Ein beleidigender Kommentar über Flüchtlinge in der Pause. Der rassistische oder antisemitische Witz auf Kosten eines Kollegen in der Umkleide. Oder Hetze auf Facebook oder Whatsapp: Das gibt es leider alles viel zu häufig.
Immer öfter begegnen Menschen in ihrem Job den hässlichen Ausprägungen von offenem Rassismus. Das zeigen Zahlen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Berlin. Von den 10.772 Beratungsanfragen, die 2023 von Betroffenen gestellt wurden, betraf jede Dritte das Arbeitsleben.
„Der Widerspruch sollte unmissverständlich, zeitnah und direkt geäußert werden“
Matthias Lorenz, Rechtsextremismus-Experte
Offener und direkter Widerspruch ist ganz wichtig
Für Kollegen, die so etwas mitbekommen, drängt sich die Frage auf: Wie geht man selbst im Arbeitsalltag mit widerlichen Äußerungen von Teammitgliedern um? „Es fällt vielen Menschen, die nicht selbst von Rassismus oder Antisemitismus betroffen sind, persönlich schwer, sich gegen solche Kommentare zu positionieren“, weiß der Sozialwissenschaftler und Rechtsextremismus-Experte Matthias Lorenz. Er arbeitet an der Universität Wien und hat jahrelang bei der mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus in Bayern Unternehmen und Behörden beraten.
Matthias Lorenz rät zu direktem und klarem Entgegentreten: „Offener Widerspruch ist in solchen Fällen ganz wichtig! Der Widerspruch sollte unmissverständlich, zeitnah und direkt geäußert werden.“
Und dann über das Gesagte diskutieren? „Nein“, empfiehlt Lorenz, „zunächst reichen die klare Positionierung und zwei, drei Sätze zur Erklärung.“ Wer sich nämlich auf eine Diskussion einließe, der mache rassistische Äußerungen erst diskutabel: Das sollte man vermeiden.
Mutige sind ein gutes Vorbild
Natürlich braucht es Mut für so eine direkte Konfrontation. Sie hilft aber nicht nur dem Betroffenen, sondern strahlt auch positiv auf andere aus. „Dem Verursacher der Äußerungen gibt man dadurch die Möglichkeit, über das Gesagte nachzudenken, es zurückzunehmen, sich im besten Falle zu entschuldigen und sich zukünftig anders zu verhalten“, sagt Lorenz. „Gleichzeitig sendet man ein Signal der Solidarität an den oder die Betroffenen.“ Zögerliche Kollegen wiederum motiviert man, sich beim nächsten Mal selbst zu positionieren.
Bei wiederholten Problemen sollte man sich ruhig mit Kolleginnen und Kollegen über das weitere Vorgehen abstimmen. Das Argument, solch offener Widerspruch könne den Betriebsfrieden stören, lässt der Experte nicht gelten: „Langfristig ist es für das Betriebsklima viel fataler, wenn sich Betroffene zurückziehen oder gar kündigen, weil sie in der Firma ausgegrenzt oder angefeindet werden.“
Das bestätigt auch Elena Szostak, Referentin für Arbeitsrecht und Tarifpolitik bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): „Ein wesentlicher Faktor für eine faire und erfolgreiche Arbeitskultur ist der Einsatz für ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld. Rassistische und antisemitische Äußerungen sind nicht tolerierbar.“ Beschäftigte, die in dieser Weise auffallen, müssen mit Konsequenzen rechnen. Das gilt etwa auch für digitale Hetze auf Facebook.
Konsequenzen können massiv sein – bis zur Kündigung
Kommt eine zum Beispiel rassistische Pöbelei in der Belegschaft vor und wird gemeldet, muss der Fall einzeln vom Betrieb bewertet werden. „Welche arbeitsrechtliche Maßnahme im konkreten Fall angemessen ist, bestimmt sich insbesondere nach der Schwere der Äußerung, und der Wiederholungsgefahr“, erklärt Expertin Szostak. „Aber auch danach, inwieweit die Äußerung Ausdruck einer Grundhaltung ist und ob der Arbeitnehmer ernst gemeinte Reue zeigt.“ Die Konsequenzen für den Einzelnen können letztlich massiv sein – und bis zur fristlosen Kündigung reichen.
Rassismus am Arbeitsplatz: Das können Sie tun, Schritt für Schritt
Erste Anlaufstelle für Betroffene sowie für aufmerksame Kollegen sind Vorgesetzte, Personalabteilung oder Betriebsrat. In größeren Unternehmen gibt es sogar firmeneigene Antidiskriminierungsstellen, die solche Meldungen ebenfalls vertraulich behandeln.
Hilfreich ist es, die problematischen Äußerungen genau zu dokumentieren:
- Was wurde genau gesagt?
- Wann?
- In welchem Umfeld?
„Die Dokumentation gibt der Beschwerde mehr Gewicht“, sagt Experte Lorenz, „der Vorfall kann dann nicht so schnell als vermeintliche Lappalie abgetan werden.“
Lorenz empfiehlt generell antidiskriminierende Strukturen in den Unternehmen: Leitlinien etwa, Unternehmensprogramme oder Betriebsvereinbarungen. Als Zeichen an die Belegschaft müsse da klar formuliert werden: „Jemand, der rassistischen und antisemitischen Äußerungen widerspricht, ist kein Störenfried – sondern ein mutiges Vorbild.“
Hilfe von Fachleuten
Engagiert gegen Diskriminierung? Hier gibt es Beratung
Betriebe und Mitarbeitende, die mit Rassismus oder Antisemitismus konfrontiert sind und etwas dagegen tun möchten, können sich an die Mobilen Beratungsteams bundesweit wenden. Die Teams beraten zum Umgang mit rassistischen und antisemitischen Vorfällen und unterstützen bei der Erarbeitung von Leitbildern. Der Bundesverband Mobile Beratung bietet eine Übersicht auf seiner Website: Beratungsteams

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.
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