Pioniere haben es nicht immer leicht, vor allem dann, wenn sie außergewöhnliche Ideen umsetzen wollen. Der Berliner Arzt Themistokles Gluck ist ein gutes Beispiel dafür. Im Jahr 1885 operierte er das Kniegelenk einer jungen Patientin, das durch eine Knochentuberkulose zerstört worden war, und ersetzte es durch eine Prothese aus Elfenbein und Nickelstahl. Aber das Glück der Berlinerin währte nicht lange, es kam zu Komplikationen, und Gluck war blamiert.

Sein Hamburger Kollege Hans-Wilhelm Buchholz vom Krankenhaus St. Georg hatte mehr Erfolg, als er rund 80 Jahre später einen ähnlichen Eingriff wagte; er ersetzte 1963 erstmals in Deutschland ein defektes Hüftgelenk durch eine Totalendoprothese und revolutionierte damit die Medizintechnik.

Ein begnadeter Chirurg als Partner

Maßgeblichen Anteil daran hatte der Hamburger Unternehmer Waldemar Link, der 1948 eine Firma für allgemeinen Krankenhausbedarf gegründet hatte. Er war Instrumentenbauer und stellte regelmäßig Sonderinstrumente für Chirurgen her. Damit war er der optimale Partner für den begnadeten Chirurgen Buchholz, der ab Mitte der 60er Jahre unermüdlich neue Ideen für Prothesen für Knie- und Hüftgelenke entwickelte.

Geschäftsführer Peter Willenborg: „Unser Gründer, geboren 1901, war ein echter Unternehmer mit Mut, Weitblick und Sachverstand. Als er sein Fachgeschäft für Arzt- und Krankenhausbedarf am 1. Januar 1948 eintragen ließ, war der Zweite Weltkrieg gerade zweieinhalb Jahre vorbei, und die Aufräumarbeiten in seiner Heimatstadt Hamburg dauerten immer noch an. Aber das schreckte ihn nicht, er baute seinen Betrieb kontinuierlich aus und nutzte die Möglichkeiten, die sich im medizinischen Bereich boten.“

Weltweit 1.200 Beschäftigte

Heute, 75 Jahre nach der Gründung, ist das Familienunternehmen ein international führender Hersteller von Implantaten für die Gelenkersatzchirurgie und gilt in diesem Segment als Spezialist für individuelle Lösungen und Sonderanfertigungen. Die Waldemar Link GmbH & Co. KG entwickelt, forscht und produziert vorrangig in Deutschland, wo etwa 900 der weltweit 1.200 Beschäftigten ihren Arbeitsplatz haben.

1973 begann die Erschließung des US-Markts, und vor 15 Jahren wurde in China ein Produktionswerk eröffnet. Der frühe Einstieg in Asien hat sich ausgezahlt, mittlerweile ist Link mit seinen Implantaten Marktführer in China. Insgesamt hat das Auslandsgeschäft heute einen Umsatzanteil von rund 80 Prozent.

Qualität ist das entscheidende Kriterium

Geleitet wird das Unternehmen von einem Geschäftsführer-Quartett, zu dem neben Peter Willenborg, Jörg Stüker und Norbert Ostwald auch Helmut D. Link gehört. Der Nachname verrät es, es handelt sich um den Sohn des 1989 verstorbenen Firmengründers.

Sein Credo: „Wir entwickeln, produzieren und vermarkten nur Implantate, die wir uns auch selbst einsetzen lassen würden.“ Das alles entscheidende Kriterium ist die Qualität der Produkte, wie man auch an der personellen Verteilung sehen kann: Rund 450 Beschäftige am Standort Norderstedt arbeiten in der Produktion und mehr als 100 in der Qualitätssicherung.

Einsatz modernster Prüftechnik

„Bei uns wird jedes Teil vor dem Versand mehrfach kontrolliert“, sagt Geschäftsführer Willenborg, der seit 2009 für Link tätig ist. „Schließlich bauen wir keine Ersatzteile für Maschinen, sondern Endoprothesen für Menschen, die zu Recht erwarten, dass unsere Produkte keine Komplikationen verursachen und möglichst lange halten.“

Gewährleistet wird die hohe Qualität unter anderem durch den Einsatz modernster Prüftechnik, durch laborüberwachte Reinigungs- und Desinfektionsstraßen und individuelle Kontrollnummern auf jedem einzelnen Implantat. Außerdem läuft ein Teil der Produktion und der Verpackung in Reinräumen ab, die nur durch spezielle Schleusen und nach einem Kleidungswechsel betreten werden dürfen.

