Glühende Stahlstücke gleiten auf dem Förderband zu einem Roboter. Der legt sie dem Mitarbeiter an der Presse bereit. Mit einer langen Zange positioniert er sie unter dem Gesenk. Das fährt mit einer Presskraft von bis zu 5.000 Tonnen herab, die Funken sprühen, der Boden im Hammerwerk in Fridingen an der Donau scheint zu beben. Mit einem, zwei oder drei Schlägen sind die Teile geformt. Gefertigt werden sie für Kunden, meist aus der Nutzfahrzeug-Industrie oder aus dem Maschinenbau.
Die Kollegen an den Maschinen leisten eine Menge – auch körperlich. Das ist beeindruckend. Beim Rundgang zwischen den riesigen Maschinen wird aktiv begleitet von einer zierlichen jungen Frau: Jasmin Nothdurft. Sie trägt einen wichtigen Teil dazu bei, dass alles so läuft, wie es soll. Ihre Aufgabe ist die Fertigungsplanung im Werkzeugbau – also dort, wo die Gesenke, das heißt, die Formen für die Stahlbearbeitung, hergestellt werden. Das Büro in der Werkzeugbauhalle teilt sie sich mit dem Leiter Werkzeugbau und dessen Stellvertreter. Ihr Part sind die Maschinenbelegungen.
Die Fertigungsplanung wird in Zukunft digitalisiert
Welcher Kunde welchen Auftrag erteilt hat, diese Infos holt sie sich aus dem firmeneigenen ERP-System (ERP steht für Enterprise Resource Planning).
Die Fertigungsplanung selbst geschieht derzeit noch auf Papier, an einer großen Tafel an der Wand. In Zukunft soll hier aber digitalisiert werden. Dann wird anstelle der Tafel ein großer Monitor an der Wand hängen. „Damit werde ich einen noch besseren Überblick darüber haben, welcher Auftrag gerade an welchen Maschinen läuft“, sagt Nothdurft. Die Arbeit macht ihr Spaß: „Hier bin ich genau an der richtigen Stelle.“
Ein Studium wäre ihr zu theoretisch gewesen
Dabei kam sie ganz unverhofft dorthin. Nach der Ausbildung zur technischen Produktdesignerin bei einer anderen Firma machte sie eine zweite Ausbildung zur Werkzeugmechanikerin im Hammerwerk. „Das lag mir noch mehr als das Zeichnen“, sagt sie. Anschließend stieg sie in die Konstruktion ein – und dachte bald über eine weitere Qualifizierung nach. Ein Studium schien der Praktikerin aber zu lang und zu theoretisch. Also entschied sie sich für eine Techniker-Fortbildung – mit der Unterstützung ihres Arbeitgebers.
Als 2019 die Stelle in der Fertigungsplanung frei wurde, sprach der damalige Leiter der Bearbeitung, heute Geschäftsführer, sie direkt an, ob sie sich das vorstellen könne. „Am Anfang war es etwas gewöhnungsbedürftig als einzige Frau unter 30 Männern, darunter viele älter als ich, denen ich ja auch etwas zu sagen habe“, erinnert sich Nothdurft. Das hat sich aber schnell gelegt, und heute ist sie voll in ihrem Element. „Planen und organisieren sind genau mein Ding“, erzählt sie. „Und dass ich einen praktischen Hintergrund habe, hilft mir sehr. So kenne ich mich mit den Maschinen aus und weiß genau, welche Maschinen sich am besten für welches Werkzeug eignen.“
Zum Werkzeugbau gehört eine Menge kostbares Know-how
Die fertigen Werkzeuge werden im Hammerwerk gelagert. Sie kommen wiederholt zum Einsatz, da die Kunden immer wieder dieselben Produkte benötigen. Unter den schweren Gesenken nutzen sich die Werkzeuge natürlich irgendwann ab. Dann müssen sie repariert, überarbeitet oder auch wieder neu gefertigt werden. Die eigentliche Hauptaufgabe des Werkzeugbaus ist allerdings die Erstellung neuer Werkzeuge.
„Den Werkzeugbau könnten wir auch nach außen vergeben“, sagt Vertriebsleiter Kai Schaffrath. „Aber dann müssten wir auch eine Menge kostbares Know-how außer Haus geben. Dieses Know-how wollen wir lieber behalten – genauso wie die Mitarbeiter, die darüber verfügen, wie zum Beispiel Frau Nothdurft.“
Beruflich umsatteln, neue Wege einschlagen? Das ist für Nothdurft kein Thema. Auch nicht geografisch. Sie kommt aus Fridingen und ist hier – im schönen oberen Donautal am Südrand der Schwäbischen Alb – fest verwurzelt. Im Hammerwerk ist außerdem auch ihr Vater beschäftigt. Die Schwerindustrie und die Umformung von Metall haben auch die 30-Jährige schon in der Ausbildung irgendwie gereizt. Lächelnd sagt sie: „Wenn man am Ende des Tages sieht, was man erreicht hat, ist das ein sehr schönes Gefühl.“
Das Unternehmen
Im Hammerwerk Fridingen arbeiten 482 Beschäftigte, am zweiten Standort im tschechischen Cheb weitere 147. Geschmiedet werden unter anderem Teile für die Nutzfahrzeug-Industrie, den Maschinenbau und eine ganze Reihe weiterer Industriezweige.
Das Unternehmen hat eine lange Tradition als Stahlschmiede, die Auftragslage ist gut. Rund 70 Prozent der Produkte werden im Inland abgesetzt. Der Rest geht überwiegend ins europäische Ausland, vor allem nach Skandinavien.
Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.
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