Köln. Ein 8.800 Meter hoher Geldstapel: 1,9 Billionen Dollar, in 20-Dollar-Noten aufeinandergelegt, wären so hoch wie der Mount Everest. Diese gigantische Summe pumpt US-Präsident Joe Biden in den kommenden Monaten mit Hochdruck in die Wirtschaft seines Landes. Das größte Konjunkturprogramm aller Zeiten wird sich weltweit auswirken.
„Wenn die US-Ökonomie einen positiven konjunkturellen Impuls in dieser beachtlichen Höhe bekommt, wird sie auch mehr Importgüter nachfragen“, sagt Professorin Galina Kolev vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Für Deutschland sind die USA der wichtigste Exportmarkt: Fast 9 Prozent unserer Warenausfuhren gehen dorthin – vor allem Autos und Maschinen für die Industrieproduktion.
Jobs für Amerikaner sind Bidens wesentliches Ziel
Steht Deutschland jetzt also vor einem neuen Aufschwung, made in USA? Nun ja. „Man muss bedenken, dass sich die US-Wirtschaft im Vergleich zu anderen Staaten bereits in den vergangenen Monaten relativ gut entwickelt hat“, dämpft die Wirtschaftswissenschaftlerin allzu große Erwartungen, „so viel Potenzial für weitere Steigerungen ist also nicht mehr drin.“ Zudem bevorzugt die US-Regierung bei öffentlichen Aufträgen, etwa für die Verbesserung der Infrastruktur, heimische Unternehmen, die vor Ort Arbeitsplätze schaffen. Denn Jobs für die Amerikaner sind ein wesentliches Ziel in der Erholungsphase. Von dieser Strategie profitieren freilich auch die amerikanischen Standorte deutscher Hersteller.
In Deutschland dagegen dürfte sich das Programm eher indirekt auswirken, erwartet Kolev: „Bekommt zum Beispiel ein US-Maschinenbau-Unternehmen einen Regierungsauftrag, dann vergrößert sich dadurch die Nachfrage auf dem gesamten Markt für Maschinen.“ Davon profitieren auch die deutschen Exporteure.
Und die IW-Forscherin nennt einen weiteren Effekt: „Wenn ein US-Unternehmen im staatlichen Auftrag ein Infrastrukturprojekt umsetzt, etwa den Ausbau intelligenter Stromnetze, braucht es dafür die entsprechenden Maschinen. Die kommen oft aus Deutschland: Unser exportorientierter Maschinen- und Anlagenbau hat also gute Karten.“
Doch was passiert, wenn Biden sich verzockt hat – und die US-Wirtschaft sich durch die riesige Geldspritze überhitzt? „Ganz ausgeschlossen ist das nicht. Aktuell gibt es jedoch keine Anzeichen einer Überhitzung“, so Kolev.
Systemwettstreit mit dem autoritären China
Zwar werde die Inflationsrate – in den USA und in Europa – in diesem Jahr etwas höher liegen als 2020. „Das ist aber bei Weitem noch kein Grund zur Sorge, denn die Preissteigerung ist vornehmlich auf Einmal- effekte wie den höheren Ölpreis zurückzuführen.“ Zudem habe die US-Notenbank bisher nicht erkennen lassen, dass sie bald die Zinsen anheben will.
Mehr Power für Amerika: Stärkt das den demokratischen Westen im Systemwettstreit mit dem autoritären China? Ausschlaggebend sei da nicht das Konjunkturprogramm, sondern schon der Wechsel von Trump zu Biden, sagt Kolev. „Die freiheitlich und marktwirtschaftlich orientierten Länder arbeiten wieder stärker zusammen. Gemeinsam müssen sie eine neue Welthandelsordnung entwickeln, um Druck auf autoritäre Staaten ausüben zu können.“
Thomas Goldau schreibt bei aktiv vor allem über Wirtschafts- und Politikthemen. Nach dem Politikstudium an der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg und einem Zeitungsvolontariat beim „Offenburger Tageblatt“ hat er bei Tageszeitungen und einem Wirtschaftsmagazin über den Politikbetrieb in Bonn, Berlin und Brüssel berichtet. Privat zieht es den Familienvater regelmäßig mit dem Wohnmobil in die Ferne.
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