Köln. Im Internet poltern leider viele einfach munter drauflos. Per Tastatur traut man sich, Dinge zu posten, die man live und in Farbe wohl nie einem anderen Menschen an den Kopf werfen würde. Darf man in der virtuellen Welt womöglich ungestraft hetzen? „Natürlich nicht“, sagt Christian Solmecke, Rechtsanwalt und Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WBS. Man riskiere teure Strafen – und womöglich den Job.

Für Beleidigungen drohen Strafe und zusätzlich Schmerzensgeld

„Das Internet ist kein rechtsfreier Raum“, betont Solmecke, „die Straftatbestände gelten hier genauso wie im ,richtigen Leben – juristisch unterscheidet sich eine Beleidigung in einem Internetforum oder auf Facebook nicht von einer Beleidigung auf der Straße.“

Dazu sollte man wissen: Wird die persönliche Ehre missachtet und verletzt, ist das eine Beleidigung; Konsequenz laut Strafgesetzbuch: Geldstrafe oder sogar Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. „Üble Nachrede“ – eine herabwürdigende Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt nicht nachweisbar ist – kann mit Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden. Eine Verleumdung, bei der ganz offensichtlich ist, dass die Behauptung falsch ist, kann theoretisch sogar bis zu fünf Jahre Haft einbringen.

Es gibt allerdings keinen „Bußgeld-Katalog“ für Bosheiten im Web. „Und nicht jede Ausfälligkeit ist gleich eine Beleidigung – es kommt immer auch auf den Kontext an“, erklärt Solmecke. „Aber wenn etwas beleidigend ist, muss man noch zwischen strafrechtlichen Strafen und zivilrechtlichen Schmerzensgeldansprüchen unterscheiden! Geldstrafen richten sich zum einen nach der Schwere der Schuld, zum anderen nach dem Verdienst des Täters. Zusätzlich können Opfer zivilrechtlich auf Schmerzensgeld klagen.“ Wie viel Schmerzensgeld man dann zahlen muss, liegt im Ermessen des Richters. Pöbeln im Web kann da sogar teurer werden als auf offener Straße – schließlich können im Netz mehr Menschen die Aussagen lesen und weiterverbreiten.

Pöbeln auf Facebook kann sogar den Job kosten – fristlos

Beleidigungen können auch den Job kosten, wie etliche Urteile aus der analogen und digitalen Welt zeigen. Zwei Beispiele: Ein Mitarbeiter hatte seinen Chef als „faulen Sack“ bezeichnet – dies rechtfertigt eine fristgerechte Entlassung (Arbeitsgericht Frankfurt am Main, 7 Ca 9327/07). Und fristlos flog ein Azubi, der seinen Arbeitgeber auf Facebook als „Menschenschinder & Ausbeuter“ beschimpfte (Landesarbeitsgericht Hamm, 3 Sa 644/12). Ebenso fristlos war ein Straßenbahnfahrer den Job los, weil er in seinem Facebook-Account öffentlich gegen Ausländer hetzte – und auf seinem Profilbild in der Dienstkleidung zu sehen war: Dadurch wird der Arbeitgeber „in die Nähe der Ausländerfeindlichkeit, wenn nicht gar des Ausländerhasses gesetzt“, was keine Firma hinnehmen muss (Sächsisches Landesarbeitsgericht, 1 Sa 515/17).

Vorsicht auch mit wüsten Postings in „geschlossenen Gruppen“, etwa bei Whatsapp! Auch dabei wird ja, juristisch gesehen, „ein ehrverletzender Inhalt einem Personenkreis gegenüber geäußert“. Und das kann Folgen haben, wenn zum Beispiel einer aus der Gruppe petzt. Es gibt laut Solmecke zwar sogenannte „beleidigungsfreie Räume, in denen getätigte Beleidigungen straffrei bleiben – sie sind jedoch auf engste Vertrauensverhältnisse beschränkt“, also auf Gespräche zwischen Ehe- oder Lebenspartnern und engsten Freunden. Das lasse sich aber nicht auf soziale Medien übertragen: „Eine geschlossene Gruppe wird an der Strafbarkeit nichts ändern“, konstatiert der Experte.

