Das Spielfeld, auf dem Julian Winter (23) und Paul Schunk (19) für die Weltmeisterschaft trainieren, passt auf einen kleinen Rollwagen. Darauf befestigt: ein Computer und eine Konstruktion, die ein Produktionssystem im Miniformat abbildet. Der Wagen steht im Festo-Lernzentrum in St. Ingbert – dem Ort, an dem die beiden Mechatroniker kürzlich ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Inzwischen arbeiten sie am saarländischen Standort des Automatisierungs-Spezialisten als Mechatroniker – und trainieren parallel für die WorldSkills 2024 in Lyon.

WorldSkills: Deutsche Meister sind die Saarländer schon

Die WorldSkills sind so etwas wie die Weltmeisterschaft der Berufe. Im September findet das Event zum inzwischen 47. Mal statt. Mit dabei: rund 1.500 junge Fachkräfte aus 65 Ländern, die in 63 Kategorien gegeneinander antreten. Die Disziplinen reichen von Fliesenlegen und Floristik bis hin zu Flugzeuginstandhaltung und Cybersicherheit. „Nahezu jede Ausbildungssparte ist vertreten“, sagt Ausbilder Simon Kiefer, der bei Festo regelmäßig Azubis für die WorldSkills trainiert. aktiv hat ihn und seine Schützlinge getroffen.

1.500 junge Talente aus 65 Ländern treten im Finale der WorldSkills an.

Das Duo aus dem Saarland hatte sich im Herbst 2023 bei der deutschen Meisterschaft, die nach 2021 zum zweiten Mal im Festo Lernzentrum stattfand, für das Finale in Frankreich qualifiziert: Die beiden hatten sich in der Kategorie „Industrie 4.0“ den ersten Platz erkämpft. In der Disziplin geht es um die digitale Vernetzung industrieller Anlagen: Die Teilnehmer mussten einen „digitalen Zwilling“ einer Produktionsanlage erstellen. Mit diesem Abbild lassen sich – rein digital – neue Arbeitsabläufe simulieren, ohne dass man dafür in die laufende Produktion eingreifen muss. „In die dazugehörige Anlage haben wir dafür Sensoren montiert und digital eingebunden“, erklärt Winter. „Das waren drei intensive Wettkampftage mit einigen Herausforderungen“, ergänzt sein Kollege Schunck. „Da mussten wir wirklich zeigen, was wir gelernt haben.“

    Das Training für die WorldSkills hilft auch im Job weiter

    Industrie 4.0 spielt in der Automatisierungstechnik eine immer größere Rolle. Dass sich die beiden Mechatroniker die passenden Skills parallel zur Ausbildung erarbeitet haben, kommt ihnen jetzt beim Berufsstart zugute. „Ich merke, dass ich sehr von unserem Training profitiere – das hilft auch meinem ganzen Team weiter“, sagt Winter. Aktuell ist er für die mechanische Instandhaltung der Produktionsanlagen bei Festo verantwortlich. Sein Kollege Schunk lernt gerade, wie man eine Automatisierungsanlage steuert und führt. „In der Produktion geht es immer mehr um die Vernetzung unterschiedlicher Komponenten wie etwa Kameras“, ergänzt Schunck. „Julian und ich haben genau das monatelang trainiert.“

    63 nicht-akademische Berufe bilden die Disziplinen der WorldSkills – von Floristik bis Metallbau.

    Herausforderung: eigene Fehler schnell erkennen

    Sich neben der Ausbildung in Themen wie Industrie 4.0 reinzudenken, erfordert viel Fleiß – und den Rückhalt des Unternehmens. Dass sein Arbeitgeber Azubis regelmäßig Raum dafür gibt, weiß Ausbilder Kiefer zu schätzen: „Wir haben großes Glück, dass die Jungs sich die Zeit zum Training nehmen dürfen, auch jetzt in ihrer Festanstellung im Werk.“

    Fürs Finale in Frankreich sind die beiden von der Arbeit freigestellt: Gemeinsam mit ihren Eltern, Ausbildern und den anderen knapp 80 Azubis im Werk geht es im gecharterten Bus nach Lyon. Dort werden sie an vier Wettkampftagen ihr Können zeigen. „Die Kunst ist, eigene Fehler schnell zu erkennen und auszubessern“, sagt Winter. Aber auch von den Gegnern könne man viel lernen, glaubt Schunck: „Für uns ist es spannend zu sehen, wie andere Probleme lösen – davon können wir viel für unsere Arbeit mitnehmen.“

    Dieser Gemeinschaftsgedanke scheint allerdings nicht bei allen World-Skills-Teilnehmern selbstverständlich zu sein, sagt Ausbilder Kiefer: „Die Veranstaltung hat in einigen Ländern eine enorme politische Bedeutung bekommen.“ Dadurch sei der Druck auf viele der jungen Teilnehmer gestiegen.

    Bei Festo in St. Ingbert ist von diesem Druck nichts zu spüren. Hier sieht man das so: Wer seine anspruchsvolle Berufsausbildung mit Bravour gemeistert und zudem auf internationalem Parkett bewiesen hat, der hat schon gewonnen – beruflich und persönlich.

    Das Festo-Lernzentrum

    • Das Lernzentrum in St. Ingbert feiert 2024 sein 30-jähriges Bestehen. Es ist der größte Bildungsträger im Saarland – und gleichzeitig ein Forschungslabor.
    • Techniker, Mechatroniker und andere können sich im Lernzentrum ausbilden lassen, wenn ihr Unternehmen keine eigene Lehrwerkstatt hat.
    • Aktuell werden dort rund 80 Auszubildende in 12 Berufen fit gemacht – auch in dualen Studiengängen wie Wirtschaftsingenieurwesen oder Maschinenbau.
    • Neben der Berufsausbildung kann man im Festo-Lernzentrum diverse Weiterbildungen und Umschulungen absolvieren.
    • Unternehmen können sich hier außerdem zu Themen wie Industrie 4.0 beraten lassen.
    Nadine Keuthen
    aktiv-Redakteurin

    Nadine Keuthen stürzt sich bei aktiv gerne auf Themen aus der Welt der Wissenschaft und Forschung. Die Begeisterung dafür haben ihr Masterstudium Technik- und Innovationskommunikation und ihre Zeit beim Kinderradio geweckt. Zuvor wurde sie an der Hochschule Macromedia als Journalistin ausgebildet und arbeitete im Lokalfunk und in der Sportberichterstattung. Sobald die Sonne scheint, ist Nadine mit dem Camper unterwegs und schnürt die Wanderschuhe. 

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