Diesen Tätowierer lässt eine Frau aus Recklinghausen garantiert kein zweites Mal an ihre Haut: Er stach zu tief, die Farbe verlief, und zudem hielt er sich nicht an die Skizze des gewählten Motivs. Auch nachbessern darf der Mann sein missglücktes Werk nicht, entschied das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil. Es sprach der Kundin 750 Euro Schmerzensgeld zu (OLG Hamm, 5.3.2014, 12 U 151/13). „Führt ein Tätowierer seine Arbeit mangelhaft aus, muss sich der Geschädigte nicht auf das Angebot einlassen, sich nach einer Korrektur mittels Laserbehandlung von ihm neu tätowieren zu lassen“, begründeten die Richter ihren Urteilsspruch.

Farbige Tattoos seit 2022 erst mal verboten

Laut Strafgesetzbuch gelten Tätowieren und Piercen als „Körperverletzung“, in die der Kunde einwilligt. Nur deshalb bleibt sie straffrei. Bevor man sich im Studio „verschönern“ lässt, muss der Betreiber in einem ausführlichen Informationsgespräch über die gesundheitlichen Risiken informieren. Darauf weist die Rechtsschutzversicherung D.A.S. hin. So enthalten manche Farben Pigmente, die man auch in Lacken benutzt und die allergische Hautreaktionen auslösen oder sogar krebserregend sein könnten. Solche Stoffe sind wegen möglicher gesundheitsgefährdender Wirkung nach der EU-Chemikalienverordnung ab Januar 2022 verboten. Ersatzprodukte mit unbedenklichen Farben sind bislang nicht auf dem Markt.

„Im Gegensatz zu Ring oder Kette ist ein bleibender Körperschmuck in Form eines Tattoos oder Piercings mit gesundheitlichen Risiken behaftet“, so eine Sprecherin der Versicherung. Zu den häufigsten Folgen gehören demnach Entzündungen, Blutungen und Ausrisse. Bei der Auswahl sollte man bedenken: Tätowierer und Piercer brauchen keine Lizenz. Jeder, der will, kann ein Studio eröffnen. Man weiß also nie, ob man wirklich einen Profi vor sich hat.

Der Streit um dauerhafte „Verzierungen“ der Haut beschäftigt nicht selten die Gerichte. Darum folgen hier ein paar Urteile.

Körperverletzung durch Tätowier-Gerät

Das Tätowier-Gerät kann unter Umständen als gefährliches Werkzeug gelten. Eine Mutter, die ihre minderjährige Tochter tätowieren ließ, wurde vom Landgericht Detmold wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Sie besaß zwar das Sorgerecht, jedoch redete in diesem Fall das Jugendamt ein Wörtchen mit. Das Amt war für die Gesundheitsvorsorge der 14-Jährigen mit zuständig und hatte keine Einwilligung erteilt. Das Oberlandesgericht Hamm entschied in der Folge allerdings zugunsten der Mutter. Zwar seien erhebliche Verletzungen durch ein Tätowier-Gerät denkbar, wenn dieses nicht ausreichend desinfiziert oder in der Hand eines Ungeübten falsch verwendet werde. Dies wurde in dem Fall aber nicht festgestellt. Tätowieren ist zwar schmerzhaft, dadurch werde aber nicht an sich schon erhebliches Leiden hervorgerufen. Auch seien Tätowierungen nach heutigen Vorstellungen gesellschaftlich akzeptiert. Sie könnten daher nicht als erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes angesehen werden, unter der der Betroffene leide (OLG Hamm, 2.9.2021, 4 RVs 84/21).

Rückerstattung und Schadenersatz

Vor dem ersten Nadelstich muss der Kunde schriftlich sein Einverständnis zur Behandlung geben. Wird er zuvor nur unzureichend aufgeklärt, wird diese Erklärung unwirksam und der Tätowierer haftet für mögliche Folgeschäden (LG Koblenz, 24.1.2006, 10 O 176/04). Auch nach unsachgemäßer Ausführung oder Verwendung unhygienischer Geräte kann der Kunde auf Schadenersatz und Rückerstattung der Kosten für die Behandlung hoffen (AG Neubrandenburg, 10.10.2000, 18 C 160/00).

