Schwere Kisten tragen, über Kopf Bauteile montieren oder ein Schweißgerät minutenlang auf Augenhöhe halten: Solche Tätigkeiten sind nicht unbedingt gut für Rücken und Schulter. Deshalb müssen Mitarbeiter in Handwerk und Industrie bei der Ausführung anstrengender Arbeiten besonders geschützt werden.

Eine Möglichkeit dazu sind sogenannte Exoskelette. Die Stützkonstruktionen für Arme, Beine und Rumpf werden über der Kleidung getragen und erleichtern bestimmte Bewegungsabläufe, etwa beim Heben oder Absenken von Lasten. Auf der Weltleitmesse für sicheres und gesundes Arbeiten in Düsseldorf haben kürzlich zahlreiche Hersteller ihre Exoskelette präsentiert. aktiv hat sich die Systeme angesehen.

Video: aktiv-Reporterin testet Exoskelette auf der A+A-Messe

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Sekundenschnelle Unterstützung

„Wir unterscheiden zwischen aktiven und passiven Exoskeletten“, erklärt Dr. Urs Schneider, Leiter des Bereichs Medizin- und Bioproduktionstechnik am Fraunhofer IPA in Stuttgart. „Aktive werden elektrisch oder mit Druckluft angetrieben. Passive wirken rein mechanisch. Sie nehmen bei bestimmten Bewegungen Energie auf und geben sie bei der Gegenbewegung, etwa durch Gasdruckfedern, wieder an den Nutzer ab.“

Für Jobs in Industrie und Handwerk sind vor allem die passiven Exoskelette interessant – sie sind leicht und können innerhalb von 60 Sekunden allein anlegt werden. In der Auto-Industrie etwa werden Exoskelette bereits seit Jahren genutzt, aber jetzt erst nehme der Trend Fahrt auf, denkt Schneider: „Immer mehr Hersteller drängen auf den Markt.“ Seine Prognose: Ab 2025 wird der Markt für industriell genutzte Exoskelette richtig groß.

Um herauszufinden, wo Exoskelette sinnvoll unterstützen können, hat Schneiders Forschungsgruppe am Fraunhofer-Institut gemeinsam mit der Universität Stuttgart den sogenannten „Exoworkathlon“ gestartet – eine Langzeitstudie, die den Einsatz der Systeme in standardisierten praxisnahen Parcours testet. „Wir haben Arbeitsschritte untersucht, bei denen keine technischen oder organisatorischen Maßnahmen mehr möglich sind“, so Schneider. In der Studie testen junge Fachkräfte Exoskelette von unterschiedlichen Herstellern. Die Ergebnisse sollen helfen, sinnvolle Einsatzgebiete zu erkennen.

Zielgruppe für Exoskelette sind junge Beschäftigte

Dabei dient der Einsatz von Exoskeletten vor allem der Prävention, wie Schneider klar macht: „Habe ich dadurch mehr Kraft? Nein, habe ich nicht – ich soll ja geschützt werden. Kann mein Mitarbeiter dann mehr arbeiten? Nein, vermutlich nicht. Dafür bleibt er aber gesund.“

Dass vor allem junge Arbeitnehmer an der Studie teilnehmen, ist kein Zufall. „Viele Betriebe berichten: Die Jungen tragen oft die höchste Last. Und das bei einem Körper, der nicht komplett ausgewachsen ist“, sagte Schneider. Eine Überbelastung, die junge Menschen kaum wahrnehmen, denn: „Der Körper kann viele Schäden, die er sich jung holt, lange muskulär kompensieren“, erklärt der Mediziner. Ein Bandscheibenvorfall etwa entsteht oft schon im Alter von 15 bis 25 Jahren. Weh tut’s dann aber erst ab 40.

In Zukunft sollen Exoskelette nicht nur vor einer Ersterkrankung schützen. Sie könnten vielmehr auch Mitarbeitern mit schon bestehenden Beschwerden helfen. Bislang schreckten viele Hersteller davor zurück, um Versicherungsrisiken zu vermeiden. Doch Fraunhofer-Experte Schneider sieht hier einen großen Markt: „Niemand mag Umschulungen! Aus unserer Sicht können Exoskelette dazu beitragen, Mitarbeiter wieder in ihren gelernten Job einzugliedern.“

Auch aus wirtschaftlicher Sicher ist der Einsatz von Exoskeletten vielversprechend. Allein im Jahr 2021 gingen der deutschen Wirtschaft rund 20,5 Milliarden Euro durch Arbeitsausfälle von Mitarbeitern verloren, so eine aktuelle Studie des Bundesarbeitsministeriums. Der Hauptgrund dafür: Muskel-Skelett-Erkrankungen, die oft durch Überbelastungen entstehen. Exoskelette hätten wohl einige dieser Schäden verhindern können.

Nadine Keuthen
aktiv-Redakteurin

Nadine Keuthen stürzt sich bei aktiv gerne auf Themen aus der Welt der Wissenschaft und Forschung. Die Begeisterung dafür haben ihr Masterstudium Technik- und Innovationskommunikation und ihre Zeit beim Kinderradio geweckt. Zuvor wurde sie an der Hochschule Macromedia als Journalistin ausgebildet und arbeitete im Lokalfunk und in der Sportberichterstattung. Sobald die Sonne scheint, ist Nadine mit dem Camper unterwegs und schnürt die Wanderschuhe. 

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