Klassischerweise ist ein Arbeitsplatz als Vollzeit-Stelle konzipiert – doch nicht immer ist das wirklich praktikabel. Trotzdem muss die Arbeit natürlich erledigt werden. Die Lösung heißt Jobsharing. Kurz erklärt: Dabei teilen sich mehrere Beschäftigte einen bestimmten Arbeitsplatz. Im Normalfall sind das zwei Personen, aber es können sich auch drei oder mehr Beschäftigte die Stelle teilen. Was man darüber wissen sollte.

Was genau bedeutet Jobsharing?

„Im Kern handelt es sich beim Jobsharing um einen ganz normalen Teilzeit-Arbeitsvertrag“, erläutert die Kölner Fachanwältin für Arbeitsrecht, Nathalie Oberthür, Vorsitzende des Ausschusses Arbeitsrecht beim Deutschen Anwaltsverein.

Der einzige Unterschied liegt darin, dass im Jobsharing-Vertrag eine Klausel enthalten ist, die die Beteiligten dazu verpflichtet, sich wechselseitig am Arbeitsplatz vertreten. Je nach Vertrag steht dort dann entweder der konkrete Name des Kollegen, beispielsweise „Max Mustermann ist verpflichtet, Susanne Müller bei Bedarf zu vertreten“, oder auch nur die konkrete Position, ohne Namensnennung, beispielsweise „Max Mustermann ist verpflichtet, die zweite Leitung der Buchhaltung bei Bedarf zu vertreten“.

Auf den konkreten Arbeitsalltag hat eine solche Vertretungspflicht aber weniger Auswirkungen, als man glaubt. „Auch ohne ausdrückliche Vertretungsklausel gibt es indirekt eine Vertretungspflicht“, erläutert Nathalie Oberthür. Schließlich kann der Arbeitgeber ohnehin aus dringenden betrieblichen Gründen Überstunden anordnen, wenn ein Mitarbeiter ausfällt. In den allermeisten Fällen muss der Arbeitnehmer solche angeordneten Überstunden auch leisten, um den fehlenden Kollegen zu vertreten, da in den üblichen Arbeitsverträgen entsprechende Regelungen enthalten sind.

Wie viele Stunden Vertretung müssen Jobsharer leisten?

Der zentrale Knackpunkt bei der wechselseitigen Vertretung ist natürlich die Anzahl der Stunden, die man zusätzlich übernehmen muss. Schließlich entscheiden sich die Beteiligten normalerweise deshalb für das Jobsharing, weil sie noch anderweitige Verpflichtungen haben, beispielsweise kleine Kinder oder pflegebedürftige Verwandte.

Klar, dass man da nicht von einem Tag auf den anderen in Vollzeit wechseln kann, sobald der Jobsharing-Kollege ausfällt. Zu diesem Thema gibt es jedoch keine rechtlichen Vorgaben. Es ist deshalb empfehlenswert, diese Frage vorab zu besprechen und auch vertraglich zu regeln. Zunächst einmal muss die Vertretung auch tatsächlich aus dringenden betrieblichen Gründen erforderlich sein. Vereinfacht gesagt, bedeutet das, dass die Arbeit nicht liegen bleiben darf. Das dürfte gerade beim Jobsharing sehr häufig der Fall sein, denn genau deshalb wird der Arbeitsplatz ja meistens aufgeteilt. „Außerdem muss die Vertretung zumutbar sein“, erläutert Nathalie Oberthür.

Was zumutbar ist, ist natürlich Auslegungssache und hängt unter anderem von der persönlichen Situation ab – bei einer alleinerziehenden Mutter mit zwei kleinen Kindern sieht die Sache anders aus als bei einem Single, der Teilzeit arbeitet, weil er nebenher Leistungssport betreibt. „Eine vorübergehende Vollzeittätigkeit bei den üblichen Abwesenheiten wie Urlaub, kürzere Erkrankung oder Fortbildungen dürfte in den meisten Fällen zumutbar sein“, so die Einschätzung von Nathalie Oberthür. Das gilt aber nur für kürzere Zeiträume.

Die Vollzeit-Verpflichtung darf also kein Dauerzustand werden, etwa wenn die Jobsharing-Kollegin schwer erkrankt und monatelang ausfällt. Selbstverständlich müssen auch bei einer Jobsharing-Vertretung die üblichen gesetzlichen Höchstarbeitszeiten eingehalten werden, also maximal 10 Stunden pro Tag und 48 Stunden pro Woche.

