Stuttgart. Das kann die Beschäftigten freuen: 2023 gibt es auch wieder einige Feiertage unter der Woche, mit wenigen Brückentagen lässt sich da zusätzlicher Freiraum für Persönliches schaffen. Auch über den Sommerurlaub denken jetzt schon viele nach. Aber welche Regeln gelten da eigentlich – kommt einfach immer der zum Zuge, der sich als Erstes meldet? aktiv hat darüber mit Philipp Merkel gesprochen. Er ist Leiter des Referats Arbeitsrecht beim Arbeitgeberverband Südwestmetall.

Welchen Rechtsanspruch haben Mitarbeiter in Sachen Urlaub?

Das richtet sich zunächst nach dem Bundesurlaubsgesetz. Dieses gibt allen Arbeitnehmern, die in einer Fünf-Tage-Woche arbeiten, jedes Jahr einen Anspruch auf 20 Arbeitstage bezahlten Urlaub. Pauschal gesagt beträgt der gesetzliche Urlaubsanspruch damit vier Wochen im Jahr.

Schwerbehinderte Beschäftigte haben zudem einen Anspruch auf einen Zusatzurlaub von fünf Tagen im Kalenderjahr. Das gilt allerdings nicht für Beschäftigte, die schwerbehinderten „nur“ gleichgestellt sind. In Tarifverträgen oder auch in Arbeitsverträgen kann auch mehr Urlaub vereinbart werden, also zum Beispiel 30 Tage beziehungsweise sechs Wochen im Jahr.

In vielen Fällen stehen ja schon längst 30 Tage im Tarifvertrag, etwa in der Metall- und Elektro- oder der Chemie-Industrie. Gibt es denn auch einen Anspruch auf ganz bestimmte Urlaubszeiten?

Der allgemeine Grundsatz lautet: Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Wünsche der Beschäftigten zu berücksichtigen. Das geht aber natürlich nur so lange, wie den Wünschen nicht dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Beschäftigter entgegenstehen, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang haben.

Der Betrieb muss also abwägen … Da fallen einem sofort die Eltern von schulpflichtigen Kindern ein: Haben die beim Urlaubsantrag automatisch Vorrang für die Schulferien?

Nein, so einen „automatischen“ Vorrang haben Eltern mit schulpflichtigen Kindern nicht. Zunächst stellt sich immer die Frage, ob dem Urlaubswunsch des Beschäftigten dringende betriebliche Belange entgegenstehen. Sollte dies der Fall sein, kommt es auf soziale Gesichtspunkte nicht weiter an.

Wollen mehrere Beschäftigte zur gleichen Zeit Urlaub nehmen, kommt es auf eine Abwägung der sozialen Umstände dieser Beschäftigten an. Typische soziale Gesichtspunkte im Sinne des Bundesurlaubsgesetzes sind Ferienzeiten schulpflichtiger Kinder oder eingeschränkte Urlaubsmöglichkeiten von Ehepartnern, zum Beispiel wenn diese selbst als Lehrkraft arbeiten oder sich nach Betriebsferien richten müssen. Es können aber zum Beispiel auch das Alter oder die Betriebszugehörigkeit eine Rolle spielen und somit bei den Urlaubswünschen zu berücksichtigen sein. Hier findet sich in der betrieblichen Praxis aber regelmäßig eine Lösung: im Dialog mit den betroffenen Beschäftigten.

Wie entscheidet man einen Streit um die Urlaubszeit? Gilt da etwa: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst?

Nein, es kommt auf die geschilderte Abwägung an. Aber dafür muss der Arbeitgeber die Urlaubswünsche der Beschäftigten kennen. Das heißt: Zum einen sollten sich die Beschäftigten bereits innerhalb der Abteilung absprechen, wer wann Urlaub plant. Und zum anderen sollte der Arbeitgeber die Beschäftigten auffordern, ihre Urlaubswünsche zu äußern. Äußert sich jemand auch nach so einer Aufforderung nicht zu seinen Urlaubswünschen, dann würden die Wünsche der Beschäftigten bevorzugt behandelt, die sich früher geäußert haben.