Wird die Behandlung unprofessionell oder technisch mangelhaft durchgeführt und der Körper des Kunden fahrlässig und widerrechtlich verletzt, besteht laut einem Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg (OLG Nürnberg, 23.9.2003, 3 U 1663/03) ebenfalls Anspruch auf Schadenersatz. Dazu können strafrechtliche Konsequenzen wegen fahrlässiger Körperverletzung kommen. Das gilt auch dann, wenn der Kunde nur sein Einverständnis für ein „Bio-Tattoo“ gegeben hat, das sich nach einigen Jahren von selbst wieder auflöst, er jedoch ein dauerhaftes Tattoo erhalten hat (OLG Karlsruhe, 22.10.2008, 7 U 125/08).

Polizist mit Skelett und Löwenkopf

Ein Tattoo mag cool aussehen, man sollte sich die bleibende Verzierung aber gut überlegen. Das falsche Motiv kann jedenfalls den Einstieg in manche Berufe erschweren oder kostet gar den Job. Vor allem Behörden prüfen da gründlich und verstehen keinen Spaß.

Im Fall eines Lehrers in Berlin-Brandenburg führte das gestochene Bekenntnis auf der Haut zur außerordentlichen Kündigung. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg sah in dem Schriftzug „Meine Ehre heißt Treue“ in Frakturschrift fehlende Verfassungstreue. Der Grund: Solche Sprüche und Designs würden in rechtsextremen Kreisen verwendet. Da half es auch nichts, dass der Pädagoge die ergänzenden Worte „Liebe Familie“ hinzugefügt hatte. Sie lagen unterhalb des Hosenbundes. Somit seien sie (meist) nicht zu sehen (LAG Berlin-Brandenburg, 11.5.2021, 8 Sa 1655/20).

Wegen Skelett und Totenkopf auf dem Oberarm kamen inNordrhein-Westfalen Zweifel an der Eignung des Bewerbers für den Polizeidienst auf. Das Tattoo lasse auf eine gewalt-verherrlichende Einstellung schließen, er wurde abgelehnt. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf sah dies anders: Man müsse das gesamte Bildprogramm und die Beweggründe des Tätowierten betrachten. Das Skelett symbolisiere für ihn die Vergänglichkeit auf Erden. Daneben prangten ein Engel und eine Friedenstaube. Dagegen ließ sich nichts sagen (VwG Düsseldorf, 14.9.2021, 2 L 1822/21).

In einem Fall in Recklinghausen hat das Gericht entschieden, dass ein Tätowierter trotz Mähnentier auf seiner Brust am Auswahlverfahren für den Polizeivollzugsdienst teilnehmen darf. Auch er wurde zunächst abgelehnt, weil das zähnefletschende Tier einen gewaltverherrlichenden Eindruck vermittle, aggressiv und angriffslustig auf Betrachter wirke. Der brüllende Löwe stehe für Mut und Stärke, hielt der Bewerber vor Gericht dagegen. Das Oberverwaltungsgericht erkannte das an, konnte aus dem Bildnis ebenfalls keine Gewaltbereitschaft ableiten. Vielmehr sah es in der Ablehnung des Kandidaten einen Eingriff in dessen Berufsfreiheit (OVG Nordrhein-Westfalen, 12.05.2020, 6 B 212/20).

Peinlicher Fehler im Schriftzug

Bei dem Tätowier- oder Piercing-Vertrag handelt es sich um einen Werkvertrag, dessen Endergebnis eine erfolgreiche Arbeit ist. „Entzündet sich zum Beispiel das Piercing oder enthält der Schriftzug im Tattoo einen Schreibfehler, ist das ein Mangel.“ Darauf weist die Versicherung D.A.S. hin. Der Kunde hat dann das Recht auf Beseitigung oder gar Schadenersatz. Voraussetzung ist, dass er eine Frist zur Nachbesserung setzt (AG München, 17.3.2011, 213 C 917/11; Bundesfinanzhof München, 3.4.2013, VIII R50/10).

