Erlangen. Abends mal schnell aufs Siemens-Gelände fahren und Pizza essen? Noch vor wenigen Jahren war das im Erlanger Süden undenkbar. Inzwischen jedoch haben sich auf dem neuen Siemens-Campus italienische Restaurants, Sushi-Bars und Burger-Läden angesiedelt: „Das ist ein Hotspot der Restaurant-Szene in der Stadt“, sagt Thomas Braun zufrieden. Als General Manager verantwortet er den Neubau des weltweit größten Standorts des Konzerns, leitet darüber hinaus bei der Immobiliensparte die Entwicklungsprojekte weltweit.

Vom Start des Projekts bis zur Fertigstellung vergehen 17 Jahre

Doch was haben Restaurants auf dem Werkgelände zu suchen? „Genau das ist das Konzept“, sagt Braun. „Wir lösen unsere Zäune auf und öffnen uns“, erklärt er. „Der Campus soll ein neuer Stadtbaustein für Erlangen werden, der Herz mitbringt und lebendig wird.“

So lädt eine breite, baumgesäumte Promenade Spaziergänger ein, zwischen den acht Bürogebäuden zu flanieren. Sie sind im ersten Bauabschnitt, dem „Modul 1“, entstanden und 2020 eröffnet worden. Zwei Jahre danach, im Winter 2022, ist auch das Modul 2 mit weiteren vier Bürogebäuden sowie dem neuen Empfangsgebäude fertig geworden. Komplett neu bebaut soll das insgesamt 54 Hektar große Areal 2030 sein. Auf dem Campus zieht Siemens viele Einheiten zusammen, die bisher an verschiedenen Orten in Erlangen verstreut lagen. So nutzt die Verkehrssparte Mobility die Büros in Modul 1, in modernen Laboren forschen und entwickeln etwa die Energie- sowie die Technologie-Sparte.

Etwa 17 Jahre vergehen vom Projektstart bis zur finalen Fertigstellung. Eine lange Zeit, in der sich sowohl Bauvorschriften als auch die Ansprüche an Arbeitsplätze ändern. Wie gehen die Planer damit um? „Bei unseren Immobilienprojekten ist unser Ziel, Maßstäbe für die Zukunft zu setzen. Bauvorschriften beachten wir selbstverständlich, sie sind aber nur ein Aspekt“, erklärt Braun.

So lag bei der Planung für Modul 1 der Fokus auf Modularität, um neue Arbeitswelten mit flexiblen Büros zu ermöglichen. Und es ging um Nachhaltigkeit. „Das hieß damals, die Gebäude CO2-neutral zu betreiben“, sagt Braun. Man entschied sich für modulare Vorfertigungsteile in Beton, kooperierte mit den Stadtwerken beim Bau eines Blockheizkraftwerks, das Fernwärme und Fernkälte für den Campus, aber auch für weitere Stadtteile in Erlangen liefert.

Nachhaltigkeitskriterien haben die Planer noch mal verschärft

Bei Modul 2, für das die Planungen später begannen, definierte Braun mit seinem Team Nachhaltigkeit noch viel weiter: „Wir wollten nicht nur CO2-neutralen Betrieb, sondern auch beim Bau selbst so wenig CO2 binden wie möglich.“ Man hat sich daher für den innovativen Holz-Hybridbau entschieden. Bei dem inzwischen lancierten Start des Moduls 8 hat Siemens das gebundene CO2 sogar zu einem Vertragsbestandteil bei seinem Generalunternehmen gemacht. „So müssen beide Seiten darauf achten, dass trotz jeder Veränderung, die im Laufe des Projekts kommt, immer noch die ursprünglichen CO2-Vorgaben erfüllt werden.“

Dabei hilft, dass die Bauherren auf digitale Planungsdaten setzen. „Wir betrachten damit den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes.“ Das sogenannte BIM (Building Information Modelling) macht datengestützt sämtliche Gebäudestrukturen sichtbar. Ein digitaler Zwilling der Immobilie zeigt etwa Wasserrohre oder Stromleitungen an. Das Gebäude lässt sich so besser betreiben, die spätere Wiederverwertung wird einfacher.

„Wir Architekten bauen ja gerne für die Ewigkeit“, gibt Braun zu. „Aber in Zukunft wird die Zerlegung von Immobilien in ihre Ausgangsbestandteile ein ganz wesentliches Thema für nachhaltiges Bauen, davon bin ich fest überzeugt.“ Das geht nur, wenn man über den gesamten Bewirtschaftungszeitraum weiß, wo was verbaut ist, aus welchem Material es besteht und wie man es wieder auseinandernimmt, um wertvolle Ressourcen wiederzuverwenden. „Auch für dieses Zukunftsthema wollen wir Vorreiter sein“, sagt Braun.

Alix Sauer
Leiterin aktiv-Redaktion Bayern

Alix Sauer hat als Leiterin der aktiv-Redaktion München ihr Ohr an den Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft, insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie. Die Politologin und Kommunikationsmanagerin volontierte bei der Zeitungsgruppe Münsterland. Auf Agenturseite unterstützte sie Unternehmenskunden bei Publikationen für Energie-, Technologie- und Mitarbeiterthemen, bevor sie zu aktiv wechselte. Beim Kochen und Gärtnern schöpft sie privat Energie.

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