliefert werden, müssen wir sofort aussortieren. Sie bestehen aus unterschiedlichen Komponenten, weil sie zum Beispiel im Wohnungs- oder auch im Automobilbau eingesetzt werden und etwa aus Feuerschutzgründen schwer entflammbar sein müssen. Die kann man nur thermisch verwerten, das heißt, sie gehen in Müllverbrennungsanlagen. Recycler wie wir müssen ständig Ideen und Lösungen entwickeln, wie wir mit neuen Materialien umgehen. Auch das gehört zu unseren Aufgaben.

Warum sind Sie ins Familienunternehmen eingestiegen?

Für meinen Vater war immer klar, dass ich als erstes Kind die Firma übernehme. Nach BWL-Studium und erster Berufserfahrung habe ich eine Auszeit genommen und an der Bibelschule in England studiert. Danach konnte ich mich der Verantwortung hier stellen. Als Unternehmerin handle ich nun gemeinsam mit meinem Geschäftsführungskollegen Walter Bernhardt im Sinne der Firma gewinnorientiert. Wir tun aber auch viel Gutes im Sinne der Gesellschaft, helfen unkompliziert dort, wo Hilfe nötig ist. Gerade gründen wir eine Stiftung, damit wir Menschen noch mehr und vor allem unkomplizierter helfen können.

Wo sehen Sie aktuell die größte Herausforderung als Unternehmerin?

Es ist schon eine große Herausforderung, unternehmerisch tätig zu sein, wenn einem alle dafür notwendigen Freiheiten nach und nach genommen werden. Wenn andere nur noch Probleme sehen und Lösungen unmöglich gemacht werden, wird es einfach schwierig. Autos oder Flugzeuge, eigentlich fast alles in unserer technologieorientierten Welt, hätte es nie gegeben, wenn man von vornherein befürchtet hätte, dass, was auch immer, passieren könnte. Wir brauchen einfach wieder mehr Vertrauen in Unternehmerinnen und Unternehmer – und vor allem mehr Freiheit.

Zur Person

  • Petra Zieringer, geboren 1966 in Bensheim, Enkelin des Firmengründers Andreas Zieringer.
  • 1990 Abschluss ihres Wirtschaftsstudiums an der European Business School (heute EBS Universität) und Berufsstart bei der Metallgesellschaft in Frankfurt.
  • 1993 Aufbaustudium an einer Bibelschule in England.
  • 1997 Einstieg bei Zirec, seit 2000 geschäftsführende Gesellschafterin.
Maja Becker-Mohr
Autorin

Maja Becker-Mohr ist für aktiv in den Unternehmen der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie sowie der papier- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterwegs. Die Diplom-Meteorologin entdeckte ihr Herz für Wirtschaftsthemen als Redakteurin bei den VDI-Nachrichten in Düsseldorf, was sich bei ihr als Kommunikationschefin beim Arbeitgeberverband Hessenchemie noch vertiefte. In der Freizeit streift sie am liebsten durch Wald, Feld und Flur.

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