Jan Dierks rollt den Pizzateig aus, schichtet Paprika, Pilze, Schinken und Käse auf das Tomatenpüree. Noch ein bisschen Salz und Oregano – fertig! Dann schiebt er das Blech in den Backofen. Auf dem Display erscheint ein Foto des Gerichts: Der Backofen hat selbstständig die Pizza identifiziert. Jetzt muss Dierks nur noch „Ok“ drücken.

Käse schmilzt, es duftet appetitlich. Währenddessen erklärt Dierks dem aktiv-Team, wie das smarte Backen funktioniert. Am Bräunungsgrad erkennt das Gerät, wann die Pizza kross geworden ist und schaltet sich automatisch ab. Die Pizza ist noch zu hell? Kein Problem, man kann noch einige Minuten nachbacken. Keine Zeit, die Pizza sofort herauszunehmen? Der Ofen bläst heiße Luft heraus, damit nichts anbrennt oder vertrocknet. Anschließend hält er die Pizza warm.

„Es macht mir Spaß, Dinge zu tun, die noch keiner gemacht hat“

Pizzabäcker Dierks ist von Haus aus Informatiker und Experte für die Anwendungen künstlicher Intelligenz (KI) bei Miele. Er kocht und backt im Smarthome-Labor des Weltmarktführers für Premium-Hausgeräte am Stammsitz Gütersloh. Es hilft schon, dass der 37-Jährige auch zu Hause gern am Herd steht und überhaupt gutes Essen schätzt. Sein Job ist vor allem aber: die Datenmengen zu verwerten, die die vernetzten Miele-Geräte auf die Firmenserver senden. Diese Daten sind Grundlage für immer weitere smarte Dienstleistungen.

Das Backen mit KI-Unterstützung heißt „Smart Food ID“. Im Inneren der Backöfen der oberen Preisklasse ist eine Kamera eingebaut. „Sie schickt das Bild an die Cloud. Eine vorher antrainierte KI erkennt, dass es eine Pizza ist und startet das passende Programm“, erklärt Dierks. Die 30 gängigsten Gerichte kennt sie schon, es werden immer mehr.

Kamera und KI untersuchen das Backgut

Die Smart Food ID kann Brötchen und Croissants aufbacken, Ofengemüse garen, Pommes, Fischstäbchen, Chickenwings und Kartoffelspalten braten. Auch Plätzchen oder Streuselkuchen schafft sie auf den Punkt. Dafür vergleicht die KI das Ausgangsfoto mit dem Zielbild oder arbeitet, je nach Rezept, mit einer festgelegten Zeit beziehungsweise dem gewünschten Bräunungsgrad. „Das ist so einfach, dass es auch meine zweijährige Tochter hinbekommt“, sagt Dierks.

„Wir arbeiten eng mit der Forschung und Entwicklung und mit der Produktion zusammen, die die Hardware baut“, erklärt der Informatiker, der 2020 von BMW zu Miele wechselte.

Die Entscheidung, eine Kamera in den Backofen zu integrieren, wurde lange vor dem KI-Einsatz getroffen. „Ursprünglich war sie dafür gedacht, vom Sofa aus per Handy nachschauen zu können, wie weit das Essen im Ofen ist“, so der KI-Experte. Dann stellte sich die Frage: Was können wir noch damit machen? „Zunächst bereiteten wir in der Testküche Gerichte zu und schossen Fotos davon. Wir haben mit einigen beliebten Rezepten angefangen und nutzten auch die Kochexpertise unserer Kollegen vom Standort Oelde, wo die Öfen produziert werden. Sie wissen am besten, wie man damit perfekt gart.“

Von der Testküche in die Privathaushalte

Dann wurden Kunden gefragt, ob ihre anonymisierten Daten genuzt werden dürfen, um die Anwendung mit realen Bildern zu füttern. „Über 90 Prozent stimmten zu“, so Dierks. Seitdem weiß Miele: „Jedes achte Gericht ist eine Pizza“. Im Advent sind Plätzchen der Renner.

Die KI erkennt, ob Lebensmittel frisch oder tiefgekühlt, selbst geschnippelt oder fertig gekauft sind und passt die Garzeiten an. „Die KI-Unterstützung ist eine Erleichterung im Alltag“, sagt Dierks. Alle Funktionen gehen auch ohne KI. Es sei wie mit Assistenzsystemen im Auto: „Erst denkt man: Nett, fahren kann ich aber selbst. Dann möchte man sie nicht mehr missen.“

Smart Food ID als Teil der KundenApp ist hierzulande seit letztem Sommer verfügbar. Miele will die Anwendung in 50 Ländern ausrollen. Deshalb gehören Regionalgerichte wie englische Pies dazu.

Die Miele-App hat weitere Tricks auf der Pfanne. „CookAssist“ leitet zum Beispiel Schritt für Schritt beim Zubereiten des perfekten Steaks an. Mithilfe von Sensoren im Induktionskochfeld erkennt der Algorithmus, wann die richtige Anbrat-Temperatur erreicht ist und schickt einen Hinweis aufs Handy: Das Fleisch reinlegen! Soundso lange scharf anbraten, wenden, noch soundso viele Minuten auf dieser Seite …

In Vorbereitung ist „Meal Sync“. Diese digitale Anwendung synchronisiert die Kochzeiten aller Zutaten und startet die Geräte zeitversetzt, damit das Menü wohltemperiert auf den Tisch kommt.

„Die digitalen Services werden gut angenommen“, berichtet Dierks. Zu Hause hat er ein smartes Testgerät. „Da kann ich, wenn ich mit den Kindern im Garten spiele, trotzdem sicher sein, dass in der Küche nichts anbrennt.“

Nachgefragt

Herr Dierks, wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Ich habe Informatikkaufmann gelernt und hatte schon immer eine große Vorliebe für IT. Ich bin auch ein Fan der Miele-Features.

Was reizt Sie am meisten?

Das Neue. Es macht mir Spaß, Dinge zu tun, die noch keiner gemacht hat. Im KI-Bereich tut sich gerade unglaublich viel.

Worauf kommt es an?

Auf Neugier und den Willen, komplexe Zusammenhänge zu verstehen und dabei den Kunden im Blick zu behalten. Wir machen das alles ja nicht rein wegen der Technik.

Das Unternehmen

Miele ist Marktführer bei den Premium-Hausgeräten für Kochen, Waschen, Geschirrspülen, die Bodenpflege und die Kaffeezubereitung. Hinzu kommen Geschirrspüler, Waschmaschinen und Trockner für den gewerblichen Einsatz sowie Medizintechnik zum Reinigen und Desinfizieren.

Das Familienunternehmen wurde 1899 gegründet. Es hat acht Produktionsstandorte in Deutschland und weitere sieben weltweit. Insgesamt werden rund 23.000 Menschen beschäftigt. Der Umsatz betrug 2022 rund 5,4 Milliarden Euro.

Matilda Jordanova-Duda
Autorin

Matilda Jordanova-Duda schreibt für aktiv Betriebsreportagen und Mitarbeiterporträts. Ihre Lieblingsthemen sind Innovationen und die Energiewende. Sie hat Journalismus studiert und arbeitet als freie Autorin für mehrere Print- und Online-Medien, war auch schon beim Radio. Privat findet man sie beim Lesen, Stricken oder Heilkräuter-Sammeln.

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