Haben Sie es erkannt? Welchen berühmten Zebrastreifen die vier „Star Wars“-ähnlichen Roboter auf dem Foto links gerade überqueren? Es ist die Abbey Road in London. Das von uns generierte Bild stellt das bekannte Plattencover der gleichnamigen Beatles-LP von 1969 nach. Es stammt aus der Feder, Pardon, dem Pinsel des Bild-Generators Midjourney, der mit künstlicher Intelligenz (KI) arbeitet.
Spätestens seit dem Hype um das KI-Sprachprogramm ChatGPT sind die schlauen mathematischen Algorithmen in aller Munde. Und sie werden schon erstaunlich häufig für unterschiedlichste Aufgaben eingesetzt.
Ein Beispiel dafür, was die Sprach-Bots draufhaben: Fragt man die KI Writesonic, wie gut die Beatles sind, erhält man folgende Antwort: „Die Beatles sind aufgrund ihres unvergleichlichen Einflusses auf die Musik-Industrie die beste Band der Welt. Sie revolutionierten die Art und Weise, wie die Menschen den Rock ’n’ Roll betrachteten. Die Beatles haben mehr Alben verkauft als jede andere Gruppe in der Geschichte. Ihre Texte und Musik sind unglaublich aussagekräftig, und ihre Melodien sind einfach wunderschön.“
<<Klara, schreib mal schnell ein Buch für mich>>
Doch KI gibt nicht nur Antworten auf bekannte Fragen, sie schafft neu: Ein ganzes Buch an nur einem einzigen Wochenende schreiben? „Niemals“, hätte Professor Christian Rieck vor ein paar Jahren gesagt. ChatGPT, ein Textbot mit künstlicher Intelligenz, erledigt die Aufgabe jedoch im Handumdrehen. „Sonntagabend um 23:45 Uhr war das Manuskript fertig“, so der Wirtschaftswissenschaftler. „Ich habe dazwischen sogar noch Yoga gemacht.“ „Schummeln mit ChatGPT“ heißt der Ratgeber, der dabei entstanden ist, ein Gemeinschaftswerk von Mensch und Maschine.
Der Bot, den Rieck für sein Projekt einspannte, spuckt Sachtexte und Aufsätze aus, dichtet und generiert Computercodes. Vorausgesetzt, man gibt ihm die richtigen Befehle. Das demonstriert der Autor in seinem Buch und zeigt zugleich die Grenzen. <<Es ist wichtig zu beachten, dass ich manchmal Fehler mache, wenn die Informationen unvollständig oder unklar sind>>, bemerkt seine maschinelle Co-Autorin, die sich selbst den passenden Namen „KIara“ gab.
Texte aus der Maschine sind schon Wirklichkeit, etwa im Wetterbericht. Das abzulehnen, wäre aus Riecks Sicht, wie Matheaufgaben im Kopf zu lösen, obwohl man einen Taschenrechner hat.
175 Milliarden Parameter enthält das neuronale Netz hinter dem Chatbot ChatGPT
Dennoch ist der Chatbot kein Einser-Kandidat. Sein Wissensstand reicht nur bis ins Jahr 2021, er hat Defizite in der Logik und tat sich schwer beim bayerischen Abitur. Das ergab ein Praxistest, bei dem ein Lehrer die KI einige Abi-Aufgaben lösen ließ. Deutsch: Note 5, zu viel Gelaber. Mathe: 4-, Geschichte, na ja, eine 3+. Allerdings: Gute Prompts, also Anweisungen für KI, zu erstellen, will gelernt sein. Wer die Bots nicht richtig füttert, erhält nur Quatsch. „Ein häufiger Fehler“, bemerkt Rieck.