Schon schlichtes „Liken“ kann kritisch werden

Und was gilt, wenn man hetzende Schmähungen zwar nicht selbst postet, den verletzenden Beitrag aber „liked“ oder teilt? „Wenn man sich fremde Inhalte eines Dritten durch die eigene Verhaltensweise zu eigen macht“, so der Jurist, „kann man im Ergebnis so haftbar sein, als hätte man den Text selbst gepostet.“ Als so ein „Zu-eigen-Machen“ gilt „eine erkennbare positive Identifikation mit dem Inhalt“. Kommentarloses Teilen führt also noch nicht zu einer Haftung – ein „Liken“ kann schon kritisch werden. „Es ist daher am sichersten, kritische Inhalte – wenn überhaupt – unkommentiert zu teilen.“

Übrigens: Ab 14 Jahren sind Kinder strafmündig – aber schon ab 7 Jahren können sie für Schäden anderen gegenüber verantwortlich sein (es kommt da jeweils auf den Entwicklungsstand des Kindes an). „Zivilrechtlich können die Kinder oder die Eltern verklagt werden“, sagt Solmecke, „wenn die Kinder verurteilt werden, haften letztlich sowieso die Eltern.“ Je nach Fall könne aber auch eine Aufsichtspflichtverletzung der Eltern vorliegen, die zu einer Haftung der Eltern selbst führt. Man sollte also dem Nachwuchs möglichst früh klarmachen, dass Pöbeln im Web teure Folgen haben kann.

Üble Nachrede per Whatsapp – da droht die Kündigung

Es dürfte sich allmählich herumgesprochen haben: Auch Beleidigungen im Internet sind justiziabel, schon ein „Like“ unter einem ehrabschneidenden Kommentar kann womöglich teuer werden.

Aber wie ist das mit Postings in einem aus Sicht des Absenders privaten Whatsapp-Chat? Klare Antwort des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (14. 3. 19, 17 Sa 52/18): „Verbreitet eine Arbeitnehmerin eine unzutreffende Behauptung, die geeignet ist, den Ruf eines Kollegen erheblich zu beeinträchtigen, per Whatsapp an eine andere Kollegin, kann dies einen Grund darstellen, der den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.“

Böse Gerüchte über Dritte können also schnell den Job kosten. In dem Fall hatte eine Mitarbeiterin im Zweier-Chat unter anderem getippt: „Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber er soll ein verurteilter Vergewaltiger sein, deswegen will ganz L. nichts mehr mit ihm zu tun haben.“ Die Empfängerin dieser Nachricht wandte sich damit allerdings bald an die Geschäftsführung.

Übrigens: Aus juristischer Sicht gilt so eine Behauptung als „üble Nachrede“ – und das ist laut Gesetz ein Straftatbestand.

Auch in einer privaten Chatgruppe sollte man sich nicht im Ton vergreifen

Wer sich in einer privaten Chatgruppe „in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen äußert“, kann deswegen den Job verlieren. Das zeigt der Fall einer Whatsapp-Gruppe, in der sich Beschäftigte der Fluggesellschaft TUIfly austauschten. Einige Mitarbeiter pöbelten dabei auf übelste Weise.

Als der Chatverlauf dem Arbeitgeber zugespielt wurde, kündigte er diesen Mitarbeitern fristlos. Das geht grundsätzlich in Ordnung, wie das Bundesarbeitsgericht befand (24.8.23, 2 AZR 17/23). Die Betroffenen könnten sich bei derart schlechtem Benehmen „nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen“ – also darauf, dass der Chatverlauf nicht an Dritte weitergegeben wird. Ob ein solcher Ausnahmefall vorlag, soll nun das Landesarbeitsgericht klären.