Stuttgart. In den Betrieben fehlen jetzt wieder viele Kollegen. Urlaub! Der Anspruch auf Urlaub ist in der Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs ja auch relativ hoch. In den tarifgebundenen Unternehmen etwa dürfen Arbeitnehmer sechs Wochen im Jahr abschalten. aktiv fragte den Vorsitzenden des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, Dr. Joachim Schulz, was er vom Urlaub hält.
Herr Schulz, ist der Erholungsurlaub Arbeitgebern ein Dorn im Auge?
Gar nicht, denn Arbeitgeber haben ein großes Interesse daran, dass die Mitarbeiter ihre Arbeitskraft erhalten und sich nicht im Job aufreiben. Dafür hat der Urlaub eine wichtige Funktion! Abstand nehmen vom Alltagsstress, den Sommer genießen, von der Schichtarbeit runterkommen und einen ganzen Tagesrhythmus mit der Familie haben …
Hinter uns liegt eine Zeit der Krisen – haben sich die Beschäftigten in diesem Jahr ihren Urlaub besonders verdient?
Absolut. Erst hat Corona an unseren Kräften gezehrt, dann kam Russlands Krieg gegen die Ukraine. Auf uns alle kamen ja plötzlich völlig neue, auch psychologische Belastungen zu. Während der Pandemie waren viele abgeschottet, mussten im Job flexibler sein und oft nebenbei ihre Kinder betreuen. Mit dem Krieg kam die Inflation. Dazu Materialmangel und Lieferengpässe …
Können Sie beschreiben, warum das Beschäftigte besonders stresst?
Allein schon genügend Material herzubekommen, hat viele sehr belastet. Zum Beispiel Mikrochips. Was da auf einmal für ein Aufwand betrieben werden musste, sie zu beschaffen! Wenn man Aufträge hat, sie aber nicht abarbeiten kann, kann das sehr frustrieren. Dann das Auf und Ab und die Unsicherheit: Mal gab es Arbeit ohne Ende, dann wurden die Leute plötzlich heimgeschickt.
Welche Rolle spielen denn die Belegschaften für die Krisenresistenz eines Unternehmens?
Eine sehr zentrale Rolle. Das Management kann vieles organisieren, um gegen eine Krise anzusteuern – aber die Belegschaften setzen es um. Ohne die Flexibilität der Mitarbeiter und ihre Einsatzbereitschaft stünde unsere Branche schlecht da. Diese Solidarität hat mich in den letzten Jahren sehr beeindruckt.
Ist Solidarität in der Branche besonders stark ausgeprägt?
Man spürt eine sehr hohe Identifikation der Mitarbeitenden mit Betrieben und Unternehmern. Wir sind eben stark vom Mittelstand geprägt, in dem Unternehmer sich enorm für ihre Betriebe und Beschäftigten einsetzen. Das spüren die Leute natürlich und geben es zurück. Außerdem haben wir in Deutschland ein Betriebsverfassungsgesetz und in vielen Großunternehmen Mitbestimmung und paritätisch besetzte Gremien. Unser Verhältnis zum Sozialpartner IG Metall ist von gemeinsamer Verantwortung geprägt. Schon in früheren Krisen haben wir der Welt gezeigt, wie man mit Flexibilität gegensteuern kann – etwa mit Arbeitszeitkonten.
Wann ist die Krise eigentlich vorbei?
Wenn man sich anschaut, was Ökonomen sagen, geht’s spätestens 2024 bergauf. Unsere Branche hat gute Voraussetzungen, stark zu bleiben. Schauen Sie sich nur das Geflecht an Spitzenunternehmen an, an technischen Fähigkeiten und das Ausbildungsniveau …
Darf ich fragen, wie Sie sich erholen?
Ich befinde mich in der Übergangsphase zur Rente, arbeite nicht mehr voll. Da braucht man nicht mehr den klassischen Jahresurlaub. Aber demnächst verbringe ich mit meiner Frau ein verlängertes Wochenende in Wales.
Im Herzen Ingenieur
- Dr. Joachim Schulz wurde 1956 in Wuppertal-Elberfeld geboren und absolvierte in Aachen ein Maschinenbau-Studium mit Fachrichtung Luft- und Raumfahrt.
- 1988 startete er beim Tuttlinger Medizintechnik-Unternehmen Aesculap als Assistent des Vorstands im Ressort „Produktion und Technik“. Bis 2022 war er dort Vorstandsvorsitzender, außerdem Vorstandsmitglied beim Mutterkonzern B. Braun Melsungen AG.
- Bei Südwestmetall fing er 2009 als Vorsitzender der Bezirksgruppe Schwarzwald-Hegau und im Vorstand an. Seit Mai 2022 steht er an der Spitze des gesamten Verbands.
Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.
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