München. Jedes zehnte Unternehmen will dieses Jahr in künstliche Intelligenz (KI) investieren, so eine Befragung des Branchenverbands Bitkom. Diese Zukunftstechnologie ist mehr als eine nette Spielerei für Nerds. Im Gegenteil, KI hat das Zeug, unsere Arbeit gründlich umzukrempeln, auch vieles zu erleichtern. Jetzt entscheidet sich, wer dabei ist. Vom Produktdesign bis zur Qualitätssicherung, vom Optimieren von Anlagen bis zur Logistik gibt es viele Einsatzmöglichkeiten.

Unternehmen in Bayerns Metall- und Elektro-Industrie (M+E) setzen bereits an vielen Stellen auf die intelligente Nutzung von Daten. Der Zukunftsrat der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) sieht darin eine Schlüsseltechnologie, die große Chancen für Wirtschaft und Gesellschaft bringt.

<<Entwirf bitte ein cooles Design für eine neue Autofelge>>

Mit KI kommt man auf clevere Ideen, etwa beim Design von Felgen. Im Design-Studio vom Automobilhersteller Audi in Ingolstadt entstehen mit der selbst entwickelten Software „FelGAN“ neue Räder. Der Begriff setzt sich zusammen aus Fel(ge) und GAN, das steht für „Generative adversarial networks“ (deutsch: gegnerische Netzwerke, die etwas Neues erschaffen). Darunter versteht man spezielle selbst lernende Computerprogramme, bei denen zwei Algorithmen im Wettstreit gegeneinander antreten und sich dabei stetig verbessern.

Das Programm erlaubt kühne Entwürfe, bringt noch mehr Tempo in die Entwicklung. Farbe, Formen, Oberfläche lassen sich beliebig kombinieren. Die Designer können von der KI Felgen kreieren lassen und die Software zudem mit eigenen Entwürfen füttern. Beim Verfeinern braucht es allerdings immer noch den kreativen Blick des Menschen. Erst dann wird mittels Hightech-Fräse der Prototyp aus Kunststoff oder Aluminium hergestellt. Zuckerl obendrauf: Die künstliche Intelligenz berechnet zu jeder Felge die CO2-Bilanz.

„Daten bringen einen enormen Mehrwert für Unternehmen und Mitarbeitende“, ist Thomas Knispel, der Leiter des Bereichs Machine Learning & Data Science, überzeugt. Der Algorithmus könnte bald auch andere Abteilungen von Audi inspirieren.

<<Sag mir, ob der Fußgänger da vorn gleich auf die Fahrbahn läuft>>

Sitzen die Schutzkappen richtig, ist alles korrekt verkabelt? Die monotonen Prüfaufgaben übernimmt bei dem Zulieferer ZF bald der „Smart Camera Bot“. Das Unternehmen entwickelt das Roboterauge in seinem Labor für künstliche Intelligenz (AI Lab). „Eine eintönige Arbeit, die dennoch immer volle Aufmerksamkeit erfordert, ist ein Konzentrationskiller“, sagt Tobias Masiak, Projektleiter im ZF-Zukunftslabor. Ein digitales Gehirn sei dem menschlichen Denken da überlegen und könne Kollegen entlasten. Der Prototyp besteht aus einer Plattform zum Manövrieren, Gelenkarm mit Kamera und leistungsfähigen Algorithmen. Mit virtuellen Programmen trainiert er, wie er an die Montagelinie heranfährt, um das Getriebe von allen Seiten zu begutachten.

Zur Vorhersage kritischer Verkehrssituationen ist KI ebenso von Nutzen, das ist wichtig beim automatisierten Fahren. KI hilft, das Verhalten der Verkehrsteilnehmer einzuschätzen – für mehr Sicherheit im Straßenverkehr. ZF forscht mit mehreren Partnern und gefördert durch Bundesmittel. Der Algorithmus errechnet Wahrscheinlichkeiten: Läuft der vom Smartphone abgelenkte Fußgänger auf die Fahrbahn? Weicht der Radfahrer aus? Dieser „Blick in die Zukunft“ reicht, um das Fahrzeug abzubremsen.

<<Plane, wann der beste Zeitpunkt zur Wartung der Turbine ist>>

Der Triebwerkhersteller MTU Aero Engines in München arbeitet mit KI in der Simulation. Er forscht an einem neuartigen Deep-Learning-System zur Strömungsfeldvorhersage an Schaufeln von Flugzeugtriebwerksturbinen und -verdichtern. „Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass das Modell bei bestimmten Konfigurationen bemerkenswert gut funktioniert“, so das Unternehmen. In der Bilderkennung erkundet MTU zudem, was die Technologie im 3-D-Druck vermag. Es geht dabei um die Begutachtung von Mikrostrukturen beim sogenannten Pulverbettschmelzen von Metallen.

Im Service plant „Cortex“, eine Software für Flottenmanagement, die Instandhaltung von Triebwerken. Sie kalkuliert etwa die Arbeitszeit und senkt so Instandhaltungs- und Betriebskosten der Fluggesellschaften. Auch die Entwicklung will man mit Algorithmen revolutionieren. Braucht eine Ingenieurin oder ein Ingenieur Informationen zu einem bestimmten Material einer Turbinenschaufel, heißt es bisher Dutzende Dokumente wälzen. Was wäre, wenn alles bereits vorsortiert auf dem Schreibtisch landet? Der Hersteller arbeitet dazu an einem KI-Programm, das Dokumente klassifiziert. Es wird mit technischen Texten trainiert und könnte künftig überall dort angewendet werden, wo viele Dokumente anfallen.

<<Finde heraus, wo der Fehler an der Fräsmaschine steckt>>

Eine Fülle von KI-Projekten hat der Technologiekonzern Siemens zu bieten. Er entwickelt sowohl Anwendungen für Kunden als auch zur Fertigung in eigenen Fabriken. Sensoren erfassen dort Daten wie Druck, Temperatur oder Schwingung von Maschinen. Um Erkenntnisse daraus zu ziehen, brauchte es bisher menschliches Expertenwissen. Analysetechnik mit KI kann sich das Know-how antrainieren, um Daten zu analysieren und darin Muster zu erkennen. So lassen sich Fehler schneller finden und das nächste Mal vermeiden.

Für den Bahnverkehr, klimafreundliche Gebäude und die Infrastruktur bietet Siemens weitere Anwendungen mit KI. Für einen britischen Wasserversorger wurde ein System entwickelt, das Verstopfungen im Kanalsystem aufspürt. Es ermittelt, wann und wo etwas überzulaufen droht. Das schützt umliegende Flüsse und Wiesen.

Das Projekt „safe.trAIn“ wiederum schafft die Grundlage für KI im fahrerlosen Schienenverkehr. In der U-Bahn funktioniert es bereits. Für Regionalzüge ist die Steuerung schwieriger umzusetzen, weil sie auf offener Strecke operieren, wo es mehr Hindernisse gibt.

Nicht zuletzt spart KI auch Energie. „Building X“, ein weiteres Programm von Siemens, führt allerhand Daten aus dem Gebäudebetrieb zusammen. Das hilft, Verbrauch, Kosten sowie den CO2-Ausstoß zu senken.

Friederike Storz
aktiv-Redakteurin

Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.

Alle Beiträge der Autorin