Mit robuster, leistungsstarker Antriebstechnik, die selbst unter rauen Einsatzbedingungen perfekt funktioniert, ist Johannes Hübner in Gießen ein wichtiger Zulieferer für die Schwerindustrie. Neben diesem Kerngeschäft geht das Unternehmen ungewöhnliche Wege, um völlig neue Produkte und Märkte zu erschließen. aktiv sprach mit Geschäftsführer Oliver Rüspeler über bewegte Maschinen und bewegte Zeiten.

Was ist denn das Besondere am Unternehmen Johannes Hübner?

Dank über 70 Jahren Entwicklungs-Know-how im Bereich Motoren, Generatoren und Drehgeber setzen wir weltweit Maßstäbe in der Drehgeber- und Antriebstechnik für die Schwerindustrie, darunter auch die Stahl- und Walzindustrie. Mit unseren Geräten inklusive Software lassen sich auch gigantische Container schnell und dennoch sicher verladen, weil intelligente Sensoren Drehzahlen und Positionen und damit jede Bewegung überwachen. Wir sind führend in der Branche und haben 2023 mit unseren 120 Beschäftigten einen Jahresumsatz von rund 21 Millionen Euro erzielt.

Wie wichtig ist für Sie der Export?

Ohne Export könnten wir aufhören. Etwa 85 Prozent unseres Umsatzes erzielen wir im Ausland. Das heißt: Die ganze Welt ist unser Markt und entsprechend sind wir mit mehr als 50 Vertretungen rund um den Globus unterwegs. 2010 haben wir unsere erste Niederlassung in den USA gegründet. 2021 ging dann ein junger Mitarbeiter von uns gemeinsam mit seiner Frau in diese Niederlassung, um unser US-Geschäft weiter voranzubringen. Unsere Produkte sind in der Regel maßgeschneiderte Lösungen und daher beratungsintensiv. Aber einmal überzeugt, bleiben uns die Kunden treu. Wer bei uns kauft, bleibt. Leider wird mit jeder Krise in der Welt der Markt enger, weil wir in bestimmte Länder nicht mehr liefern dürfen oder Länder im Ausnahmezustand sind.

Was ist für Sie die Alternative?

Neben unserem Kerngeschäft sind wir sehr offen für Alternativen. Als wir zum Beispiel vor einigen Jahren kein für uns geeignetes IT-Systemhaus fanden, haben wir das inzwischen sehr erfolgreiche IT-Werk Gießen gegründet. Es betreut mittelständische Unternehmen wie uns und entwickelt für sie passgenaue IT-Technik. Aber einfach nur ausprobieren reicht nicht. Man braucht das berühmte Durchhaltevermögen.

Und welche Bedeutung haben für Sie klassische Forschung und Entwicklung?

Forschung und Entwicklung sind unabdingbar. Sie kosten zwar viel Geld, sind aber die Basis und sichern den Fortbestand eines Unternehmens. Allein für die Weiterentwicklung unserer Kernkompetenz Gebertechnik geben wir pro Jahr knapp 2 Millionen Euro aus, fast 10 Prozent unseres Jahresumsatzes. Das ist notwendig, wenn man die Möglichkeit neuer Technologien umsetzen will und auch Antriebstechnik intelligent werden soll. Außerdem investieren wir viel Geld und Zeit, um neue Produkte und damit neue Märkte zu entwickeln.

Haben Sie deshalb das Innovationsprogramm „Ab Idee ok!“ ins Leben gerufen?

Ja. Mit diesem Programm wollen wir junge Erfinder und Start-ups ansprechen und Hilfe anbieten. Die Förderung von Wissenschaft und Forschung hat schon die jetzige Inhaberin und Tochter des Firmengründers Johannes Hübner angestoßen. Durch die eigene Stiftung und die Kooperation mit Hochschulen wurde die Idee noch intensiviert. Und daraus resultierte dann auch der Gedanke, Tüftler zu fördern und sie nicht nur mit Geld zu unterstützen. Wir geben ihnen Struktur, denn auch Start-ups müssen Buchhaltung machen, Steuern zahlen und gesetzliche Vorgaben beachten. Zudem haben wir Platz, helfen mit einem Raum aus und auch bei technischen Fragen. Und wenn sich daraus dann sogar eine erfolgreiche Beteiligung für uns ergibt, umso besser.

Gibt es schon erste Erfolge?

Wir haben uns inzwischen schon an einigen Unternehmen beteiligt. Die Entwicklung von der Idee bis zur Marktreife eines Produktes ist teuer und junge Unternehmen sind froh, wenn sie da Unterstützung bekommen. Sehr stark engagiert sind wir bei Dynamic Drives in Gießen, weil es hier um eine neue Antriebstechnik für die E-Mobilität geht und eine vierrädrige Alternative zum Lastenfahrrad. Wenn alles klappt, kommen wir im Sommer mit den ersten Modellen auf den Markt. Ich freue mich drauf, denn da steckt sehr viel Engagement und Herzblut von uns drin.

Was beschäftigt Sie derzeit am meisten?

Sieht man mal von der aktuellen geopolitischen Situation der Welt ab, ist das die Bürokratie. Sie hat sich in den letzten Jahren gravierend geändert. Jede EU-Richtlinie muss in Deutschland gefühlt zu 150 Prozent erfüllt werden. Monatlich werden Statistiken abgefragt zu allen möglichen Dingen, von Stückzahlen, Umsätzen und Arbeitszeiten bis hin zum Verpackungsmaterial. Ist man wie wir im Ausland unterwegs, wird es noch komplizierter.

Ist das Lieferkettengesetz schon bei Ihnen angekommen?

Theoretisch nein, praktisch ja. Theoretisch müssen nur Betriebe ab 1.000 Beschäftigten darlegen, dass sie in ihrer Lieferkette die Menschenrechte einhalten. Aber sie fragen auch bei uns als ihrem Zulieferer nach. Also weisen wir nach, dass wir und auch unsere Zulieferer faire Löhne zahlen, die Umwelt schützen und keine Kinderarbeit dulden. Wegen des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes müssen wir eine interne Meldestelle betreiben und und und. Die Summe all dessen ist erdrückend, bindet viel Zeit und auch Geld, das ich lieber ins Unternehmens investieren würde. Denn nur das sichert Arbeitsplätze und spült auch dem Staat über die Steuern wiederum Geld in die Kassen.

Zur Person

  • Oliver Rüspeler, geboren 1970 in Gießen.
  • Ausbildung zum Großhandelskaufmann, Weiterbildung zum staatl. geprüften Betriebswirt.
  • Studium Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Gießen (jetzt TH Mittelhessen).
  • Verschiedene Tätigkeiten in der Entsorgungsindustrie von 2000 bis 2007.
  • Seit 2007 bei Johannes Hübner – zuerst kaufmännischer Leiter und ab 2009 Geschäftsführer.
Maja Becker-Mohr
Autorin

Maja Becker-Mohr ist für aktiv in den Unternehmen der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie sowie der papier- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterwegs. Die Diplom-Meteorologin entdeckte ihr Herz für Wirtschaftsthemen als Redakteurin bei den VDI-Nachrichten in Düsseldorf, was sich bei ihr als Kommunikationschefin beim Arbeitgeberverband Hessenchemie noch vertiefte. In der Freizeit streift sie am liebsten durch Wald, Feld und Flur.

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