Maximale Zuverlässigkeit

Willenborg: „Die Zuverlässigkeit unserer Produkte ist durch die statistischen Daten in diesem Bereich sehr gut belegt. Es gibt in vielen Ländern Endoprothesen-Register, die jedes implantierte Produkt erfassen. Das beste Register haben nach allgemeiner Einschätzung die Schweden, und dort zählen wir mit unserer Hüft-Totalprothese SPII Modell Lubinus seit Jahren zu den Spitzenreitern.“

In Zahlen: Die „Überlebensrate“ von „SPII Modell Lubinus“ lag in einem Zeitraum von 18 Jahren bei stattlichen 99,1 Prozent. Diese Berechnung basiert auf der Auswertung von mehr als 75.000 Fällen.

Immer mehr Hüftimplantate

Das Datenmaterial der Register ist auch deshalb so umfangreich, weil die Zahl der implantierten Prothesen in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen ist. Beispiel Knie: 2005 weist die bundesdeutsche Statistik noch knapp 130.000 Implantationen von künstlichen Kniegelenken aus. Zehn Jahre später waren es bereits 173.000.

Ähnlich sieht es bei Hüftprothesen aus. 2005 gab es in Deutschland rund 195.000  Implantationen, 2021 waren es fast 235.000. Und auch künstliche Schultergelenke werden immer häufiger eingesetzt, hier gab es 2021 über 24.000 Operationen.

Fertigungsprozesse stetig optimiert

Der hohe Bedarf ist vor allem auf die Alterung der Bevölkerung zurückzuführen. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko degenerativer Gelenkerkrankungen wie Arthrose, die Schmerzen und Bewegungseinschränkungen auslösen können. Auch Hüftfrakturen kommen bei älteren Menschen häufiger vor.

Geschäftsführer Willenborg zeigt auf einen Rollwagen mit Hüftimplantat-Schäften, die neben einer Schleifbandmaschine stehen und auf ihre Weiterbearbeitung warten. „Früher waren solche Endoprothesen wegen der aufwendigen Produktion ziemlich teuer“, sagt er. „So teuer, dass ein deutscher Politiker vor 20 Jahren laut darüber nachdachte, ob der Eingriff bei älteren Patienten noch von den Krankenkassen erstattet werden sollte. Heute sind die Produkte deutlich günstiger geworden, weil die Fertigungsprozesse immer stärker optimiert wurden.“

Eigene Feingießerei in Berlin

Auch die Produktion bei Link wurde in den vergangenen Jahrzehnten stetig modernisiert und ausgebaut. Seit 1997 betreibt das Unternehmen die Feingießerei Vacucast in Berlin, die mit einer prozessgesteuerten Vakuum-Induktions-Schmelz- und Gießanlage arbeitet. Die vertikale Dreikammeranlage ermöglicht vollautomatisches Schmelzen und Gießen im Hochvakuumbereich oder unter Schutzgasatmosphäre.

Hier entstehen die hochwertigen Titan- und Kobalt-Basis-Legierungen, die Link für seine Prothesen braucht. Sie haben nicht nur exzellente physikalische Eigenschaften, sondern auch eine maximale Biokompatibilität, Materialreinheit und Korrosionsbeständigkeit.

Minimale Rauigkeit

Darüber hinaus hat Link innovative Materialien und Oberflächenbeschichtungen entwickelt, denn die Anforderungen an Implantate sind außerordentlich hoch. Willenborg: „Je genauer und glatter die Oberfläche ist, umso weniger Abrieb haben die Gleitflächen der Endoprothese. Das ist ein wichtiges Kriterium für die Lebensdauer.“

So soll etwa der Kopf einer Hüftprothese eine Rautiefe von maximal 0,02 Mikrometern (μm) haben. Zur Verdeutlichung: Ein μm ist ein tausendstel Millimeter, und ein Frauenhaar hat einen Durchmesser von 40 bis 100 μm.

3-D-Drucker im Einsatz

In anderen Bereichen der Prothesenfertigung ist eine leichte Rauigkeit durchaus erwünscht, um einen stabilen Sitz im Knochen zu gewährleisten. Willenborg greift nach dem Schaft einer Knieprothese, die auf einem Tisch in der Qualitätskontrolle liegt. Das Teil hat eine leicht körnige Oberfläche, die an feines Schleifpapier erinnert.