Muss man wegen der Vertretungspflicht auch außerhalb der Arbeitszeit erreichbar sein?

Beim Jobsharing muss die Vertretung manchmal kurzfristig einspringen – beispielsweise, wenn das Kind krank wird. Genau das ist auch der Vorteil des Modells. Zuweilen gibt es auch kurze Rückfragen bei irgendwelchen Unklarheiten, damit die Jobsharing-Kollegin mit der Arbeit weitermachen kann.

Damit solche notwendigen Abstimmungen funktionieren können, ist es günstig, wenn Jobsharer auch außerhalb der Arbeitszeit erreichbar sind. Wann und wie genau, ist Vereinbarungssache. „Erreichbarkeit bedeutet allerdings nicht, dass der Jobsharer jederzeit sofort einspringen und mit der Arbeit beginnen muss“, erläutert Nathalie Oberthür. Um Problemen vorzubeugen, sollte man diese Frage vorab klären. Dazu sollte man wissen, dass selbst der allerkürzeste betriebliche Anruf in der Freizeit rein juristisch schon Arbeitszeit ist.

Im Arbeitsalltag wird das aber oft anders gehandhabt. In der Praxis wird eine kurze Kontaktaufnahme in der Freizeit, etwa eine schnelle Terminabsprache am Telefon oder per E-Mail, häufig nicht als Arbeitszeit gewertet. Dauert der Kontakt aber länger, beispielsweise weil die Kollegin Rückfragen zu bestimmten Vorgängen hat, gilt das als Arbeitszeit.

Wie werden die Arbeitszeiten festgelegt?

Sinn des Jobsharings ist es ja, dass die Arbeitszeit flexibel nach den individuellen Bedürfnissen aller Beteiligten abgestimmt werden kann. Deshalb überlassen es die Arbeitgeber üblicherweise den Jobsharern, wie sie sich organisieren. Klappt das nicht, kann aber der Chef die Arbeitszeit einteilen: „Wie bei jedem anderen Arbeitsvertrag hat der Arbeitgeber auch beim Jobsharing ein Direktionsrecht, dass er ausüben kann, wenn die eigenverantwortliche Verteilung der Arbeitszeit nicht funktioniert“, erläutert Nathalie Oberthür.

Wie sieht es mit der Bezahlung aus?

Wenn es um die üblichen Arbeitgeber- und Sozialleistungen wie den Urlaubsanspruch, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld geht, gelten auch beim Jobsharing dieselben Regelungen wie für alle anderen Arbeitnehmer. Beim Gehalt darf es Unterschiede zwischen den Jobsharern geben, beispielsweise wenn eine Kollegin besser qualifiziert ist oder schlicht mehr Verhandlungsgeschick hat als die andere. „Beim Jobsharing haben die Beteiligten nicht zwingend Anspruch auf ein gleich hohes Gehalt“, erläutert Arbeitsrechtsexpertin Oberthür. Folglich führt auch eine Gehaltserhöhung für den einen Jobsharer nicht automatisch zu einer Gehaltserhöhung für den anderen. Eine Diskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), beispielsweise wegen des Geschlechts, des Alters oder der Religion ist aber natürlich auch beim Jobsharing verboten.

Wer haftet für Fehler?

Gerade beim Jobsharing arbeitet man sehr eng zusammen, und oft kann man am Ende gar nicht mehr genau sagen, wer exakt was gemacht hat. Trotzdem gibt es aber keine gemeinsame Verantwortung für eventuelle Fehler. „Jeder Beschäftigte ist nur für seine eigenen Fehler verantwortlich, nicht für die des Kollegen“, erläutert Nathalie Oberthür. Dementsprechend gibt es auch eventuelle Sanktionen wie beispielsweise eine Abmahnung auch nur für den, der den Fehler gemacht hat – und nicht etwa automatisch für beide Jobsharer.

Was gilt bei der Kündigung eines Jobsharers?

Wie andere Teilzeit-Verträge auch sind die einzelnen Jobsharing-Verträge rechtlich unabhängig voneinander. „Auch wenn das Arbeitsverhältnis mit einem Jobsharer beendet wird, bestehen die Verträge der anderen Jobsharer unverändert weiter“, erläutert die Juristin. Dabei ist es völlig egal, ob der Beschäftigte von sich aus kündigt oder vom Unternehmen gekündigt wird. Und selbstverständlich gelten auch beim Jobsharing die üblichen Kündigungsregelungen wie für jeden anderen Mitarbeiter.

Silke Becker
Autorin

Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.

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