Bad Tölz. Tarzan ist nichts dagegen. Wo Höhenarbeiter unterwegs sind, kann einem schon vom Zuschauen schwindlig werden. 20, 30, 60 Meter hoch über dem Boden hangeln und hängen sie frei im Seil und verrichten dabei noch dazu schwierige Arbeiten.

Video: Hier sehen Sie die mutigen Höhenarbeiter in Action

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Beim „Petzl Rope Trip“, einem Wettkampf für Seilzugangstechniker – so heißt der Beruf offiziell –, zeigten Profis, wie man in der Vertikalen fix hantiert. 18 Teams von den „Seilbuam“ bis zu „Res-Kuh“ maßen sich in der 20 Meter hohen Halle des Zentrums für Sicherheit und Ausbildung der Bergwacht in Bad Tölz.

Vorneweg: Wer klettert, muss stets gut gesichert sein. Dafür ist die persönliche Schutzausrüstung (PSA) da, die unter anderem der französische Hersteller Petzl mit deutschem Firmensitz bei München herstellt. PSA ist in Deutschland für Arbeiten ab einem Meter über dem Boden vorgeschrieben und besteht mindestens aus Helm, Gurt sowie einem Auffangsystem.

Klick, klick, schon sind Karabiner und Sicherungsgerät eingehakt, los geht’s in den Seilparcours, rauf an die Hallendecke. Für den Wettkampf in Bad Tölz hat sich Veranstalter Petzl knifflige Aufgaben ausgedacht. „Sie sind alle an den Arbeitsalltag der Höhenarbeiter angelehnt“, sagt Christoph Driever, Chef von Petzl Deutschland. Der Wettbewerb ist eine prima Gelegenheit zum Austausch unter Profis. Driever: „Hier kommen Menschen zusammen, die diese Sachen täglich benutzen. Sie sagen uns, welche Probleme sie da draußen haben, so können wir unsere Ausrüstung beständig weiterentwickeln.“

Das bestätigen auch Teilnehmende aus der Community: „Man beobachtet die anderen Teams beim Lösen der Aufgaben und kann sich dabei sehr viel für die tägliche Arbeit abschauen“, sagt etwa Peter Gruber vom Team „Seilbuam“ aus München.

„Klettern ist oft die einzige Lösung für Wartung und Montage an Brücken, Türmen oder Windrädern“

In der Halle in Bad Tölz geht's sportlich zu, der Wettbewerb ist keine leichte Sache: Mit Karabiner, Seilrollen und Klemmen, die für diverse Arbeiten in der Höhe nötig sind, bringt das Equipment gut zehn Kilo auf die Waage. Damit heißt es nun Gewichte wuchten am Flaschenzug, Bohrmarken setzen, sich schnell über die Dachkante schwingen oder volle Wassereimer balancieren, ohne ein Tröpfchen zu verlieren. Eine durchaus athletische Angelegenheit. In der Halle beim Wettbewerb ist das Spaß. Draußen dagegen harte Arbeit, die viel Routine verlangt.

Seilzugangstechniker sind gefragt. Ohne sie keine Energiewende, sie warten Windräder und verleihen den Flügeln neuen Schliff! Selbst beim Telefonieren mit dem Handy stünden wir ohne sie ganz schön auf dem Schlauch: Die Kletterer montieren Technik an Mobilfunkmasten.

Auch in der Industrie, wo ständig irgendetwas repariert, montiert oder gereinigt werden muss, gehen sie mit großer Sorgfalt vor. In den Werken bewegen und bringen sie verschiedenste Dinge und Vorrichtungen hoch oben an der Hallendecke an. Da heißt es vorsichtig sein: „Darunter stehen meist teure Anlagen, die dürfen nicht beschädigt werden“, so Driever.

An die 2.500 Industriekletterer, wie man die Seil-Akrobaten umgangssprachlich nennt, gibt es hierzulande. Sie alle brauchen Muckis, Mut und Köpfchen. Die meisten von ihnen haben vorher einen Handwerksberuf erlernt und satteln die Zusatzausbildung zum Seilzugangstechniker obendrauf (den Job machen übrigens auch Frauen!). Es sind mehrere Lehrgänge und viel Praxis nötig, manchmal über Jahre, bis man die Ausrüstung komplett beherrscht.

Doch die Technik hat sich im Laufe der Jahre bewährt, sie spart Zeit und Kosten. „Früher hat man für viele Arbeiten Kräne gemietet oder Gerüste aufgebaut“, so Petzl-Manager Driever. Heute erledigen das die Kletterinnen und Kletterer. Typische Einsätze für sie sind etwa Klettereien an Fassaden. Dort seilen sie sich zum Malern oder Fensterputzen ab, reinigen aber auch Silos, stopfen Spechtlöcher an Gebäudewänden oder biegen nach dem Sturm den Wetterhahn am Kirchturm wieder gerade.

Von dem Profi-Equipment profitiert auch der Outdoorsport

Höhenangst darf man da freilich nicht haben. „Gesunder Respekt vor der Höhe ist aber nie verkehrt“, sagt Matthias Podlaha, Teilnehmer am Wettbewerb. Er ist „Rigger“, bringt auf Konzertbühnen Kettenzüge für Licht- und Tontechnik an, zum Beispiel für Pop-Legende Sting oder bei dem Open Air-Spektakel „Rock am Ring“.

Spaß und Ernst liegen manchmal nah beieinander. Beim Wettbewerb in Bad Tölz siegten die „Rope Shepherds“. Draußen im Alltag verlassen sich beispielsweise Bergwacht, THW und Feuerwehr auf das Equipment zur Höhenrettung. Petzl entwickelt es beständig weiter. Davon profitiert nicht zuletzt der Outdoorsport, das zweite Standbein der Firma. Auch da geht es schließlich um Sicherheit. Doch an Helm, Gurt und Karabiner für den Freizeitsport ist kein Gramm zu viel. Schließlich muss man alles den Berg hochtragen.

Friederike Storz
aktiv-Redakteurin

Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.

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