„Mit der additiven Fertigung können wir innovative Oberflächen für Implantate erstellen“, sagt Willenborg. „Der Schaft kommt aus einem unserer 3-D-Drucker, mit denen wir maßgefertigte Prothesen in allen Varianten, Größen und Formen herstellen können. Mittlerweile entsteht ein großer Teil der rund 170.000 Prothesen, die wir pro Jahr ausliefern, auf diesen Maschinen.“

Große Inhouse-Fertigungstiefe

Ein weiterer Vorteil dieses Verfahrens ist die kurze Lieferzeit für Individualanfertigungen durch die große Inhouse-Fertigungstiefe. Meist liefert Link die bestellten Sonderanfertigungen schon vier Wochen nach der digitalen Aufbereitung der Daten und der Zusage des Arztes. Die marktübliche Lieferzeit beträgt sechs bis neun Wochen.

Innovativ ist Link auch bei der Organisation seiner Arbeitsabläufe, beispielsweise im Bereich Reinigung und Verpackung. Hier gab es früher regelmäßig Debatten über das Schichtsystem, da die Schichten oft mit dem Privatleben der 80 Mitarbeiter kollidierten. Mithilfe eines Beraters von Nordmetall wurde das Problem angegangen und gelöst.

Neues Schichtsystem

Helge Dewenter, der die Abteilung seit Anfang 2020 leitet, erzählt: „Wir sind die Sache strukturiert angegangen und haben alle Beteiligten ins Boot geholt, auch den Betriebsrat und die Personalabteilung. Dann wurde eine Online-Befragung durchgeführt, um zu klären, wo die Probleme im Detail liegen.“

Dabei zeigte sich: Viele Beschäftigte hatten klare Präferenzen. Die „Morgenmenschen“ wollten lieber in der Frühschicht arbeiten und die „Nachteulen“ eher in der Spätschicht. Also wurde ein „Wünsch dir was“-System entwickelt, bei dem die Beschäftigten jeweils im Herbst eintragen können, welche Schicht sie im nächsten Jahr bevorzugen. Auf dieser Basis wird dann ein verbindlicher Plan erstellt. Kleine Änderung, große Wirkung

Und siehe da: Das neue System kam prima an. Abteilungsleiter Dewenter: „Wir waren offen gestanden selbst überrascht, wie gut das Modell funktioniert. Natürlich gibt es auch mal kurzfristigen Änderungsbedarf, aber im Großen und Ganzen hat sich die Änderung bewährt. Und die Zufriedenheit der Mitarbeiter hat erheblich zugenommen. Ein großartiges Ergebnis.“

Hinweis: Am Samstag, den 7. Oktober 2023, öffnet das Unternehmen seine Tore und lädt zu einem Bewerbertag ein. Die Veranstaltung beginnt um 9.00 Uhr und endet um 14.00 Uhr. Die Adresse: Oststraße 4-10, 22844 Norderstedt. Es gibt spannende Führungen durch die Fertigung und Einblicke in den Berufsalltag. Interessenten können entweder spontan vorbeikommen oder vorab ein Bewerbungsgespräch unter moinundjoin.de vereinbaren. Wer Fragen dazu hat, kann sich an die Mailadresse jobs@link-ortho.com wenden. Weitere Infos zum Unternehmen finden sich auf der Website link-ortho.com/de.

75 Jahre Waldemar Link

  • Anfang 1948 gründet Waldemar Link das Unternehmen als Fachgeschäft für Krankenhausbedarf an der Steilshooper Straße in Barmbek. In Zusammenarbeit mit Ärzten werden chirurgische Instrumente entwickelt.
  • Premiere im Jahr 1963: Die Firma präsentiert die erste deutsche totale Hüftgelenkprothese, die mit dem Hamburger Professor Hans Wilhelm Buchholz, dem Chefarzt im Krankenhaus St. Georg, konzipiert wurde.
  • In den 70er Jahren beginnt Link mit der Erschließung des amerikanischen Markts und eröffnet das Werk in Norderstedt.
  • Seit 1997 betreibt die Firma die Vacucast Feingießerei in Berlin und hat damit die gesamte Produktionskette in eigener Hand.
  • Im Jahr 2008 eröffnet Link ein Werk unter deutscher Leitung in China, um den steigenden Bedarf in Asien zu decken.
  • Seit 1973 liegt der Firmensitz am Barkhausenweg im Hamburger Stadtteil Hummelsbüttel. Hier arbeiten etwa 100 Beschäftigte.
  • 2023 wird Waldemar Link 75 Jahre alt. Das Unternehmen beschäftigt mittlerweile rund 1.200 Mitarbeiter weltweit, etwa 900 davon Deutschland. Im Schnitt werden mehr als 170.000 Endoprothesen pro Jahr ausgeliefert, viele davon entstehen im 3-D-Druckverfahren. Der Jahresumsatz liegt bei 200 Millionen Euro.
Clemens von Frentz
Leiter aktiv-Redaktion Nord

Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht für das Magazin „aktiv im Norden“ in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.

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