München. 323 Ausbildungsberufe und rund 10.000 Bachelorstudiengänge gibt es in Deutschland. Da müsste eigentlich für jede und jeden was dabei sein. Und auch die Unternehmen müssten aus diesem Pool genügend gut ausgebildeten Nachwuchs schöpfen können.

Doch so einfach ist die Sache nicht. Um einen coolen Beruf zu wählen, muss man erst mal wissen, was zu einem passt! Und genau da hapert es – bei der Studien- und Berufsorientierung. „Sie erfolgt in der Schule oft zu losgelöst vom Arbeitsmarkt. Häufig wird zu wenig oder einseitig informiert“, stellt der Aktionsrat Bildung in seinem Gutachten „Bildung und berufliche Souveränität“ fest.

Das Expertengremium wurde 2005 von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) initiiert und bewertet regelmäßig die Situation im deutschen Bildungssystem.

Wolfram Hatz, Präsident der vbw, stellte die jüngste Studie vor: „Wir müssen dafür sorgen, dass Jugendliche und Unternehmen früh und passgenauer zusammenfinden.“

Denn es wird eng. Durch den demografischen Wandel werden laut einer weiteren vbw-Studie allein in Bayern bis 2035 rund 700.000 Beschäftigte fehlen. Dazu kommt ein „Mismatch“ am Ausbildungsmarkt: Stellen bleiben unbesetzt, weil passende Bewerber fehlen.

Klischees entstehen oft schon im Kindergarten

Bei den Berufsbildern bewegen sich junge Menschen oft in Rollenklischees, so ein weiteres Ergebnis des Rats. Sie grenzen sich zu früh und zu stark ein, das beginne – unbewusst – oft schon im Kindergarten. So bleibe am Ende aus der Palette der möglichen Berufe wenig übrig. Auch später werde der Zugang zum Arbeitsmarkt wesentlich durch das soziale Umfeld und das Elternhaus bestimmt. Freunde und Eltern meinen es zwar gut, doch sie haben nie die komplette Übersicht, was beruflich alles möglich ist.

Jugendlichen fehlt vor allem der Einblick in den Berufsalltag, so ein weiterer Kritikpunkt. Das hat Konsequenzen, denn dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Ausbildung oder das Studium abgebrochen werden.

Die Lösung sind sinnvoll ausgesuchte und verpflichtende Praktika, die im Unterricht praxisnah vor- und nachbereitet werden. „Gleichzeitig müssen wir die Eltern verstärkt einbinden, sie spielen bei der Berufswahl ihrer Kinder eine entscheidende Rolle“, so der Rat.

Ziel ist, dass junge Menschen berufliche Souveränität entwickeln. Der Vorsitzende des Aktionsrats Bildung, Professor Dieter Lenzen, erklärt den Ansatz: „Damit sind sie befähigt, ihre Berufs- oder Studienwahl selbstständig zu treffen, den Beruf kompetent auszuüben und die Wahl auf dem gesamten Karriereweg immer wieder kritisch zu prüfen.“ Auch im Falle einer Arbeitslosigkeit seien sie so imstande, sich selbstbestimmt und zukunftsorientiert beruflich weiterzuentwickeln.

Wie gute Berufsorientierung funktioniert, zeigen bayerische Schulen mit dem sogenannten „Berufswahl-Siegel“. Die vbw fördert die Auszeichnung gemeinsam mit dem Bayerischen Kultusministerium.

Sie ging zum Beispiel an die Krötensee-Mittelschule in Sulzbach-Rosenberg. Sie kooperiert mit regionalen Unternehmen und unterstützt gleichzeitig ihre Schülerinnen und Schüler dabei, altersgerechte Erfahrungen im Beruf zu sammeln. So wird die Chance, den richtigen Beruf zu finden, deutlich größer.

Das Gutachten kann unter diesem Link heruntergeladen werden: vbw-aktionsrat-bildung.de

Friederike Storz
aktiv-Redakteurin

Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.

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