<<Sag mir, welchen Flug ich heute streichen soll>>
Nicht nur in der Schule, auch beim nächsten Urlaub spielt KI womöglich eine große Rolle. Sie entscheidet mit, wer wo pünktlich ankommt und wer eben nicht. Die Fluggesellschaft Lufthansa (LH) setzt auf datengetriebene Steuerung im Flugbetrieb. Wetterkapriolen, erkrankte Crew-Mitglieder oder auch technische Probleme können den Flugplan ziemlich durcheinanderbringen. Mit dem Google-Konzern hat die Gesellschaft daher eine Plattform geschaffen, auf der verschiedenste Daten vom Wetter am Abflugort bis zur Wartung der Maschinen zusammenfließen. Das Ziel: weniger Verspätungen und Annullierungen. Denn die sind ärgerlich für Passagiere und teuer für die Fluglinie. Bei der LH-Tochter Swiss wurde das System getestet, seit diesem Jahr ist es in München am Start und soll bald konzernweit kommen.
Die KI rechnet alles durch, teilt die Flüge nach einem Ampelsystem ein und gibt Handlungsempfehlungen. Rot bedeutet etwa: Diesen Flug besser nicht streichen, auf der Maschine ist eine große Gruppe gebucht, die ein Kreuzfahrtschiff erreichen muss. Das könnte teuer werden …
KI macht das Fliegen zudem ein Stück umweltfreundlicher. Das System wählt den jeweils besten Flugzeugtyp für die Route, das spart Treibstoff.
<<Binde bitte den linken Schnürsenkel zu>>
In der Medizin hilft künstliche Intelligenz ebenfalls. Nicht nur bei Bildanalysen, die Grundlage für genauere Diagnosen sind. Auch Menschen mit Amputation dient die Technologie. Beispiel Handprothese: Woher weiß sie, wann und wie sie einen Finger ausstrecken soll? Die Antwort ist: Sie lernt es selbst, mit Algorithmen. Der Hersteller Otto Bock hat solche Prothesen entwickelt. Sie helfen Menschen mit Behinderung, „Handgriffe“ wieder leicht auszuführen, so wie mit einer gesunden Hand.
Amputierten fehlt zwar das Organ zur Ausführung, sie können sich aber weiterhin vorstellen, die Hand zu bewegen. Elektroden am Unterarm messen diese Nervensignale. KI ordnet sie bestimmten Handbewegungen zu. Die automatische Steuerung gibt der Prothese dann den Befehl, den Griff auszuführen. So lernt die Prothese vom Menschen und nicht umgekehrt. Per App lässt sich jedes Bewegungsmuster speichern und stetig verbessern. Einen Schuh zu binden, ein Glas Wasser einzuschenken oder ein Ei zu halten, ist mit der Hilfe kein Problem.
<<Berechne, welche Schlaglöcher repariert werden müssen>>
Im Straßenverkehr ist künstliche Intelligenz schon lange kein Fremdwort mehr. Google nutzt sie für den Kartendienst Maps seit Jahren, um Straßen zügig zu kartografieren. Und auch wenn bislang noch keine selbstfahrenden Autos auf deutschen Straßen unterwegs sind, bringen etwa in der nordrhein-westfälischen Stadt Monheim Busse ohne Fahrer am Steuer auf speziellen Strecken Passagiere von A nach B.
Eine ungewöhnliche Idee hatte Anfang des Jahres die Gemeinde Barleben in der Nähe von Magdeburg. Dort sollen mithilfe von KI Schlaglöcher erkannt werden. Drei Autos der örtlichen Wirtschaftsbetriebe sind mit einem Smartphone an der Frontscheibe ausgerüstet. Eine spezielle Software nimmt alle vier Meter ein Bild samt GPS-Spur und Zeitmarke auf. Anschließend werden die Bilder von einem Algorithmus auf Straßenschäden gescannt und in 15 Schadensklassen eingeordnet. So ist schnell klar, wo umgehend Schlaglöcher repariert werden müssen.
Laut Anbieter Vialytics nutzen das Programm bereits mehrere Kommunen. Wäre doch gut, wenn damit die Huckelpisten in den Städten nach und nach verschwinden würden, oder nicht?
