Es klingt für beide Seiten praktisch: Der Bewerber sendet seine Unterlagen nicht mehr mühsam und teuer per Post, sondern lädt sie einfach im Netz hoch oder schickt sie per Mail. Und die Firma lässt die Flut an Eingängen schon mal von einer cleveren Software vorsortieren. Das spart Zeit und Ressourcen, ohne gute Bewerber auszuschließen. Theoretisch zumindest. Denn dafür muss das Programm die Unterlagen auch richtig lesen und verstehen können.
Unternehmen verwenden heute sogenannte „CV Parsing Tools“. Der Begriff setzt sich aus dem lateinischen Wort „Curriculum Vitae“ für Lebenslauf und dem englischen Fachbegriff „Parsing“ (analysieren) zusammen.
Kurz gesagt: Der digitale Lebenslauf wird analysiert, und dessen Inhalte werden automatisch ausgelesen. „Da geht es vor allem um Berufserfahrung, Qualifikationen, Abschlüsse, Hard sowie Soft Skills, die vom Programm in eine Datenbank übertragen werden“, sagt Ben Dehn, Bewerbungsexperte beim Online-Dienstleister „Die Bewerbungsschreiber“. Er hat selbst über 1.600 Bewerbungen für Kunden geschrieben und gibt Kurse zum Thema an der Ruhr-Universität Bochum. „Personaler wie Bewerber sollen eigentlich gleichermaßen von der digitalen Technik profitieren.“
Für die Bewerber ist es freilich nicht immer einfach, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass eine Maschine ihre Unterlagen liest. Experte Dehn bekommt jedenfalls mit, dass es viele verunsichert. „Man sollte sich aber auch nicht verrückt machen“, sagt er. „Letztendlich trifft die Entscheidung noch immer ein Mensch. Aber man muss sich Gedanken machen, wie man nicht aufgrund von Formfehlern aussortiert wird und seine Chancen wahrt, dass die Unterlagen später von einem Menschen angeschaut werden.“
Richtige Schlüsselwörter dürfen nicht fehlen
Kein Wunder also, dass immer mehr Unternehmen auf diese Tools setzen. „In Deutschland machen das tatsächlich schon gut 70 Prozent der Unternehmen so. Immer da, wo es um komplexe Stellenbeschreibungen geht und ein Bewerber seine Unterlagen einfach hochladen kann, kann man davon ausgehen, dass ein CV Parser die Unterlagen analysiert. Viele Bewerber wissen das aber gar nicht“, sagt Dehn. Und das kann negative Folgen haben: Denn die Maschine ist im eigentlichen Sinne noch keine künstliche Intelligenz, sie liest die Informationen lediglich aus. Und wenn sie etwas nicht richtig lesen kann oder die richtigen Keywords fehlen, rasselt man schon mal gleich bei dieser ersten Hürde durch den Filter.
Hier kommen sechs wichtige Tipps, die man bei seinen Bewerbungen unbedingt beachten sollte.
1. Rechtschreibfehler unbedingt vermeiden
Klar, Rechtschreib- und Grammatikfehler machen sich in einer Bewerbung nie gut. Aber bei CV Parsern taucht noch ein anderes Problem auf: „Das menschliche Auge korrigiert Fehler beim Lesen oft automatisch, oder der Mensch selbst erkennt trotz falscher Schreibweise den Sinn dahinter. Ein CV Parser sucht nicht nach Fehlern, sondern nur nach essenziellen Schlagwörtern, die in der Bewerbung auftauchen sollten“, sagt Experte Dehn.
Sind die falsch geschrieben, erkennt das Programm sie mitunter nicht. „Wenn das Schlagwort nicht gefunden werden kann, bleibt das entsprechende Feld in der Datenbank eben leer. Die Personalverantwortlichen sehen dann später nur, dass die Qualifikation, der Abschluss oder die Erfahrung nicht vorhanden sind.“ Ein Irrtum, der negativ für den Bewerber ausgelegt werden kann.
2. Das Wichtigste nach ganz vorn
„Jede Stellenanzeige ist hierarchisch aufgebaut, die wichtigsten Voraussetzungen stehen also ganz vorn“, sagt der Fachmann. Genauso sollte man auch beim eigenen Lebenslauf vorgehen. Wenn ich also zuletzt ganz kurz in einem Projekt in meiner bisherigen Firma gearbeitet habe, davor aber in einem anderen, das viel besser zur neuen Stelle passt, dann nenne ich das besser Passende zuerst. „Es gibt CV Parser, die lesen nur die ersten drei Punkte bei solchen Aufgabenaufzählungen, da muss also das Wichtigste ganz oben stehen.“
3. Vorsicht beim Design
Ein gutes Design kann eine Bewerbung auf eine höhere Qualitätsstufe heben, aber es sollte auch eine Funktion erfüllen (bessere Lesbarkeit zum Beispiel). Design, nur weil es besonders hübsch aussieht, sollte man nicht verwenden, wenn die Maschine analysiert. „Es gibt zum Beispiel viele Vorlagen im Netz, die den Lebenslauf zweispaltig anlegen, um Platz zu sparen“, sagt Dehn. Dabei kann es aber sein, dass die Station in der zweiten Spalte vom CV Parser nicht erkannt wird. Also besser einspaltig bleiben.
