Allen Beschäftigten ist klar, dass man am Arbeitsplatz – wie sonst auch im Leben – nicht tun und lassen kann, was man will. Man muss bestimmte Regeln einhalten. Trotzdem kann jeder mal einen Fehler machen: Selbst pünktliche Menschen kommen mal aus irgendwelchen Gründen zu spät, der Chef bekommt mit, dass man über ihn gelästert hat, oder ein eigentlich friedlicher Mensch lässt sich zu einem Wutausbruch hinreißen. Dann ist es möglich, dass der Arbeitgeber abmahnt oder sogar kündigt. Dabei handelt es sich um eine so genannte verhaltensbedingte Kündigung. Was dabei zu beachten ist, erklärt Juristin Kristina Harrer-Kouliev, Expertin für Arbeitsrecht bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

Was genau ist eine verhaltensbedingte Kündigung?

„Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung ist, dass ein Mitarbeiter gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat“, erklärt Expertin Harrer-Kouliev. Aufgrund seines Arbeitsvertrages hat nämlich jeder Arbeitnehmer so genannte Haupt- und Nebenpflichten. Hauptpflichten sind beispielsweise, dass man am Arbeitsplatz erscheinen und ordnungsgemäß arbeiten oder Anweisungen von Vorgesetzten befolgen muss.

Nebenpflichten sind teilweise ebenfalls im Arbeitsvertrag vereinbart, etwa dass man die vom Arbeitgeber vorgesehene Dienstkleidung tragen muss. Teilweise ergeben sich die Nebenpflichten aber auch aus anderen Regelungen. So ist es beispielsweise völlig klar, dass man andere Menschen nicht beleidigen oder verprügeln darf – und das gilt selbstverständlich auch am Arbeitsplatz. Doch Pflichtverletzung bedeutet natürlich nicht, dass schon der allerkleinste Fehler ein Kündigungsgrund ist. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung kommt es nämlich immer auf die Details des Einzelfalls an.

Was sind schwere Pflichtverletzungen?

„Bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen ist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber in der Regel nicht mehr zumutbar“, erläutert die Expertin. Typische Beispiele sind Diebstahl, Sabotage, Betrug oder körperliche Gewalt. In solchen Fällen ist eine Kündigung schon beim allerersten Fehltritt möglich. Vorherige Abmahnungen oder Ähnliches sind nicht nötig. Die Kündigung kann entweder fristgerecht oder – in extremen Fällen – sogar fristlos ausgesprochen werden.

„Ob eine Kündigung nach einem einzigen Fehltritt tatsächlich möglich ist, hängt von der konkreten Situation ab“, sagt die Juristin. Es ist nämlich nicht immer eindeutig, ob tatsächlich eine schwerwiegende Pflichtverletzung vorliegt. Hauen sich beispielsweise streitende Kollegen wechselseitig üble Beleidigungen um die Ohren, muss im Einzelfall geprüft werden, ob es sich um eine schwerwiegende oder nur um eine leichte Pflichtverletzung handelt. Die Antwort auf diese Frage hängt auch von den üblichen Gepflogenheiten am Arbeitsplatz ab. Auf dem Bau etwa herrscht häufig ein rauerer Ton als beispielsweise in einer Bank.

Was gilt bei leichteren Pflichtverletzungen?

Auch wenn nicht jede Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass gleich die Kündigung auf dem Tisch liegt, ist das aber kein Freifahrschein für schlechtes Benehmen. Wird das Fehlverhalten zum Dauerzustand, können auch relativ leichte Pflichtverletzungen irgendwann zur Entlassung führen. „Entscheidend ist immer die Zukunftsprognose, also ob eine dauerhafte, störungsfreie Durchführung des Arbeitsverhältnisses in Zukunft wieder möglich sein wird und dies dem Arbeitgeber auch zugemutet werden kann“, erläutert Harrer-Kouliev.

Das bedeutet: Ein einzelner, kleiner Fehler, beispielsweise ein einmaliges Zuspätkommen, ist noch kein Kündigungsgrund. Wer jedoch ständig zu spät kommt und selbst nach einer Abmahnung nicht bereit ist, sein Verhalten zu ändern, muss nach einiger Zeit mit einer Entlassung rechnen.

Kommt immer sofort die Kündigung?

„Bei leichteren Pflichtverletzungen muss der Arbeitgeber vorher prüfen, ob ein milderes Mittel genügt, um das Fehlverhalten zu beenden“, erklärt die Arbeitsrechtsexpertin. Der Chef darf also nicht gleich kündigen, sondern muss dem Mitarbeiter zuerst die Chance geben, sein Verhalten zu ändern und sich in Zukunft korrekt zu verhalten. Im Normalfall gibt es deshalb vorher eine Abmahnung, manchmal auch mehrere.

Kommt beispielsweise ein chronisch unpünktlicher Mitarbeiter nach einer solchen Abmahnung dauerhaft pünktlich zur Arbeit, dann ist das Fehlverhalten behoben, und damit ist auch keine Kündigung wegen ständiger Unpünktlichkeit mehr möglich. Ändert sich jedoch trotz Abmahnung nichts, gilt das als Beweis für die negative Zukunftsprognose, sodass das Unternehmen ihm kündigen darf.

Was gilt bei fragwürdigem Verhalten im privaten Bereich?

Grundsätzlich darf jeder Arbeitnehmer in seinem Privatleben machen, was er möchte. „Der Arbeitnehmer hat aber immer Loyalitätspflichten gegen seinen Arbeitgeber“, betont die Expertin. Das bedeutet: Der Beschäftigte darf durch sein privates Benehmen die Reputation des Unternehmens nicht schädigen. Der Arbeitgeber muss es also beispielsweise nicht akzeptieren, dass Angestellte in Dienstkleidung in schlüpfrigen Videos auftreten oder Beschäftigte in den sozialen Medien über das Unternehmen herziehen.

Absolut tabu ist es natürlich, Fake- News oder gezielte Lügen über den Arbeitgeber zu verbreiten. Verstößt ein Mitarbeiter durch sein privates Verhalten gegen seine Loyalitätspflichten, kann auch das – je nach Einzelfall – zu Abmahnungen oder sogar zur sofortigen Kündigung führen.

Silke Becker
Autorin

Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.

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