<<Spiele die aktuellsten Rock-Hits>>
Die kleine Insel Helgoland, rund 60 Kilometer vom Festland entfernt und mit weniger als 1.500 Bewohnern, sorgt für ein Novum. Sie hat den weltweit ersten Radiosender, der ausschließlich mit künstlicher Intelligenz betrieben wird.
Wie es dazu kam? Im Frühjahr 2017 ging „The Rock Radio Helgoland“ auf Sendung. Die Macher um Initiator Thore Laufenberg wollten Deutschlands einziger Hochseeinsel ein eigenes Lokalradio bieten. Leider wurde der Sendebetrieb drei Jahre später eingestellt, da sich nicht genügend Mitstreiter fanden. Nun wagt Laufenberg den Neustart und ein bislang einmaliges Experiment. Der Sender kommt ohne Manpower aus. Moderatoren gibt es nur virtuell, auch Ansagen oder Beiträge werden – nach bestimmten Vorgaben – automatisch erstellt und gesendet. Natürlich erkenne man den Unterschied, so der Gründer. Aber er sei erstaunt über die gute Qualität, die KI bereits jetzt ermöglicht.
Wer selbst mal reinhören möchte: Der Sender ist unter folgender Adresse erreichbar: radiohelgoland.de
<<Beweis mir, dass der Mandant unschuldig ist>>
Es ist ein schräger Gedanke: eine Gerichtsverhandlung, in der man statt von einem Anwalt mit Jurastudium von einer KI vertreten wird. Das war zumindest in den USA geplant. Dort sollte der „Robot Lawyer“ seinen ersten Fall übernehmen und einen Strafzettel vor Gericht anfechten– nicht vor Ort, sondern mittels Bluetooth-Kopfhörer im Ohr seines Mandanten. Allerdings hat sich das Unternehmen hinter der Idee, DoNotPay, inzwischen zurückgezogen.
Es gibt jedoch auch bei uns bereits sogenannte Legal-Tech-Angebote für automatisierte Rechtsberatungen wie bei Bußgeldbescheiden, die zigfach vorkommen. Ein „echter“ KI-Anwalt im Gericht ist aber unwahrscheinlich: Die Anwaltschaft gilt als freier Beruf, der laut Gesetz von „natürlichen Personen“ ausgeführt werden muss.
KI-Programme: So kann man sie mal testen
- Das kostet es: Häufig kann man den Bot kostenfrei ausprobieren. Möchte man intensiver damit arbeiten, wird es in der Regel kostenpflichtig. Das kann dann ein einmaliger Betrag sein oder ein Abo-Modell.
- Man braucht Geduld: Einige Bots haben Server-Probleme, sodass sie zu manchen Zeiten nicht erreichbar sind oder nur verzögert reagieren.
- KI-Bots, von den Autorinnen getestet: ChatGPT, Writesonic, DALL-E, midjourney, AIVA und soundraw. Am besten gibt man den Namen des Programms bei einer Suchmaschine ein und kommt so auf die Internetseite.
Was ist eigentlich ein Prompt?
- „Prompts“ sind klare Anweisungen für KI. Nur so weiß das Programm, was es erschaffen soll.
- „Seeds“ bringen den Stein ins Rollen. Sie sind der Ausgangspunkt, mit dem KI ihre Arbeit beginnt.
- „Maschinelles Lernen“ ist die Grundlage für KI. Die Software wird trainiert, indem sie große Datenmengen sichtet und verknüpft. Sie leitet daraus Erkenntnisse ab und wird so immer ein Stückchen schlauer.
- „Neuronale Netze“ helfen beim Erkennen von Mustern. Sie ahmen dabei Verknüpfung von Nervenzellen im menschlichen Gehirn nach.
- „Halluzinieren“ nennt man es, wenn KI fehlende Angaben einfach dazu erfindet und ergänzt, was aus ihrer Sicht wahrscheinlich ist.