Wie ein Lebenslauf aussehen könnte: linksbündig, dann zuerst Zeitraum, dann Arbeitgeber und Standort, darunter Position, gefolgt von den Aufgaben.
„Ein weiteres negatives Beispiel sind sogenannte Skill-Balken, in denen man den Kenntnisstand (zum Beispiel 80 Prozent) bei einer Software oder Sprache in einem Balken angibt.“ Das macht dem CV Parser auch Probleme. Gleiches gilt für Angaben in Sternen oder Ähnlichem. Die kreativen Dinge eher für das Anschreiben aufsparen, im Lebenslauf kann man mit Fettungen und Schriftarten arbeiten, aber eher nicht mit grafischen Darstellungen.
4. Das richtige Wording
Das A und O ist es, sich die Stellenausschreibung genau anzuschauen. Denn eine individuelle Bewerbung ist besser als jede standardisierte Vorlage, die man aus dem Netz herunterladen kann. „Ein CV Parser sucht genau nach diesen Worten“, sagt der Experte. Also auch genau dieses Wording im Lebenslauf verwenden.
Ein Beispiel sind Zertifikate oder Titel nach Weiterbildungen: „Wenn ein ‚Projektmanagement‘-Zertifikat gefordert wird und ich aber ‚Projektzertifizierung‘ oder ‚Zertifikat Projektarbeit‘ in meinem Lebenslauf schreibe, kann es sein, dass der CV Parser das einfach nicht überträgt“, sagt Dehn. „Wenn in der Anzeige steht, zu den Aufgaben gehöre es, Kostenvoranschläge zu erstellen, ich aber selbst ‚Angebote erstellen‘ schreibe, kann das Programm das bisweilen nicht als passend identifizieren.“
Grundvoraussetzungen, die in der Stellenausschreibung angegeben werden, sollten also Wort für Wort erfüllt sein. Auch hier das Kreative lieber für das Bewerbungsschreiben aufsparen.
5. Probleme bei der Angabe von Sprachkenntnissen
In einem Lebenslauf aufzuführen, dass man in Deutschland ja Deutsch als Muttersprache spricht, klingt seltsam, aber der Algorithmus braucht diese Info, die ein Mensch automatisch vielleicht hineininterpretieren würde. „Gerade wenn eine Stelle in Deutschland international ausgeschrieben ist, sollte man das unbedingt aufnehmen“, sagt der Experte. „Eigentlich macht man es am besten immer.“
Probleme haben die Programme auch manchmal mit dem Europäischen Referenzrahmen für Sprachen, bei dem die Sprachkenntnisse von A1 bis C2 eingestuft werden. „Parsing Tools erkennen das Sprachniveau dann nicht als solches, sondern ordnen diese Kombinationen einer Führerscheinklasse zu“, sagt Dehn. Also lieber „Grundkenntnisse“, „gute Kenntnisse“ bis hin zu „verhandlungssicher“ schreiben.
6. Vorsicht bei der Verwendung von Abkürzungen
Der Experte rät: „In unseren Tests mit verschiedenen CV Parsing Tools hat sich herausgestellt, dass Abkürzungen teilweise gar nicht oder nicht richtig zugeordnet werden können.“ Ein Beispiel: „Einkäuferin DOB“ (steht für Damenoberbekleidung). Ist in der Branche durchaus geläufig, das Programm kannte die Abkürzung aber nicht.
Echte KI kommt erst noch
Generell sind CV Parser Tools nicht so weit, wie es zum Beispiel Google ist. Sie können viel weniger richtig interpretieren. Echte künstliche Intelligenz ist das nicht, aber in den Bewerbungsprozessen wird diese in Zukunft immer mehr Raum einnehmen. „Dann ist es vielleicht auch denkbar, dass Videos hochgeladen werden, die dann eine echte KI auf Persönlichkeitsmerkmale hin untersucht. Aber das ist noch Zukunftsmusik“, sagt der Experte.
Auch der Branchenverband Bitkom sieht KI in diesem Feld in den nächsten Jahren noch viel weiter auf dem Vormarsch. „Die Anwendungsfelder sind schon jetzt vielseitig. Neben dem Vorsortieren der Bewerbungen kann KI auch ein erstes, automatisiertes Interview mit Kandidaten führen. Zudem können Recruiting-Assistenzsysteme die Terminkoordinierung für Vorstellungsgespräche abnehmen“, sagt Adél Holdampf-Wendel, Bereichsleiterin Arbeitsrecht & Arbeit 4.0.
Weitere wichtige Einsatzfelder sind „Matching“ und „People Analytics“. Bei Ersterem werden Talente mit Auftraggebern oder potenziellen Arbeitgebern zusammengebracht. Bei Zweiterem werden personenbezogene Daten analysiert – etwa mit Blick auf Mitarbeiterzufriedenheit, Kompetenzen und Zusammenarbeit im Team. „Wir gehen davon aus, dass sich der Einsatz von KI im Personalwesen weiter verbreiten wird und neue Anwendungen entwickelt werden“, sagt die Expertin.
Marie Schäfers hat ihren Studienabschluss in Geschichte und Journalistik an der Universität Gießen gemacht. Sie volontierte bei der „Westfälischen Rundschau“ in Dortmund und ist Leitende Redakteurin der Zeitung Sonntag-EXPRESS in Köln. Für aktiv beschäftigt sie sich als freie Autorin mit den Themen Verbraucher, Geld und Job.
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