Tattooentfernung mittels Laser nur vom Arzt

Beim Heilpraktiker wird man die Bildchen übrigens nicht mehr los. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf wehrte die Klage eines Unternehmens gegen die sogenannte „Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen“ (NiSV) ab. Sie gilt seit Ende 2020, nach Paragraf 5 Absatz 2 darf demnach die Behandlung von pigmentierten Hautveränderungen sowie die Entfernung von Tätowierungen und Permanent-Make-up nur noch von approbierten Ärzten vorgenommen werden (VwG Düsseldorf, 11.3.2021, 7 L 2665/20).

Tattoo entzündet: Krankenkasse haftet nicht

Kommt es zu Komplikationen, können sich Betroffene nicht auf die Übernahme der Behandlungskosten durch die Krankenkasse verlassen. Wer sich als Versicherter freiwillig einem körperlichen Eingriff unterzieht, der eine Krankheit auslöst, etwa eine Wundinfektion durch Piercing, hat diese selbst verschuldet und wird in angemessener Höhe an den Kosten beteiligt. Selbst, wenn der Patient die Arztkosten selbst trägt, wird seine Krankenkasse darüber informiert. Seit 2008 sind Ärzte und Krankenhäuser verpflichtet, den Kassen die Daten von Piercing-Patienten mitzuteilen.

Krankfeiern, wenn die neuen Tattoos oder Piercings schmerzen, ist auch nicht drin. Denn der Körperschmuck ist eine kosmetische Behandlung ohne medizinische Begründung. Mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dürfen Patienten nicht rechnen, sie müssen zur Genesung Urlaub nehmen.

Was dürfen Minderjährige?

Eine starre Altersbeschränkung, ab wann man sich ein Tattoo oder Piercing stechen lassen darf, gibt es in Deutschland nicht. Unter 18-Jährige benötigen allerdings in den meisten Studios die Einwilligung der Eltern. Sind die dagegen, dass sich Tochter oder Sohn tätowieren lassen, kann auch eine Einwilligung des Minderjährigen selbst ausreichen. Rechtlich gesehen kommt es dabei auf den persönlichen Reifegrad und die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Jugendlichen an. Er muss vom Stand seiner Entwicklung her in der Lage sein, die Bedeutung und die Tragweite der „Körperverletzung“ zu erfassen und richtig zu beurteilen. Zuvor muss er genügend über die Risiken aufgeklärt worden sein.

Im Fall einer 17-Jährigen blieb das Amtsgericht München hart: Das Mädchen hatte sich für 50 Euro ein koptisches Kreuz auf die Innenseiten des Handgelenks tätowieren lassen. Ihren Eltern hatte sie davon nichts gesagt. Hinterher reklamierte sie, das Motiv sei schief und forderte vom Tätowierer die Kosten für die Entfernung per Laser (in ihrem Fall rund 800 Euro).

„Der Vertrag ist wirksam“, urteilte das Gericht. Die Tätowierung habe ihrem Wunsch entsprochen. Zwar sei die Klägerin zum Zeitpunkt des Vertrags noch minderjährig gewesen. Sie habe ihn aber ohne Weiteres mit eigenen Mitteln erfüllen, sprich bezahlen, können – die Schülerin jobbte in einer Eisdiele. Voraussetzung für ihre Ansprüche sei daher, dass dem Beklagten eine Möglichkeit zur Nachbesserung gegeben werde. Dem stehe nicht entgegen, dass dies einen erneuten Eingriff in den Körper beinhalte. Bei der Nachbesserung gehe es ja gerade darum, den Wunsch in der von ihr gewollten Art und Weise auszuführen (AG München, 17.3.2011, 213 C 917/11).

Friederike Storz
aktiv-Redakteurin

Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.

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