So oder so gilt: Sollte es in Gesprächen mit den betroffenen Beschäftigten nicht zu einer Einigung kommen, so hat der Arbeitgeber eine Entscheidung zu treffen, welchen Urlaubsanträgen er stattgibt. Gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Wie früh muss man sich festlegen? Kann die Firma bestimmen, dass man bis zum Tag X seine Urlaubsanträge komplett eingereicht haben muss?

Hat der Arbeitgeber einen bestimmten Tag als Deadline für Urlaubsanträge gesetzt, so ist davon auszugehen, dass bis zu diesem Tag eingereichte Urlaubsanträge bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs berücksichtigt werden. Verspätet eingereichte Urlaubsanträge würden dann womöglich für den gewünschten Zeitraum keine Berücksichtigung mehr finden.

Der Arbeitgeber ist zudem verpflichtet, die Beschäftigten aufzufordern, ihren Urlaub zu nehmen. Beantragt jemand trotz dieser Aufforderung den Urlaub nicht, läuft sie oder er Gefahr, dass der Urlaub am Ende des Kalenderjahres verfällt.

Gibt es eine Urlaubspflicht? Muss ich mich an Betriebsferien halten, auch wenn ich in dieser Zeit lieber arbeiten würde?

Ja, wenn die Betriebsferien wirksam eingeführt wurden (es besteht hier ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats): Dann handelt es sich um einen „betrieblichen Belang“, der anderen Urlaubswünschen entgegenstehen kann.

Könnte ich den ganzen Jahresurlaub gebündelt nehmen, weil ich zum Beispiel eine Weltreise plane? Sind mehr als zwei bis drei Wochen am Stück generell in Ordnung?

Das Gesetz geht von einer zusammenhängenden Gewährung des Urlaubs aus, sodass eine Bündelung des Urlaubs im Grundsatz möglich wäre. Allerdings gilt auch hier wieder die Einschränkung, dass keine dringenden betrieblichen Gründe entgegenstehen dürfen. Jedenfalls muss eine Urlaubszeit von zwei zusammenhängenden Wochen gewährt werden.

Könnte man den Urlaub „ansparen“ und erst im Folgejahr nehmen?

Nein, so etwas entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers. Das Gesetz und auch die Rechtsprechung gehen von einer Urlaubsnahme im aktuellen Kalenderjahr aus. Nur in Ausnahmefällen, etwa bei Krankheit, wird der Urlaubsanspruch in das nächste Kalenderjahr kraft Gesetzes übertragen.

Viele Urlaubstage – und viel unterwegs

  • Mit (meistens) 30 Tagen bezahltem Urlaub und neun bundesweiten Feiertagen geht es den Deutschen und den Dänen europaweit am besten, so eine Statistik der EU-Stiftung Eurofound aus dem Jahr 2020.
  • Im bundesweiten Vergleich gibt’s in Baden-Württemberg und in Bayern mit zwölf gesetzlichen Feiertagen am häufigsten frei. Bundesweit einheitlich sind nur neun Feiertage geregelt. In der Vergangenheit gab es immer wieder Diskussionen über die unterschiedliche Anzahl der gesetzlichen Feiertage in den Bundesländern. Einige Bundesländer wie Hamburg, Bremen und Niedersachsen haben daher den Reformationstag (31.10.) als zusätzlichen Feiertag eingeführt. In Berlin ist der Weltfrauentag (8.03.) seit 2019 ein gesetzlicher Feiertag. Das Bundesland Thüringen hat im gleichen Jahr den Weltkindertag (20.9.) als Feiertag eingeführt.
  • 53 Millionen Bundesbürger sind 2022 mindestens einmal für mindestens fünf Tage verreist. Das Jahr 2022 war laut Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen bei den Reiseausgaben ein Rekordjahr: Das Volumen der Ausgaben lag insgesamt bei 78,6 Milliarden Euro.
Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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