Wer sich auf eine neue Stelle bewirbt, legt dabei in der Regel auch Arbeitszeugnisse von früheren Arbeitgebern bei. Einigen Unternehmen reicht das jedoch nicht – sie hätten gerne genauere Informationen. Aber darf ein Unternehmen einfach beim aktuellen oder einem früheren Arbeitgeber nachfragen, wie der Bewerber sich im Job macht beziehungsweise gemacht hat? Die Antwort lautet fast immer: Nein. Wann welche Regeln gelten, erklärt Franz-Josef Rose, Leiter Recht beim Arbeitgeberverband Hessenmetall in Frankfurt am Main.
„Das Zeugnis des Arbeitnehmers gilt als Leistungsnachweis, was solche Rückfragen im Bewerbungsverfahren unnötig machen sollte“, sagt Rose. Es ist auch kein Argument, dass manche Zeugnisse erfahrungsgemäß nur wenig Aussagekraft haben – beispielsweise weil es in vielen Unternehmen üblich ist, dass der Mitarbeiter sein Zeugnis selbst vorformuliert. „Das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers ist meist vorrangig vor dem Interesse des Arbeitgebers, sich nach dem Bewerber zu erkundigen“, erläutert der Fachanwalt für Arbeitsrecht. Völlig tabu ist es auch, sich nach dem Bewerber zu erkundigen, wenn noch gar kein Zeugnis vorliegt, weil das aktuelle Arbeitsverhältnis noch gar nicht gekündigt ist.
Auskunft über ehemalige Mitarbeiter: Nur mit Einwilligung
Der Arbeitgeber in spe darf nämlich nur beim vorherigen Arbeitgeber nachhaken, wenn der Bewerber damit einverstanden ist. „Der Bewerber kann jedoch nicht pauschal einwilligen, sondern muss vorab detailliert informiert werden, welche Informationen der Arbeitgeber einholen möchte“, sagt der Experte. Das gilt selbst dann, wenn der Bewerber damit überhaupt kein Problem hat.
Aussagen wie „Rufen Sie meinen früheren Chef ruhig an“ oder „Sie können sich gerne nach mir erkundigen“ gelten juristisch also nicht als ausreichende Einwilligung. Vielmehr müsste der neue Arbeitgeber vorab genau sagen, was er mit dem Ex-Chef besprechen möchte, beispielsweise wie gut der Bewerber im Arbeitsalltag mit einer bestimmten Software zurechtkam – und der Bewerber müsste genau diesen Gesprächsinhalten zustimmen.
Informationen über das Privatleben sind grundsätzlich tabu
Über andere, nicht genehmigte Themen dürften die beiden Unternehmen aber niemals miteinander sprechen. „Grundsätzlich tabu sind selbstverständlich Fragen nach dem Privatleben des Bewerbers“, so der Jurist. Ob jemand beispielsweise am Wochenende regelmäßig feiert – so etwas geht das Unternehmen gar nichts an.
Grundsätzlich gilt ebenfalls: Das Unternehmen darf die Zustimmung zu solchen Rückfragen auch nicht zur Bedingung für die Teilnahme am weiteren Bewerbungsverfahren machen. „Die Einwilligung muss freiwillig erfolgen“, erläutert Experte Rose. Gut zu wissen: Eine solche Einwilligung kann mündlich erteilt werden, wird in der Praxis aber aus Nachweisgründen meist schriftlich niedergelegt.
Welche Ansprüche hat der Bewerber bei Verstößen?
Nach dem Gespräch muss das Unternehmen den Bewerber innerhalb von vier Wochen darüber informieren, welche Informationen es vom Ex-Arbeitgeber erhalten hat und wann die Daten wieder aus den Akten entfernt werden. „Bei einer Absage müssen die entsprechenden Daten in der Regel spätestens nach sechs Monaten gelöscht werden“, erklärt Rose.
Hat der Arbeitgeber in spe Dinge erfragt, für die der Bewerber vorher keine Einwilligung gegeben hat, oder hat er sogar völlig ohne Einwilligung Kontakt zum Ex-Chef aufgenommen, können Bewerber Schadenersatz und eine Entschädigung verlangen. Das muss man aber natürlich beweisen können. Wie hoch die Zahlung ausfällt, hängt von der genauen Situation ab. „Es entsteht aber kein Anspruch auf einen Arbeitsvertrag. Der Bewerber kann sich in einem solchen Fall also nicht in ein Arbeitsverhältnis einklagen“, erläutert der Jurist.
Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.
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